VVS: Corona-Krise: Erstmals seit 23 Jahren ein Rückgang der Fahrgastzahlen

Absturz der Fahrgastzahlen im Frühjahr, Erholung im Sommer, erneuter Rückgang im zweiten Lockdown – Rettungsschirm des Landes und treue Abokunden sichern den ÖPNV in 2020

Mehr als zwei Jahrzehnte lang hat der VVS immer neue Fahrgastrekorde vermelden können. Die Corona-Krise hat damit zunächst Schluss gemacht. Wie viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens haben der VVS und seine Verkehrsunternehmen schwierige Monate hinter sich. Im ersten Lockdown der Corona-Krise waren im April teilweise nur noch 20 Prozent der Fahrgäste im Vergleich zum Vorjahr öffentlich unterwegs. Danach erholten sich die Fahrgastzahlen von Juli bis September auf 70 Prozent und im Ballungsraum teilweise sogar auf 80 Prozent des Vorjahresniveaus. Bei den Verantwortlichen machte sich wieder etwas Optimismus breit. Der zweite Lockdown zum Jahresende sorgte dann aber erneut für einen Rückgang. Hervorzuheben ist, dass die Beschäftigten in den Verkehrsunternehmen in allen Phasen der Pandemie für einen zuverlässigen Betrieb sorgten und die Systemrelevanz des ÖPNV in dieser schweren Krise eindrucksvoll bestätigten.

Insgesamt wurden im Jahr 2020 rund 240 Millionen Fahrten im VVS durchgeführt, das sind etwa 39 Prozent weniger als im Vorjahr. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es in den Monaten vor Corona von Januar bis Mitte März noch starke Zuwächse bei den Verkehrsunternehmen im VVS gab.

Vor allem Rückgang im Gelegenheitsverkehr

Da während des Lockdowns im Frühjahr und Herbst weder Veranstaltungen wie Messen, Fußballspiele oder Weihnachtsmärkte stattfanden noch Restaurants, Geschäfte, Kultur- und Freizeiteinrichtungen geöffnet waren, verzeichnete der Gelegenheitsverkehr einen Rückgang um fast die Hälfte. Mit einem Minus von 45,8 Prozent ist das der stärkste Rückgang innerhalb der einzelnen Teilmärkte.

Abozahlen im Berufsverkehr bleiben relativ stabil

Die Fahrten im Berufsverkehr sind fast um ein Drittel gesunken (-30,5 Prozent). Dabei blieb die Zahl der Abonnenten erfreulicherweise recht stabil. Beim FirmenTicket betrug der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr insgesamt 8,1 Prozent. Bei den FirmenTickets, die vom Arbeitgeber bezuschusst werden, waren es sogar nur 2,6 Prozent. Beim Jedermann-Abo war ein Verlust von 9,8 Prozent zu verzeichnen. Aber auch viele treue Stammkunden, die ihr Abo oder JahresTicket behalten haben, sind wegen Homeoffice und Kurzarbeit und fehlender Fahrtanlässe in der Freizeit weniger gefahren.

Im Ausbildungsverkehr sinken die Fahrgastzahlen stark

Studierende sind durch Onlinevorlesungen an den Hochschulen im Sommer- und Wintersemester nur selten mit Bus und Bahn gefahren. Zudem ist die Zahl der Erstsemester und der ausländischen Studierenden zurückgegangen. Auch die Schülerinnen und Schüler waren wegen geschlossener Schulen und Distanzunterricht im Frühjahr weniger oft unterwegs.

Deshalb sind die Fahrgastzahlen im Ausbildungsverkehr insgesamt relativ stark zurückgegangen (-45,4 Prozent). Erfreulich ist dagegen, dass der Bestand des Scool- und Ausbildungs-Abos recht stabil blieb. Er ist im Laufe des Jahres nur leicht gesunken (- 4,2 Prozent beim Scool-Abo bzw. -5,8 Prozent beim Ausbildungs-Abo). Dazu beigetragen hat sicher auch die Hilfe des Landes: Wegen der Schulschließungen zu Beginn der Pandemie hat das Land Baden-Württemberg im Mai und Juni die Kosten für das Scool-Abo übernommen und so zum einen die Eltern von zwei Monatsraten entlastet, zum anderen den Verkehrsunternehmen Einnahmen und die zu diesem Zeitpunkt dringend notwendige Liquidität verschafft.

Negative Auswirkungen auf Verbundeinnahmen

Weniger Fahrten bedeuten in der Regel auch weniger Einnahmen. Insgesamt hat der VVS 2020 aus reinen Fahrgeldern rund 391 Millionen Euro eingenommen (ohne Erstattungsleistungen für die Schwerbehindertenfreifahrt). Unter Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen für die Tarifzonenreform entspricht dies einem Rückgang von rund 110 Millionen Euro bzw. 20,3 Prozent.

Rettungsschirm sichert Aufrechterhaltung des Betriebs in 2020

Der Rettungsschirm von Bund und Land, mit dem die Einnahmenausfälle der Verkehrsunternehmen zum großen Teil ausgeglichen wurden, hat die Aufrechterhaltung des Betriebs seit Ausbruch der Pandemie gesichert. „Unser Dank gilt aber auch den Aufgabenträgern, die die Verkehrsunternehmen bis zur ersten Abschlagszahlung im Herbst mit Liquiditätshilfen und Vorauszahlungen gestützt haben. Außerdem haben die vielen treuen Stammkunden dazu beigetragen, dass es finanziell nicht noch dramatischer aussieht“, sagte VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger bei der Jahres-Pressekonferenz.

