Auch ein Besuch im Winter lohnt sich, denn mit Landschaftspflege werden wertvolle Lebensräume wie Hutewälder und Wacholderheiden wiederhergestellt!
Vor 25 Jahren hat das Regierungspräsidium Stuttgart den Heldenberg bei Donzdorf (Landkreis Göppingen) zum Naturschutzgebiet erklärt. Damals waren die meisten Wacholderheiden stark verbuscht, weil über Jahrzehnte kein Schaf mehr dort weidete. Seitdem hat sich viel getan.
„Heute ist der Heldenberg ein hervorragendes Beispiel dafür, wie mit der Unterschutzstellung die Landschaftspflege angekurbelt werden kann. Gemeinsam mit dem Forst und der Stadt Donzdorf konnten wir Maßnahmen zur Wiederherstellung lichter Wälder und von Wacholderheiden auf den Weg bringen“, freut sich Regierungspräsident Wolfgang Reimer. Das landschaftlich reizvolle Gebiet beherberge viele seltene Pflanzen und Tiere. „Ihre Lebensräume würden ohne regelmäßiges Mähen, Beweiden und Zurückdrängen von Gehölzen unwiederbringlich verlorengehen. Neben den Wacholderheiden seien insbesondere die sogenannten Hutewälder bemerkenswert“, so Reimer.
Hutewälder und Wacholderheiden sind wertvolle und für die Schwäbische Alb typische Lebensräume mit einer erstaunlichen biologischen Vielfalt. Sie entstanden durch jahrhundertelanges Wirken und Wirtschaften der Menschen. Der Rückgang der Schaf- und Ziegenhaltung gegen Ende des 19. Jahrhunderts und die zunehmende Stallhaltung hatten zur Folge, dass Wacholderheiden und Hutewälder verbuschten oder in reine Wirtschaftswälder mit dem vorrangigen Ziel der Holzerzeugung überführt wurden. Immer seltener findet sich eine Schäferei, die bereit ist, die meist steilen und mageren Lagen zu beweiden. Nur mit entsprechender Unterstützung und Förderung durch Naturschutzverwaltung und Kommune ist so eine Bewirtschaftung auskömmlich. Wo das Schafmaul ausfällt, muss die Landschaftspflege, müssen Motorsäge und Motorsense einspringen.
Wie das erfolgreich funktionieren kann, zeigt sich im Naturschutzgebiet Heldenberg.
In den letzten Jahren nahm die Naturschutzverwaltung die stark zugewachsenen Flächen im Norden des Naturschutzgebiets rund um den Bloßenberg und das Tanzbödele ins Visier. Gefördert mit Landesmitteln entstand ab 2010 am Hang der Großen Lehr südlich des Tanzbödeles ein Hutewald. Die mit Kiefern zugewachsene Fläche wurde aufgelichtet und wird seit 2011 durch einen örtlichen Schäfereibetrieb beweidet. Ergänzend führt die Stadt Donzdorf eine Weidenachpflege durch, bei der aufkommende Sträucher zurückgedrängt werden. Danke der Beweidung wird es licht am Waldboden. Der eng verzahnte Wechsel besonnter und beschatteter Bereiche bietet Lebensraum für eine Vielzahl häufig auch stark gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Offenland und Wald durchdringen sich hier. Sie sind deshalb auch zentrale Bestandteile eines funktionierenden Biotopverbunds. Das macht die Hutewälder so wertvoll. Gerade auch im Winter kann man die Strukturvielfalt eines Hutewalds gut studieren. Überhaupt lohnt sich dank der Wanderwege und des imposanten Ausblicks ein winterlicher Besuch im Naturschutzgebiet alle mal.
