Beim Thema Windkraft gibt es immer noch ein unversönliches Pro und Contra

Über 200 Gäste konnte die Grüne Landtagsabgeordbete Ayla Cataltepe im CDREDO, dem Veranstaltungsraum der Evangelisch Methodistischen Kirche im Unteren Filstal begrüssen. Sie hatte in ihrem Wahlkreis zur Informationsveranstaltung zum Thema „Windkraft rund um Göppingen“ eingeladen.

Sie konnte nicht nur Bürgermeister sowie Kreis- und Gemeindräte aus den Kreisen Göppingen und Esslingen begrüßen, sonder auch zahlreiche Mitglieder der Bürgerinitiative „Pro Schurwald“, die sie explizit eingeladen hatte. Bekam Cataltepe für ihre Ausführungen zum Thema noch von allen Gästen Beifall, so wurde später am Beifall klar, dass jeweils rund die Hälfte der Gäste grundsätzlich pro Windkraft eingestellt waren, die andere Hälfte aber strickt dagegen, vor allem im Schurwald. Wie unversönlich sich Pro und Kontra gegenüberstehen wurde besonders bei der abschließenden Podiumsdiskussion deutlich.

Cataltepe hatte ausdrücklich zum Dialog eingeladen, jedoch referierten Befürworter rund eine Stunde, die Bürgerinitiative bekam nur eine Redezeit von gut fünf Minuten. Das wurde natürlich von diesen als großes Manko der Veranstaltung und als Missachtung ihrer Anliegen gewertet.

Cataltepe umriss erst einmal die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen durch die vielen Krisen in der Welt. Nicht zuletzt die Klimakrise verpflichtet uns, bei der Windkraft etwas zu tun. Energie muss klimaneutral und bezahlbar sein. Dabei dürfen sich Klimaschutz und Naturschutz nicht gegenseitig ausschließen. Gleichzeitig zur Windenergie muss auch die Energiegewinnung aus der Sonne auf dem Dach und durch Freiflächenphotovoltaikanlagen vorangetrieben werden.

Der Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, Dr. Andre Baumann pflichtete dem bei. Längst ist die Windenergie nicht nur eine Option für die Zukunft, sondern ein notwendiger Baustein, um den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg langfristig zu sichern, so Baumann. Die Windenergie ist eine im Betrieb rohstoffunabhängige, langfristig stabile und wirtschaftlich verlässliche Energieerzeugung. Inzwischen ist der Strom im Norden der Republik durch die Überproduktion von Windstrom billiger als im Süden. Das veranlasst energieintensive Unternehmen schon zur Verlagerung ihrer Produktion. Deshalb brauchen wir günstigen erneuerbaren Strom auch in unserem Bundesland, sagte Baumann.

Das Klimaschutzgesetz schreibt vor, dass Baden-Württemberg bis 2040 Klimaneutral sein muss. In der Landesstudie „Sektorziele 2030 und klimaneutrales Baden-Württemberg 2040“ unter der leitung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung, wurden der Weg dahin aufgezeigt. Demnach braucht das Land bei der Windenergie eine instalierte Leistung von 12,1 GW im Jahr 2040. Unter der Berücksichtigung der steigenden Leistung sind dafür etwa 2.100 Windenergieanlagen erforderlich. Die Anzahl der Anlagen muss in der nächsten 18 Jahren also nahezu verdreifacht werden. Das wären 100 Anlagen im Jahr. Derzeit werden allerdings viel zu wenig neue Anlagen gebaut, so Baumann. Deshalb auch hat die Landesregierung sich vorgenommen, die Genehmigungszeiten von zurzeit sieben Jahren zu halbieren, die Genehmigungsverfahren zu digitalisieren und das Widerspruchsverfahren abzuschaffen.

Im Landkreis Göppingen gibt es 49 Anlagen mit insgesamt fast 100MW elektrischer Leistung. Einige Anlagen sind im Genehmigungsverfahren. Damit ist aber das Potential im Landkreis noch nicht ausgeschöpft.

Das Land fördert den Ausbau der Windenergie durch den Bau von Anlagen im Staatsforst. 500 Anlagen wären so möglich.

