Neubaugebiet: Gemeinderat und Anlieger gegen Mehrfamilienhäuser
Themen: Eigentumswohnungen, Verkehr, Stellplätze
Wie schon berichtet, hat der Gemeinderat mit neun Ja-Stimmen und einer Enthaltung (drei Mitglieder fehlten entschuldigt) beschlossen, auf der Grundlage der Variante 1.1b (siehe Lageplan) – von ursprünglich sechs Planvarianten – die Planung für das Baugebiet „Bäumle“ voran zu treiben. Damit hat sich das Gremium gegen den Bau von zwei Achtfamilien-Häusern entlang der Ledergasse ausgesprochen. Hintergrund des Vorschlags der Planer Ernst Erich Kuhn und Gernot Kriegeskorte war die Zielvorgabe im Raum Bad Boll, bei künftigen Baugebieten eine Einwohnerdichte von 75 Einwohnern je Hektar zu erreichen. Mit zwei Mehrfamilienhäusern hätte man eine Bruttowohndichte von 84 Einwohnern pro Hektar erzielt. Die jetzt beschlossene Variante entspricht 64 Einwohnern pro Hektar.
Kritik und Anregungen aus der Bevölkerung
Über die Sommerpause hatte die Verwaltung von den unmittelbar gegenüber der Planungsfläche gelegenen Anwohnerinnen und Anwohnern Stellungnahmen eingeholt und dafür neun Nachbarn angeschrieben. Sechs Stellungnahmen gingen bei der Verwaltung ein, davon setzen sich vier Parteien kritisch bis ablehnend mit dem geplanten Gebiet auseinander. Befürchtet und kritisiert wurden die verkehrlichen Auswirkungen, der Eingriff in landwirtschaftliche und naturwirtschaftliche Flächen, eine mangelnde Schließung von Baulücken und die Auswirkungen auf die gemeindliche Infrastruktur wie Kindergartenplätze. Zwei Parteien befürworten die jetzt beschlossene Variante 1.1b. Alle befragten Anwohner hatten die größere Variante mit Mehrfamilienhäusern abgelehnt. Außerdem kamen, wie Bürgermeister Jochen Reutter berichtete, aus der Bürgerschaft mündlich und schriftlich weitere Stellungnahmen. Auch hier wurde die Bebauung mit Mehrfamilienhäusern überwiegend abgelehnt. Dazu kamen Vorschläge, die im Vorfeld auch schon im Gemeinderat angesprochen und diskutiert wurden, wie Bau von Tiny-Häusern, Ausweichstellen für den landwirtschaftlichen Begegnungsverkehr, Bau von Duplex-Häusern, eine höhere Stellplatzverpflichtung, die Auswirkung der Bebauung auf die Parkierung in benachbarten Straßen und die Oberflächenentwässerung. Zudem hatten sich zwei der unmittelbaren Angrenzer an die Bau- und Naturschutzbehörde im Landratsamt gewendet und Ihre Bedenken
gegen das Gebiet vorgebracht. Das Landratsamt hat die Anlieger auf das künftige Bebauungsplanverfahren verwiesen.
Gesetzgeber will dichtere Bebauung
In der Summe, so BM Jochen Reutter, zeichne sich eine Mehrheit für die Lösung ohne Mehrfamilienhäuser ab. Man habe nun ein ganzes Paket an Überlegungen, dem werde und könne man sich stellen. Man sei formal noch nicht bei einer vorgezogenen Bürgerbeteiligung, stellte Planer Erich Ernst Kuhn klar. Dennoch sei es von Vorteil, jetzt schon Stellungnahmen aus der Bürgerschaft eingeholt zu haben. Mit allen Anregungen und Themen, die eingegangen sind, habe sich sein Büro schon im Vorfeld auseinandergesetzt, es gebe keine neuen Aspekte.
Die Wohnungsdichte, Zahl der Wohneinheiten und Zahl der Bewohner sei letztlich eine kommunalpolitische Entscheidung, so Kuhn, aber das Baugesetzbuch setze den Rahmen. Wenn man im Außenbereich baue, müsse man die Flächen richtig nutzen, sage der Gesetzgeber. Das Baurecht gebe hierzu keine konkreten Zahlen, aber die Region als übergeordnete Planungsbehörde setze eine Dichte von mindestens 50-55 Einwohner je Hektar voraus. Die angrenzenden Bestandsgebiete in Hattenhofen haben eine deutlich geringere Wohnungsdichte. Bebauungsdichte und Grundstücksgröße aus früheren Wohngebieten können man leider nicht mehr eins zu eins umsetzen, so der Planer, das würde die Sache sonst vereinfachen. Und der Bundestrend, vor allem nach der Wahl, werde diesen Kurs verschärfen. Idealerweise mache man mit der Planung ein Wohnangebot für alle Schichten der Bevölkerung.
