Krankheitswellen, Kita-App und die Idee eines neuen „Uhinger Modells“ – offener Austausch zur Kinderbetreuung

Sollen engagierte Eltern das Personal der Kindertagesstätten in Uhingen unterstützen? Das war eine Frage beim offenen Austausch zwischen Gesamtelternbeirat, Vertretern der Kitas und deren Trägern, der aufgrund der Pandemie nach langer Zeit wieder stattgefunden hat.    Am Ende der Veranstaltung stand die Idee des „Uhinger Modells“, das zu einer Entlastung bei der Kinderbetreuung beitragen soll, indem sich Eltern noch aktiver am Kindergartenalltag beteiligen. Die Stadt Uhingen will diese Möglichkeit auf Machbarkeit untersuchen.

Triefende Nasen, gerötete Bäckchen und die fortwährende Symphonie aus Schniefen und Husten. In vielen Kindis gehört dies, insbesondere während der Hauptkrankheitszeiten, leider zum Alltag. Das Ansteckungsrisiko für das Personal in den Kindergärten ist unglaublich hoch. Fallen die pädagogischen Fachkräfte krankheitsbedingt aus, kann die Betreuung aufgrund solcher personellen Engpässe oft nur zu Lasten des verbliebenen Personals oder – im schlimmsten Fall –  gar nicht aufgefangen werden. Parallel dazu ist der Fachkräftemarkt leergefegt, wodurch die Einstellung von zusätzlich benötigten Aushilfs- oder Vertretungskräften quasi unmöglich ist.

Die bittere Folge: In Krankheitsfällen, Urlaubsabwesenheiten oder Fortbildungen muss der Standard heruntergefahren werden. Es stehen zur Betreuung der Mädchen und Jungen zu wenig Erzieherinnen zur Verfügung. In einem Offenen Austausch zwischen Gesamtelternbeirat, Kitaleitungen und Trägern wurde deshalb ein mögliches neues „Uhinger Modell“ diskutiert, bei dem qualifizierte Eltern die Einrichtung unterstützen soll.

Anlass für das Treffen war, dass es aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Kontaktbeschränkungen lange keine direkten Abstimmungsmöglichkeiten zwischen Mitgliedern des Gesamtelternbeirats und Mitarbeitenden in der Kindergartenbetreuung Uhingen gegeben hatte. Um den direkten Austausch zu ermöglichen, hatte Uhingens Bürgermeister Matthias Wittlinger alle Elternbeiratsvorsitzenden der Uhinger Kindergärten, deren Leitungen sowie die Trägervertreter eingeladen. „Probleme lassen sich so leichter lösen und Visionen besser von Angesicht zu Angesicht im direkten Gespräch erarbeiten“, sagte der Bürgermeister.

In diesem mehrstündigen Treffen regten Elternvertreter um den Gesamtelternbeiratsvorsitzenden Oliver Frank mehrfach an, dass engagierte Eltern zur Unterstützung in den Kindergärten – und auch zur Entlastung des Personals – eingesetzt werden. Dies hatte eine rege Diskussion zur Folge, inwieweit solch eine Unterstützung im Rahmen der pädagogischen Ausrichtung und der rechtlichen Grundsätze sinnvoll und möglich ist. Im Zuge des Meinungsaustausches entwickelte sich schließlich die Idee, einen sogenannten Kräftepool zu etablieren. Dieser könnte aus motivierten Menschen mit Erfahrung im pädagogischen Bereich bestehen, die bei besonderen Projekten oder zur Unterstützung mitarbeiten. Dafür müssten jedoch im Vorfeld unbedingt spezielle Richtlinien festgesetzt und die Menschen für diese Aufgabe zusätzlich qualifiziert werden, um sie dann als Zusatzkräfte in Notzeiten oder zu Projekten einsetzen zu können. Bevor das „Uhinger Modell“ starten kann, prüft die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit den Einrichtungsleitungen die verschiedenen Rahmenbedingungen, unter denen eine solche Mitarbeit erfolgen kann. Denn auch das war ein Ergebnis beim Offenen Austausch: Die Eltern sind die Profis in den Familien, die ErzieherInnen und Erzieher die Profis in den Kindertageseinrichtungen. Frühpädagogik wird in einer qualifizierten Ausbildung erlernt oder studiert. Das kann man im Kindergartenalltag nicht eins zu eins mit Eltern ersetzen.  „Sie lassen Ihr Auto doch auch nicht vom Nachbarn reparieren, weil der Auto fahren kann, sondern bringen es zu Profis in die Werkstatt“, sagte hierzu Professor Hans-Jochen Wagner, Honorarprofessor der Hochschule Esslingen, der außerdem an der Justus-von-Liebig-Schule in Göppingen lehrt. Er wies darauf hin, dass Kitas keine reinen Aufbewahrungseinrichtungen sind. Stattdessen seien Expertenwissen, Professionalität und die Vermittlung von Bildung gefragt. Uhingen steht – verglichen mit anderen Städten und Gemeinden im Kreis Göppingen – noch gut da, machte er deutlich: „Uhingen hat im Kreis einen guten Ruf in der Kindergartenlandschaft der Elementarpädagogik.“ Das sollte man auch zu erhalten.