Der Heldenberg ist auch Bestandteil des Fauna-Flora-Habitat-Gebiets (FFH-Gebiet) „Albtrauf Donzdorf-Heubach“. Für dieses Gebiet hat das Regierungspräsidium einen Mangementplan erstellen lassen und auch schon erste Maßnahmen, die dort festgelegt oder empfohlen werden, umgesetzt. Wie beispielsweise am Bloßenberg, wo Forstarbeiter letzten Winter erste Hiebmaßnahmen für einen weiteren Hutewald durchführten. Dank fachlicher Begleitung durch das Regierungspräsidium, die Unterstützung des Landschaftserhaltungsverbandes Göppingen, der Forstverwaltung und der Stadt Donzdorf werden auch hier hoffentlich bald wieder Schafe und Ziegen weiden. Aber der Aufwand lohnt sicht.
Häufig stoßen die für diese Entwicklung notwendigen Baumfällungen in einem Naturschutzgebiet bei der Bevölkerung auf Unverständnis. Das Regierungspräsidium erläutert, dass Heiden und Hutewälder durch menschliche Nutzung entstanden sind. Viele Pflanzen- und Tierarten, die auf Licht und Wärme angewiesen sind, haben hier ihren Lebensraum. Sie würden ohne diese Auslichtungsmaßnahmen verdrängt und schlimmstenfalls aussterben. Aus dem Schutzzweck der Naturschutzgebiete, die Vielfalt an Lebensräumen zu erhalten, und aus dem Managementplan für das FFH-Gebiet ergebe sich die Pflicht zur Landschaftspflege. Dazu gehöre es auch Gehölze auszulichten und zu roden.
Das kommt auch einer seltenen Käferart zugute, die hier am Heldenberg an verschiedenen Stellen vorkommt: dem Deutschen Sandlaufkäfer. In den Roten Listen gilt er bundes- und landesweit als „vom Aussterben bedroht“. Die Sandlaufkäfer leben auf Heiden entlang naturbelassener, häufig begangener Wege. Sie benötigen sonnige Böden mit vegetationsarmen Stellen, um ihre Eier in kleine Erdlöcher abzulegen, in denen sich die Larven entwickeln. Bei der Landschaftspflege wird deswegen darauf geachtet, dass die vom Sandlaufkäfer besiedelten Wege und Wegränder offen und besonnt bleiben. Der Gehölzaufwuchs wird alle paar Jahre zurückgenommen oder auch einmal gründlich reduziert. Auch eine Beweidung mit Schafen und Ziegen ist für den Sandlaufkäfer nützlich, da durch die Hufe die Wegböschung oft „angerissen“ wird und neue offene Bodenstellen entstehen.
Das Regierungspräsidium möchte mit den Landschaftspflegemaßnahmen das Naturschutzgebiet Heldenberg aufwerten und so die beeindruckend große Artenvielfalt fördern: 329 verschiedene Pflanzenarten konnten bereits nachgewiesen werden, darunter 63 Arten der Roten Liste. Über ein Dutzend Orchideenarten sind hier heimisch, darunter Pyramiden-Hundswurz, Blasses Knabenkraut und Spinnen-Ragwurz. Der Bestand von mehreren hundert Exemplaren der Echten Sumpfwurz dürfte einer der größten der Schwäbischen Alb sein. Bemerkenswert ist auch der Kreuzenzian. Er dient der Raupe des in Baden-Württemberg stark gefährdeten Kreuzenzian-Ameisen-Bläulings als Futterpflanze. Die Raupen verbringen zehn Monate im Nest einer Ameisenart, wo sie von den Ameisen-Arbeiterinnen wie die eigene Brut gepflegt und gefüttert werden. Weitere seltene Schmetterlinge am Heldenberg sind Argus-Bläuling und Esparsetten-Widderchen. Auch landesweit seltene Heuschreckenarten sind im Naturschutzgebiet heimisch: 18 Arten wurden festgestellt, darunter Warzenbeißer und Feldgrille, die beide auf kurzrasige, sonnige Heideflächen und extensiv genutzte Mähwiesen angewiesen sind.
Foto (Ingo Depner/RP Stuttgart): Aufgelichtete Wacholderheide entlang eines Weges im Naturschutzgebiet Heldenberg
PM Regierungspräsidium Stuttgart