Zu diesen Forstflächen gehört auch der Schurwald, in dem zurzeit die Genehmigung für zwei Anlagen vorliegt. Dr. Matthias Pavel von der Planungs- und Betriebsfirma Uhl Windkraft aus Ellwangen erläuterte den Stand der Planungen. Seit 2015 werden die Windenergieanlagen geplant, jetzt liegt die Genehmigung vor und im Sommer 2024 sollen die Anlagen in Betrieb gehen. Die Anlagen erzeugen dann Strom für 2.500 Haushalte, so Pavel.

Die Anlagen sind heute hochmodern und selbststeuernd. Sie schalten sich automatisch aus, wenn sich Fledermäuse der Anlage nähern, oder wenn die Ablagerung von Eis an den Rotoren droht. Auch schalten sie sich ab, wenn Grenzwerte im Bezug auf Lautstärke und/oder Schattenwurf erreicht sind. Die Anlage verbrauchen nur sehr wenig Fläche für den Standort. Diese Flächen werden an anderfer Stell in der Nähe durch Neuaufforstungen ausgeglichen.

Vertreter der Bürgerinitiative brachten dagegen vor, dass ein wertvoller Natur- und Erholungswald zerstört wird. Außerdem geht es nicht nur um zwei Anlagen sondern um mögliche 80 neue Anlagen im gesamten Schurwald. Der Wald verkommt so zu einem Industriestandort. Außerdem glauben die Mitglieder der Bürgerinitiative nicht an die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Hier zerstören unwirtschaftliche Windenergieanlagen eine intakte Landschaft. Naturschutzorganisationen und alle beteligten Gemeinden sind gegen den Bau, außerdem wurden 1.500 Unterschriften gegen den Bau gesammelt. Der ehemalige Ortsvorstehen von Baiereck, Eberhard Hottenroth, fasste es so zusammen: „Besser wäre es gewesen, man hätte mit dem Geld Solaranlagen gebaut.“

Der mangelnden Wirtschaftlichkeit widerspach Dr. Pavel. Seine Firma betreibt bundesweit 30 Windenergieanlagen und die Berechnungen träfen im Durchschnitt zu 100% zu.  Ohne die über ein Jahr laufenden Windmessungen und dem daraus resultierenden Ertragsgutachten würden wir nie einen Bankkredit zum Bau einer Anlage erhalten. Bei den Gutachten sind auch alle Abschatungen schon eigerechnet, so auch 3-4% wegen der Fledermäuse oder 1% wegen Eisbildung.

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden nochmals die Unterschiede in den Auffassungen deutlich. Sprechen die einen von der Zerstörung einer FFH-Gebietes, ist für die Befürworter die Erholungsfuktion des Waldes nicht bereinträchtigt. Alle Eingriffe werden ausgeglichen, es werden keine Wanderwege beeinträchtigt oder zerstört. Bezweifeln die einen die Sinnhaftigkeit von Wind- und Sonnenstrom wegen der Unsicherheit bei Finsternis und Flaute (Dunkelflaute), wollen andere die Vernetzung der Stromversorgung ausbauen und Gaskraftwerke als Notfallvorsorge vorhalten. Befürchten die einen unwirtschaftliche Ruinen im Wald, versichern die anderen, dass Bürgschaften im Falle einer Insolvenz des Betreibers den Rückbau sichern.

Eine Frau warnte vor dem Supergau wenn eine Anlage zu brennen anfange. Dann müsse die Bevölkerung evakuiert werden, der ganze Schurwald würde brennen. Wer haftet dann für die Schäden, was wird aus unseren Kindern und Enkelkindern, wenn sie das Gebiet verlassen müssen. Windkraftanlagen kann man wegen der Höhe der Anlage nicht löschen. Man lässt die Anlage kontrolliert abbrennen, so Dr. Pavel. Eine Gefahr für den Wald bestehe nicht. Der eventuell auftretende Funkenflug kann von der Feuerwehr eingedämmt werden. Die Gefahr des Waldbrandes besteht aber auch ohne die Windkraftanlagen, die nur äußerst selten brennen. Außer den Betriebsstoffen (Öle) in der Gondel betseht eine Windkraftanlage zudem aus unbrennbaren oder schwer brennbaren Materialien.

Auf die Frage, ob man denn überhaupft noch mehr Windkraftanlagen brauche, antwortete Dr. Baumann: „Wir rauchen diese Leistung, wir brauchen noch mehr Lestung, denn der Stromverbrauch wird durch Heizen und Autofahren mit Strom weiter wachsen“.

Foto von links: Dr. Ande Baumann, Ayla Cataltepe, Dr. Matthias Pavel

Joachim Abel

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