Eine außergewöhnliche Bibel wird künftig im Kloster Lorch zu sehen sein. Es ist die 1729 erschienene zweibändige „Pfaff-Bibel“. Dr. Eberhard Zwink, Bibliotheksdirektor im Ruhestand und langjähriger Leiter einer der größten Bibelsammlung der Welt in der Württembergischen Landesbibliothek wird das eindrucksvolle Werk am 31. Oktober vorstellen und erläutern wie und warum diese umfassende Ausgabe entstand, die sowohl individueller Frömmigkeit dienen wie auch den Ansprüchen einer akademischen Beschäftigung entsprechen sollte.
Es war lange nicht alles vorbei als 1535 das Kloster Lorch durch den württembergischen Herzog Ulrich aufgelöst wurde. Damals durften einige Mönche im Lorcher Kloster bleiben. Ein paar Jahre wenigstens. Das Amt des Abtes aber blieb auf Dauer erhalten – bis 1817. Also auch nachdem sich das Herzogtum Württemberg der Reformation von Martin Luther angeschlossen hatte und der Herzog die Männerklöster im Territorium aufgelöst und in höhere Schulen umgewandelt gab es Klostervorsteher.
Titel und Amt waren durchaus begehrt. Denn dem Abt von Lorch standen Erträge aus dem Klosterbesitz zu. Das war zunächst eine Form, wie im armen Herzogtum wichtige Personen der Landes- und der nun evangelischen Kirchenverwaltung zu einer besseren Entlohnung kommen konnten. Im 18. Jahrhundert wurde es üblich, dass auch gut besoldete Theologen und Inhaber kirchlicher Spitzenämtern mit dem Abtstitel zusätzliche Einnahmen generieren konnten. Bekanntes Beispiel dafür ist Johann Albrecht Bengel (1687 – 1752). Der „Vater der württembergischen Frömmigkeit“ war nicht nur Lehrer im einstigen Kloster Denkendorf sondern zugleich Prälat von Herbrechtingen und Abt von Alpirsbach.
In Lorch wurde Christoph Matthäus Pfaff (1686 – 1760) im Jahr 1720 Abt. Da war er bereits ein führender Theologieprofessor an der Universität Tübingen und wurde wenig später deren Kanzler. Walter Jens nennt Pfaff in seiner „Geschichte der Universität Tübingen“ „einen der mächtigsten Männer in der Geschichte der Alma Mater Tubingensis“. Der Theologe Pfaff bemühte sich um eine Annäherung der verschiedenen theologischen Strömungen seiner Zeit. Als nützliches Mittel dazu sah er es an, eine Bibel zu veröffentlichen, die nicht nur den Text der Übersetzung von Martin Luther enthält, wie es die orthodoxen Theologen verlangten. Dem aufkommenden Pietismus entsprach Pfaff in seiner Bibel mit kurzen Zusammenfassungen nach jedem Kapitel des biblischen Textes. Dazuhin findet sich in der Pfaff-Bibel zu jedem Abschnitt auch ein Gebet. So soll das Gelesene auf die Frömmigkeit und Alltagspraxis bezogen werden und Moral aus Einsicht der Vernunft gefördert werden. Den Forderungen nach wissenschaftlicher Beschäftigung mit den Inhalten der Heiligen Schrift kommt Pfaff damit nach, dass zum eigentlichen Text der Bibel fast lexikalisch anmutende Beiträge zum historischen Verlauf; Listen von parallelen Bibelstellen, Worterklärungen und jüdischen Gebräuchen beigefügt. Eine ganze Reihe von meisterhaft ausgeführten Bildern veranschaulichen den Inhalt.
Pfaffs Bibel war die erste, die in Württemberg gedruckt werden konnte. Das liegt daran, dass Württemberg bis ins 19. Jahrhundert als wirtschaftlich armes Land galt. Druck und Verlag von großformatigen Vollbibeln (Altes und Neues Testament) war aus finanziellen Gründen im Herzogtum nicht möglich. Erst Mitte des 17. Jahrhunderts konnte Buchdruckerfamilie Cotta, zunächst in Tübingen und dann in Stuttgart den Druck und den Verlag einer inhaltlich und technisch qualitativ hochwertigen Buchkultur aufbauen. Bis dahin waren die Bibeln in der Übersetzung von Martin Luther in den reichen Reichsstädten gedruckt worden. 1729 erschien bei Cotta die erste Auflage der von Christoph Matthäus Pfaff verantworteten Bibel, ein Jahr später folgte bereits eine zweite Auflage.
Der Freundeskreis Kloster Lorch konnte im vergangenen Jahr ein Exemplar dieser bei Cotta gedruckten Bibel erwerben. Inzwischen wurde das beschädigte Exemplar bei einem Buch- und Papierrestaurator saniert. Dieses Exemplar wird im Refektorium des Klosters Lorch in Lorch öffentlich präsentiert am 31. Oktober 2016, 18 Uhr. Dabei erläutert Dr. Eberhard Zwink in einem Vortrag Entstehung und Bedeutung der Bibel. Josef Müller, Arzt in Lorch und das kammermusikalische Ensemble „Il canto figurato, Ulm“, spielen Musik aus der Entstehungszeit der Bibel. Vom 1. November an ist die Pfaff-Bibel dann in der Lorcher Klosterkirche ausgestellt.
Foto: Titelblatt der so genannten Pfaff-Bibel: Die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments, nach der Übersetzung und mit den vorreden und Randglossen D. Martin Luthers, mit neuen Vorreden, Summarien, weitläufigen Parallelen, Anmerkungen und geistlichen Anwendungen, auch Gebeten auf jedes Capitel: Wobei zugleich nötige Register und eine Harmonie des Neuen ‚Testamentsbeigefüget sind. Ausgefertigt unter der Aufsicht und Direktion Christoph Mattäi Pfaffen, der Heiligen Schrift Doktoren, Professorn, Canzlern und Probsten zu Tübingen und Abten des Closters Lorch.
Mit Censur des Hochfürstlich württembergischen Consistorii und Löbl. Theologischer Fakultät zu Tübinen und Allergnädigsten Privilegiis.
Tübingen verlegt und gedruckt von Johann Georg und Christian Gottfried Cotta im Jahr Christi 1729.
PM