Rettungsschirm des Landes und treue Abokunden stabilisieren den ÖPNV in 2020 – Verkehrsunternehmen vermelden bislang 81 Millionen Euro weniger Fahrgeldeinnahmen
Wie so viele Bereiche des öffentlichen Lebens haben auch der VVS und seine Verkehrsunternehmen schwierige Monate hinter sich. Zu den Hochzeiten der Corona-Krise waren im April bis zu 80 Prozent weniger Fahrgäste im Vergleich zum Vorjahr mit den Bussen und Bahnen unterwegs. Nach Ende des ersten Lockdowns konnten die Verantwortlichen im Sommer schon wieder etwas optimistischer in die Zukunft schauen – von Juli bis September haben sich die Fahrgastzahlen wieder erholt und haben 70 Prozent, im Ballungsraum sogar bis zu 80 Prozent des Vorjahresniveaus erreicht.
Insgesamt wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 rund 177 Millionen bezahlte Fahrten mit den Bussen und Bahnen im VVS durchgeführt, das sind etwa 37,5 Prozent weniger als in den ersten drei Quartalen des Vorjahres. Da während des Lockdowns weder Veranstaltungen stattfanden noch Restaurants und Geschäfte geöffnet waren, tendierte der Gelegenheitsverkehr wochenlang gegen null. Auch viele Zeitkarteninhaber waren seltener unterwegs, weil sie in Kurzarbeit waren oder im Homeoffice arbeiteten.
Dramatische Auswirkungen auf Verbundeinnahmen
Die Corona-Krise hatte auch Auswirkungen auf die Verbundeinnahmen. Insgesamt hat der VVS von Januar bis September 2020 aus Fahrgeldern rund 294 Millionen Euro eingenommen und damit etwa 81 Millionen Euro weniger als im Vorjahreszeitraum. Das entspricht einem Rückgang von rund 22 Prozent, wobei zu berücksichtigen ist, dass es von Januar bis Mitte März noch beachtliche Zuwächse gab.
„Dass es finanziell nicht noch dramatischer aussieht, haben wir unseren vielen treuen Stammkunden zu verdanken. Die allermeisten haben dem VVS bisher die Treue gehalten und ihr Abo nicht gekündigt. Andernfalls hätte es trotz öffentlicher Hilfen düster für die Zukunft des Nahverkehrs ausgesehen“, so VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger.
Während die Einnahmen im Gelegenheitsverkehr um mehr als 40 Prozent eingebrochen sind, fiel der Rückgang im Berufsverkehr mit elf Prozent bislang geringer aus.
„Im März hatten wir mit 230.000 Abonnenten ohne die Schülertickets einen absoluten Rekordwert. Seither sind die Zahlen leicht rückläufig. Wir liegen aktuell etwa acht Prozent unter dem Spitzenwert und vier Prozent unter dem Vorjahreswert“, berichtete VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Nach der Tarifreform im April 2019 war die Zahl der Abonnenten bis zur Corona-Pandemie sukzessive um über zehn Prozent gestiegen. Trotz Kurzarbeit und Home-Office nutzen immer noch über 90.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das beliebte FirmenTicket. Vor Corona lag der Spitzenwert bei 95.000 Tickets. Recht stabil sind auch die Abozahlen bei den Senioren – und auch die Schüler sind nach den Sommerferien ganz überwiegend in die Bahnen und Busse zurückgekehrt.
Teil-Lockdown im November: Keine Rückgänge wie im Frühjahr
Der zweite (Teil-)Lockdown im November hat den Aufwärtstrend zwar gebremst. „Konkrete Zahlen liegen uns zwar noch nicht vor. Aber klar ist: Die Rückgänge sind nicht mit der Entwicklung im März/April zu vergleichen“, sagt Horst Stammler. Die Schulen und Geschäfte sind offen. Viele Studien aus dem In- und Ausland haben inzwischen belegt, dass bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel keine erhöhte Infektionsgefahr besteht. Was fehlt, sind Fahrtanlässe im Freizeitverkehr, da Restaurants, Bars, Kinos und Theater geschlossen sind und aktuell keine Veranstaltungen und Weihnachtsmärkte stattfinden, die überwiegend mit dem öffentlichen Nahverkehr besucht werden.
