Höchste Ehrung vom Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossen – Inge Auerbacher wird Ehrenbürgerin

Als siebenjähriges Mädchen 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert, überlebte Inge Auerbacher den Holocaust. Diese Erlebnisse führten sie zu der selbstgestellten Aufgabe, das Wissen um die NS-Verbrechen weiterzugeben und sich für Toleranz und Respekt zwischen den Religionen und Völkern bis zum heutigen Tag einzusetzen. Als einer der wenigen Überlebenden der ehemaligen Jüdischen Gemeinde Göppingen verlieh ihr der Göppinger Gemeinderat für diesen unermüdlichen Einsatz und ihr Wirken in und als Botschafterin der Hohenstaufenstadt die Ehrenbürgerrechte.

„Als Botschafterin für Versöhnung, Toleranz und Frieden halte ich Inge Auerbacher aus tiefster menschlicher Überzeugung für absolut würdig“, sah Oberbürgermeister Alex Maier die Ehrungskriterien der Stadt voll erfüllt. Sie habe ihre Verbindung nach Göppingen nie abreißen lassen. Würde Inge Auerbacher die „Bitte und Einladung, Göppinger Ehrenbürgerin zu werden, annehmen, wäre dies die größte Ehrung für alle Göppingerinnen und Göppinger“ befand Stadtrat Dietrich Burchard (Grüne) und sprach damit vielen aus den Herzen. Inhaltlich war die Frage unstrittig; einige Ratsmitglieder sahen allerdings eine Göppinger Ehrung mit dem Ehrenbürgerrecht kritisch, da sie seit langem nicht mehr in Göppingen wohne. Die große Mehrheit des Gemeinderates hingegen folgte dem Vorschlag von OB Maier und sprach sich für die Ehrenbürgerschaft für Inge Auerbacher aus. Sie ist, nach zehn Männern, die erste Frau, die diese Ehrung erhält.

Inge Auerbacher kam am 31. Dezember 1934 im badischen Kippenheim zur Welt. Die Familie kehrte 1939 zu den Großeltern nach Jebenhausen zurück, wo die Familie Lauchheimer seit 1777 lebte. Zuletzt wohnte die Familie zwangsweise in einem sogenannten Judenhaus in der Göppinger Metzgerstraße. Von dort wurde Inge Auerbacher im August 1942 als siebenjähriges Mädchen mit ihren Eltern in das KZ Theresienstadt deportiert. Inge Auerbacher hatte das Glück, das Lager zu überleben und gehört zu den nur noch wenigen Überlebenden der ehemaligen Jüdischen Gemeinde Göppingen. Heute lebt die 86-jährige Inge Auerbacher in New York.

In ihrem Lebenslauf spiegeln sich in besonderer Weise die selbst erlebte Verfolgung und geplante Vernichtung der Juden im Nationalsozialismus wider. Diese Erlebnisse führten Inge Auerbacher zu der selbstgestellten Aufgabe, das Wissen um die NS-Verbrechen weiterzugeben und sich für Toleranz und Respekt zwischen den Religionen und Völkern einzusetzen. Ein wichtiger Beitrag war hierfür ihr erstes Buch „I am a star“, das 1986 in den USA erschien und 1990 schließlich in deutscher Ausgabe als „Ich bin ein Stern“ Bekanntheit erlangte. Es wurde danach in weitere Sprachen übersetzt. Das in erster Linie für Jugendliche verfasste Buch fand große Resonanz und wird heute in der Gedenkstättenpädagogik und politischen Bildungsarbeit in Deutschland häufig eingesetzt. Danach schrieb sie weitere Bücher, die sich stets um das Thema des friedlichen Zusammenlebens von Menschen verschiedener Kulturen drehten. Neben der schriftstellerischen Tätigkeit stellte sich Inge Auerbacher die Aufgabe, als Überlebende des Holocaust vor allem die Jugend über die verbrecherische NS-Politik am Beispiel ihres Schicksals zu informieren. In Amerika und in Deutschland besuchte sie regelmäßig Schulen, so auch in den letzten Jahren mehrfach in Göppingen, um mit den jungen Menschen zu sprechen. Von ihren Besuchen in Göppingen sind besonders bemerkenswert:

– Ihre Teilnahme mit ihrer Mutter an der erstmaligen und einzigen Einladung ehemaliger jüdischer Bürger durch die Stadt im Jahr 1984.

– Ihre Gedenkrede am Synagogenplatz im Jahr 1988 zum 50. Jahrestag der Zerstörung der Synagoge. Von dieser Veranstaltung ging eine Initialzündung aus, denn seither findet jährlich eine Gedenkfeier statt. Außerdem entstand im Kontext dieses Besuchs der Film  „Alle Juden raus! – Nationalsozialismus in einer süddeutschen Kleinstadt“ (Göppingen). Dieser Film und ihr Buch „Ich bin ein Stern“ gehören heute zu den wichtigen pädagogischen Medien, die im Schulunterricht und in der Arbeit des Jüdischen Museums eingesetzt werden.

– Ihr Besuch bei der Stolperstein-Verlegung vor dem Haus Lauchheimer in Jebenhausen im Jahr 2007.

– Ihre Rede im August 2012 an der Gedenkstätte Nordbahnhof in Stuttgart, von wo sie mit ihren Eltern 70 Jahre zuvor in den Deportationszug nach Theresienstadt einsteigen musste.

– Ihr Besuch und Bericht zur Eröffnung der Anne-Frank-Ausstellung in der Stadtkirche im Oktober 2016.

– Vortrag der inzwischen 83-Jährigen im Oktober 2018 bei der Freien Waldorfschule Filstal in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Göppingen, gefördert aus dem Fond des Bundesprogramms „Demokratie Leben“.

Mit ihrem Wirken hat sich Inge Auerbacher einen Namen als Botschafterin der Versöhnung, Toleranz und Menschlichkeit gemacht. Für ihre Arbeit erhielt sie bereits mehrere Auszeichnungen: die Ellis Island Medal of Honour (1999), den Louis E. Yavner Citizen Award (1999), die Ehrendoktorwürde Doctor of Humane Letters honoris causa der Long Island University Brooklyn (2005). Ihr Geburtsort Kippenheim lobte den Inge-Auerbacher-Preis aus, der an Studenten und Institutionen vergeben wird, die sich für Toleranz und Menschenrechte einsetzen. Sie wurde mit dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg und dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland geehrt; außerdem erhielt sie 2013 die Ehrenplakette der Stadt Göppingen.

Das Ehrenbürgerrecht

Der Gemeinderat kann gemäß § 22 Gemeindeordnung Personen, die sich besonders verdient gemacht haben, das Ehrenbürgerrecht verleihen. Das Ehrenbürgerrecht ist eine reine Ehrenbezeichnung und weder mit besonderen Rechten noch mit besonderen Pflichten verbunden. Die Verleihung bedeutet eine außergewöhnliche Auszeichnung. Zuletzt wurde im Jahr 2016 Oberbürgermeister a.D. Hans Haller das Ehrenbürgerrecht verliehen.

 

PM Stadtverwaltung Göppingen

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