Sein Geschäftsführerkollege Horst Stammler unterstrich dies mit konkreten Zahlen: „Im März hatten wir mit rund 230.000 Abonnenten und den 111.000 Scool-Abos noch einen absoluten Rekordwert. Seither sind die Zahlen zwar zurückgegangen. Am Ende des Jahres hatten wir immerhin noch 210.000 Abonnenten und 107.000 Scool-Abos.“ Nach der Tarifreform im April 2019 war die Zahl der Abonnenten bis zur Corona-Pandemie kontinuierlich angestiegen. „Dieser Aufwärtstrend ist jetzt leider erst einmal gestoppt“, so Stammler.

„Bund und Land erstatten für das Jahr 2020 95 Prozent der Corona-bedingten Einnahmenverluste bei den Verkehrsunternehmen abzüglich eingesparter Aufwendungen“, informierte Thomas Hachenberger. Inzwischen wurden vom Land Abschlagszahlungen in Höhe von 90 Prozent geleistet. Die endgültige Abrechnung erfolgt bis Ende September 2021.

Rettungsschirm wird auch 2021 benötigt

Wie geht es 2021 weiter? Durch den zweiten Lockdown mit erneuter Schließung von Schulen, Geschäften und kulturellen Einrichtungen sind die Fahrgastzahlen wiederum deutlich gesunken. Daher ist auch 2021 ein Rettungsschirm für den öffentlichen Nahverkehr erforderlich. Die Landesregierung hat zu Beginn des Jahres beschlossen, die nicht verbrauchten Mittel aus dem Jahr 2020 in Höhe von 65 Millionen Euro ins laufende Jahr zu übertragen. Außerdem wurden vergangene Woche von der Landesregierung weitere 50 Millionen Euro in Aussicht gestellt. „Wir begrüßen das sehr, allerdings ist damit zunächst nur rund die Hälfte der Einnahmeverluste für die nächsten Monate abgedeckt“, so Tomas Hachenberger. Die Zusage für die Übernahme weiterer Mittel durch den Bund steht noch aus, sie ist aber nach Ansicht der Länder, der kommunalen Spitzenverbände und der ÖPNV-Branche auch für 2021 dringend erforderlich.

„Pandemiebedingt werden 2021 wie im Vorjahr weniger Fahrgäste mit den Öffentlichen unterwegs sein. Aber auch in den Folgejahren ist damit zu rechnen, dass sich die Nachfrage nicht gleich auf das ursprüngliche Niveau einpegelt. Home-Office und Online-Handel werden langfristige Spuren hinterlassen und die Mobilität prägen. Daher befürchten wir, dass es noch mindestens bis 2023 dauert, bis wir die Zahlen vor Corona wieder erreichen“, vermutet Horst Stammler.

Aufgabenträger in der Region einig: Ausbau des ÖPNV geht weiter

Das Ziel des VVS ist es, möglichst viele Stammkunden während der Pandemie zu halten, im Laufe des Jahres ehemalige Kunden zurückzuholen und nach Abklingen der Pandemie auch wieder neue Fahrgäste für die Busse und Bahnen zu gewinnen. Denn: Die Pandemie geht hoffentlich irgendwann vorbei, der Klimawandel bleibt. „Deshalb steht die Verkehrswende mit dem Ziel einer wesentlichen Steigerung der Fahrgastzahlen bis 2030 nach wie vor auf der Tagesordnung. Erfreulich ist, dass sich alle Aufgabenträger im VVS einig sind, den Ausbau der Infrastruktur und die geplanten Ausweitungen im Leistungsangebot im geplanten Umfang durchzuführen“, sagte Horst Stammler. Bereits zum Fahrplanwechsel im Dezember wurden zahlreiche Angebotsverbesserungen vorgenommen, wie zum Beispiel den ganztägigen 15-Minuten-Takt auf der S-Bahn oder die Einrichtung einer neuen Schnellbuslinie X 4 zwischen Nürtingen und Degerloch. „Inmitten der Pandemie wird aktuell das größte Leistungsangebot in der Geschichte des VVS erbracht, so dass bei den allermeisten Fahrten mit etwas Rücksichtnahme auch genügend Abstand eingehalten werden kann“, sagte Thomas Hachenberger.

Treuebonus für Abonnenten

Bei den treuen Abonnenten wolle man sich bedanken, betonten die beiden Geschäftsführer. Im April sollen alle Stammkunden, die bis dahin im Abo geblieben sind, einen „Treuebonus“ erhalten. Auch die äußerst erfolgreiche Aktion in den Sommerferien, mit der alle VVS-Abonnenten den Nahverkehr in ganz Baden-Württemberg nutzen konnten, soll 2021 wiederholt werden. Das Land hat darüber hinaus angekündigt, aufgrund der aktuellen Schließung der Schulen im Frühjahr erneut eine Monatsrate für das Scool-Abo zu übernehmen.

Und für die Fahrgäste, für die sich aufgrund von Home-Office ein Abo nicht mehr rechnet, wird zum 1. April 2021 ein 10er-Tages-Ticket eingeführt. Mit dem neuen Angebot bietet der VVS einen Rabatt von über 20 Prozent gegenüber dem Kauf von einzelnen TagesTickets an. „Wir sehen das 10er-Tages-Ticket als einen Zwischenschritt zu einem flexiblen Abo an. Daran wollen wir im Laufe dieses Jahres arbeiten. Das Land hat dazu auch ein Förderprogramm aufgelegt“, informierte Horst Stammler. „Die Flatrate hat aber nach wie vor ihre Berechtigung und der Jahresabonnent bleibt auch in Zukunft unser absoluter Premiumkunde.“ (uli)

 

PM Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart GmbH (VVS)

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