Die Anforderungen an das Fachpersonal würden zunehmend steigen. Sich mehr Zeit für das einzelne Kind nehmen zu müssen, hat sich durch Ereignisse wie Corona schlichtweg verstärkt. Die Kinder brauchen mehr Unterstützung, sowohl im emotionalen, als auch im sozialen Bereich. Und hier brauche es eben Profis. Dies bekräftigen auch die Leitungen der Uhinger Kitas.

Die Belastung für die pädagogischen Fachkräfte ist enorm, betonte Michael Lang, Verantwortlicher der katholischen Kitas im Landkreis, beim offenen Austausch in Uhingen. Selbst Mitarbeiterinnen, die schon lange in der Kinderbetreuung tätig seien und den „Karren am Laufen gehalten haben“,  würden am Belastungslimit arbeiten.

Ein weiteres Thema war eine Kita-App, von der sich Mütter und Väter einen besseren und unkomplizierteren Austausch mit dem Kindergartenpersonal erhoffen, wenn es etwa um Aktionstage, Krankmeldungen, Ferien oder Feste geht.

Zudem kam mehrfach der Wusch auf, die Kindergartengebühren nicht zu erhöhen. Durch einen niedrigen Gebührensatz wäre die Stadt Uhingen für Familien ein besonders attraktiver Wohnort. Bürgermeister Matthias Wittlinger erklärte, dass man sich in Uhingen – und den meisten anderen Gemeinden im Land – generell an den Empfehlungen des Gemeindetages Baden-Württembergs orientieren würde. „In den vergangen Jahren hat sich der Gemeinderat immer klar gegen eine Erhöhung der Gebühren ausgesprochen.“ Um jedoch die kommenden Aufgaben und damit verbunden nötigen Ausgaben des Haushaltes 2023 decken zu können, werde man in diesem Jahr an einer Gebührenerhöhung schwerlich vorbeikommen. Darüber hinaus merkte das Uhinger Stadtoberhaupt an, dass die Kindergartengebühren lediglich weniger als 10 Prozent der Aufwendungen decken. Derzeit habe Uhingen nicht einmal die Beitragsempfehlungen umgesetzt, obwohl man sich vom Qualitätsstandard über den rechtlichen Anforderungen bewege. Im Schnitt würden die Gebühren alle 2 Jahre um 2,5 bis 3 Prozent erhöht. Das bedeute für die Familien nur eine geringere Steigerung der Beiträge. Wenn Kommunen die Betreuungsgebühren allerdings eine Weile unangetastet ließen, um dann wieder den Empfehlungen des Gemeindetags zu folgen, würde eine Beitragserhöhung umso massiver erfolgen, was mancherorts im Kreis Göppingen bereits für Verärgerung gesorgt hat.

Alle Anwesenden des Abends waren sich am Ende der Veranstaltung einig, dass ein solcher Offener Austausch regelmäßig stattfinden sollte.

Hintergrund: Vorbereitet wurde der Abend vom Fachbereichszirkel der Stadt Uhingen rund um Anette Epping (Leiterin des Fachbereichs Kindergarten der Stadt Uhingen). Zu dem Zirkel gehören außerdem Thea Stephan (Leiterin der Ganztagesstätte Schmiedefeld und des Uhinger Arbeitskreises Kinder und Jugendliche), Professor Hans-Jochen Wagner (Professor für Sozialpädagogik an der Hochschule Esslingen und wissenschaftlicher Lehrer an der Justus-von-Liebig-Schule in Göppingen) sowie Katja Eisenmann (Leiterin des Uhinger Kindergartens Finkenstraße und Sprecherin der örtlichen Kindergartenleitungen).

 

PM Stadt Uhingen

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