Nachverdichtung ist schwierig
Voraussetzung für das weitere Verfahren, verdeutlichte BM Jochen Reutter, sei zunächst eine Verständigung mit den Eigentümern. Bislang sind alle Flächen in privater Hand. Naturschutzrechtliche Fragen, wie man beispielsweise mit dem Verlust des Streuobstes und den Wiesenarten umgeht, müssten dann gutachtlich geklärt werden. Innerörtliche Baulücken zu verdichten, wie immer wieder angeregt werde, sei nicht einfach, erläuterte der Schultes. Auch wenn man in den letzten Jahren habe viel erschließen können, habe die Gemeinde nach wie vor auf die jetzigen privaten Baulücken keinen Zugriff. Und wo im Bestand nachverdichtet werde, gebe es auch verstärkt Nachbarbedenken. Reutter sprach sich dafür aus, die Variante 1.1b ohne Mehrfamilienhaus als Grundlage für die Eigentümergespräche und weitere Planung heranzuziehen.
Verständnis für Bedenken, aber nicht für Blockadehaltung
Grundsätzlich könne man Bedenken der Angrenzer, die bislang auf eine Wiese geschaut haben, nachvollziehen, so mehrere Sprecher. Aber das Baugebiet „Bäumle“ komme nicht überraschend, wie teilweise vorgeworfen wird, sondern sei seit Jahrzehnten im Flächennutzungsplan. Seit gut 30 Jahren, konkretisierte BM Jochen Reutter. Mit der jetzt vorgesehenen Bebauungsdichte von rund 65 Einwohnern je Hektar erziele man einen guten Kompromiss zwischen den 55 Einwohnern in Bestandsgebieten und den vom Nachhaltigkeitsbeirat Bad Boll vorgeschlagenen 75 Einwohnern je Hektar, so ein Gemeinderat. Die öffentliche Beteiligung und Hinweise aus der Bevölkerung begrüßten zwei Gemeinderäte, nachdem man sich im Gemeinderat zunächst in dieser Frage gerieben habe. Allerdings zeigte sich ein Sprecher enttäuscht von der pauschalen Aussage, man wolle dort kein Baugebiet. Das sei nicht fair, denn das Haus, indem die das Baugebiet ablehnenden Bürger leben, sei ja ebenfalls auf einer grünen Wiese gebaut worden. Es gehe nicht um einzelne Interessen im Gemeinderat und die Räte hätten persönlich nichts von dem Wohngebiet, es gehe um Hattenhofen. Der Sprecher bedauerte, dass sich die geplanten Mehrfamilienhäuser wohl nicht realisieren ließen. Es gebe in Hattenhofen einen eklatanten Mangel an Miet- und Eigentumswohnungen.
Eigentumswohnungen in kleineren Häusern?
Es sei strikt gegen diese „Bunker“ so ein anderer Sprecher, aber man könne doch in den zweieinhalbgeschossigen Gebäuden ebenfalls Eigentumswohnungen schaffen. Die Nachfrage sei ja da. Je nachdem, so BM Jochen Reutter, welche Flächen sich die Gemeinde sichern könne, müsse man dann über eine Vermarktung oder einen Verkauf an Investoren nachdenken. Der Gemeinderat habe sich, anders als Nachbarkommunen, seinerzeit bewusst gegen eine Randbebauung nach §13b Baugesetzbuch entschieden, so ein Gemeinderat. Es sei nachvollziehbar, dass jemand, der bislang in Ruhe gelebt habe, sich gegen neue Nachbarn wehre. Aber in Hattenhofen gebe es Gebiete mit wesentlich mehr Nachbarschaft und Verkehr. Außerdem könne die Umlegung immer noch scheitern, wenn einer der Eigentümer querschieße.
Sie könne nicht bestätigen, so eine Gemeinderätin, dass es in Hattenhofen eine hohe Nachfrage nach Mietwohnungen gebe. Bei einer eigenen Vermietung seien von 47 Anfragen nur eine aus Hattenhofen gekommen. Auch in den Neubauten Ledergasse 2 und 4 sowie Ledergasse 3 seien überwiegend Auswärtige eingezogen.
Stellplatzvorgabe nur beschränkt möglich
In Sachen Stellplätze erläuterte Planer Erich Ernst Kuhn, dass die Landesbauordnung nur einen Stellplatz je Wohnung fordere. Eine Erhöhung von 1,5 Plätzen je Wohnung, wie es seit Jahren in Hattenhofer Bebauungsplänen fixiert wird, sei nur ausnahmsweise möglich. Auch wenn es der Lebenswirklichkeit widerspreche, könne man zwei Stellplätze je Wohnung nicht festsetzen, sonst könne der Bebauungsplan gekippt werden. Wie bei drei Wohnungen im Gebäude fünf Stellplätze auf einem kleinen Grundstück realisiert werden, so der Planer auf Nachfrage aus dem Gemeinderat, sei Sache der Architekten.
Einigung mit Grundstückseigentümern nötig
Auf Grundlage der beschlossenen Variante werden Verwaltung und Planer nun mit den Eigentümern der Wiesengrundstücke die finalen Gespräche führen. Wenn dort Einigung erzielt wird, werden die Details erarbeitet. Der fortgeschriebene Entwurf wird dann Grundlage für einen Aufstellungsbeschluss zum förmlichen Bebauungsplanverfahren. Dort können sich die Bürger und Behörden in zwei Stufen einbringen. Parallel wird die Bodenordnung laufen.
PM Gemeindeverwaltung Hattenhofen