Rettungsschirm für den Nahverkehr
Weil die Schulen im Frühjahr über längere Zeit geschlossen waren, hat das Land Baden-Württemberg im Mai und Juni die Kosten für das Scool-Abo übernommen und so die Eltern von zwei Monatsraten entlastet, aber auch kurzfristig die Liquidität der überwiegend mittelständischen Busunternehmen gesichert. „Im Herbst kamen die erlösenden Nachrichten, dass Bund und Land einen Rettungsschirm aufspannen und in Baden-Württemberg 95 Prozent der Corona-bedingten Einnahmenverluste bei den Verkehrsunternehmen erstatten. Diese bereits gewährten Abschlagszahlungen wurden vom VVS sofort an die Verkehrsunternehmen ausbezahlt, um die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen zu sichern“, sagte VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger. „Damit ist die Zukunft des ÖPNV in der Region zumindest für dieses Jahr gesichert, wofür dem Verkehrsministerium und seinen Mitarbeitern ein großer Dank für die hervorragende Unterstützung gebührt. Wir rechnen jedoch damit, dass auch 2021 pandemiebedingt nicht so viele Fahrgäste mit den Öffentlichen unterwegs sind und Fahrgeldeinnahmen in beträchtlichem Umfang fehlen werden. Neue Lösungen zur Finanzierung der umweltfreundlichen Mobilität müssen also her, wenn die Nachfrage im ÖPNV bis zum Jahr 2030 verdoppelt werden soll“, ergänzt Hachenberger.
Auch der VVS-Fahrgastbeirat macht sich für weitere Hilfen stark
Auch der VVS-Fahrgastbeirat hat sich erleichtert gezeigt, dass durch den Rettungsschirm der öffentlichen Hand der Nahverkehr in der Region zumindest vorerst gesichert ist. „Wir haben aber die Sorge, dass durch fehlende Fahrgäste in den kommenden Jahren wichtige finanzielle Mittel fehlen, um das attraktive Angebot im VVS aufrecht zu erhalten. Deshalb appellieren wir an Bund und Land, die Hilfen für den ÖPNV zu verlängern, bis sich die Fahrgastzahlen wieder erholt haben“, so der Vorsitzende des VVS-Fahrgastbeirats Dr. Wolfgang Staiger.
Ausbau des ÖPNV geht weiter
„Das A und O ist es nun, die bisherige Stammkunden zu halten, ehemalige Kunden zurückzuholen und neue Kunden für die Busse und Bahnen im VVS zu gewinnen. Denn: Die Pandemie geht hoffentlich irgendwann vorbei, der Klimawandel bleibt. Deshalb steht die Verkehrswende nach wie vor auf der Tagesordnung. Der Ausbau des ÖPNV geht weiter. Dazu haben sich alle Aufgabenträger im VVS committet. Schon zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember wird das Angebot weiter verbessert“, sagte Horst Stammler. Er verweist auf den ganztägigen 15-Minuten-Takt auf der S-Bahn, eine neue Expressbuslinie X4 zwischen Degerloch und Nürtingen und den Nachtbusverkehr in Stuttgart unter der Woche.
Bei den Abonnenten wollte man sich bedanken. In den Sommerferien gab es bereits eine erfolgreiche Aktion − den „bwAboSommer“. Auf Initiative des VVS und des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg konnten alle Dauerkunden sechs Wochen mit ihrem VVS-Ticket den Nahverkehr im gesamten Land nutzen. „Im Advent wartet eine zweite Aktion auf VVS-Stammkunden. An allen vier Adventswochenenden können sie im Geltungsbereich ihres Tickets eine weitere Person kostenlos mitnehmen“, so Stammler. Weitere Aktionen werden folgen. (uli)
PM VVS Stuttgart