NABU: 2.600 Weißstorch-Paare in Baden-Württemberg mit mehr als 4.100 Jungvögeln

Große Sorge überschattet die positiven Zahlen: Im Überwinterungsgebiet Spanien sorgt Vogelgrippe für Massensterben unter Weißstörchen

Die Weißstörche im Südwesten sind weiter im Aufwind, wenn auch nur mäßig. Nach dem Katastrophenjahr 2024 geht der NABU von etwa 1,6 Jungen pro Elternpaar aus. Nach vorläufigen Zahlen der Landesweißstorchbeauftragten Judith Opitz haben dieses Jahr zwischen Rhein, Main und Bodensee rund 2.600 Storcheneltern rund 4.100 Jungstörche erfolgreich aufgezogen. Damit die Storchenpopulation nicht wieder abnimmt, müssen mindestens 1,3 Jungstörche pro Horst ausfliegen.

Die Wetterturbulenzen wirkten sich erneut deutlich aus: Während im nasskalten Frühling 2024 viele Jungstörche an Unterkühlung gestorben waren, sorgte dieses Jahr Trockenheit während der Brutzeit für Nahrungsmangel und Stress. „Es gab im ganzen Land viele sogenannte ‚Abwürfe‘ von Jungvögeln, weil die Eltern bei anhaltender Trockenheit nicht genug Futter finden konnten und ihre Jungen aus dem Nest bugsierten, um die Chancen für die Verbliebenen zu erhöhen. Trotz dieser Verluste fällt die Gesamtbetrachtung des Weißstorchjahrs für Baden-Württemberg insgesamt positiv aus“, bilanziert der NABU-Fachbeauftragte für Weißstörche, Stefan Eisenbarth.

Vogelgrippe tötet Hunderte von Weißstörchen im Großraum Madrid

„Allerdings ist dieser Bestandsanstieg in Baden-Württemberg kein Grund zur Entwarnung. Aktuelle Meldungen der letzten Woche aus dem Großraum Madrid berichten von einem Massensterben unter Weißstörchen sowie Enten, Möwen und Greifvögeln. Das zeigt, wie schnell und unerwartet ein von kritischen Stimmen mitunter als zu hoch bewerteter Storchenbestand durch Einflüsse wie Krankheitserreger wieder schrumpfen kann“, erläutert Eisenbarth. Am Fluss Rio Manzanares, an dem viele Störche aus Südwestdeutschland die Wintermonate verbringen, sterben Presseberichten zufolge in diesen Tagen zahlreiche ans Wasser gebundene Vögel. Über 500 Storchenkadaver wurden auf einem Flussabschnitt geborgen, mit vermutlich erheblicher Dunkelziffer. Offiziellen Angaben zufolge sei eine hochpathogene Variante der Vogelgrippe die Ursache, mit der sich die Tiere mutmaßlich in Spanien infizierten.

Wie stark sind die Baden-Württemberger Weißstörche betroffen?

Dazu Eisenbarth: „Noch ist es zu früh, um den Einfluss auf unsere Baden-Württemberger Population zu beurteilen. Da viele unserer Weißstörche den Winter in Zentralspanien verbringen, werden wir aber definitiv Auswirkungen spüren. Ich gehe davon aus, dass nächstes Jahr einige Horste unbesetzt bleiben.“ In Marokko findet jetzt schon der Rückzug der Weißstörche nach Deutschland statt und es ist unklar, ob und wie stark sich der Wappenvogel des NABU auf dem Rückflug über Spanien ebenfalls anstecken wird. Daher bleibt es weiterhin wichtig, im Brutgebiet geeignete Nistplätze und Nahrungsräume zu schaffen und sich für Arten- und Klimaschutz einzusetzen. „Nur stabile Populationen sind in der Lage, derartige Verluste zu kompensieren. Baden-Württemberg hat die höchste Storchendichte bundesweit mit 6,7 Horstpaaren je 100 Quadratkilometer. Darauf können wir stolz sein und haben gleichzeitig eine besondere Verantwortung“, weiß Stefan Eisenbarth.

Ehrenamtliches Betreuendennetz liefert Bestandszahlen und kümmert sich auch um Horstreinigungen

Judith Opitz erstellt die jährliche Storchenbilanz im Auftrag der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Bei ihr laufen alle Daten zusammen, die die rund hundert ehrenamtlichen Storchenbetreuer und -betreuerinnen in der Brutsaison gesammelt haben. „Dieses Betreuendennetz ist unverzichtbar für valide Daten und ich freue mich auch darüber, wie gut die Zusammenarbeit mit Feuerwehren, Netzbetreibern und Gemeinden häufig funktioniert, um jedes Jahr Horste von Müll zu befreien oder einfach das Gewicht zu reduzieren, damit einem erfolgreichen Brutjahr nichts im Weg steht“, so Opitz.

Der NABU-Weißstorchbeauftragte Eisenbarth ergänzt: „Je näher sich ein Storchenhorst an der Zivilisation befindet, umso mehr ist mit Mülleintrag zu rechnen. Im Rheinhafen in Karlsruhe haben wir bei einer Horstreinigung im Herbst knapp vier Kilogramm Zivilisationsmüll geborgen – darin können sich Jungstörche verheddern und verletzen. Wir fanden einen Turnschuh, Gummihandschuhe, Kunststoffschnüre, Plastikfolien, verschiedene Gummiteile und ein Stahlband.“ Da Storchenhorste mehrere hundert Kilogramm schwer werden können, müssen Horste auch abgetragen werden, um ein Dach oder einen Mast statisch zu entlasten.

Immer mehr Winterstörche sparen sich die Reise

Das NABU-Wappentier ist eigentlich ein Langstreckenzieher und überwintert in Afrika. Doch viele Vögel, die auf ihrer Reise das Mittelmeer westlich umfliegen, bleiben auf der Iberischen Halbinsel und sparen sich die anstrengende und gefährliche Weiterreise. Und immer mehr Störche bleiben ganzjährig in Baden-Württemberg. Damit sichern sie sich einen Horst als Familienstammsitz, so wie Storch Pius, der seit Jahren erfolgreich den Winter in Oberschwaben verbringt. Oder Störchin Trick, die im Kreis Böblingen bleibt. Weil unsere Winter heute in tiefen Lagen oft schneearm sind, steht den Störchen meist ausreichend Nahrung zur Verfügung, etwa Mäuse, Regenwürmer oder kleine Fische. „Sie sind nicht hilfsbedürftig und müssen nicht zugefüttert werden“, erläutert Judith Opitz. Falls doch ein Kälteeinbruch komme, reiche es oft, dass die Störche nach Spanien weiterfliegen und dort die offenen Deponien absammeln. „Diese Ansammlung von Weißstörchen am Futterplatz hat sich nun leider zu einem Hotspot der Übertragung mit dem Vogelgrippevirus entwickelt. Wir werden sehen, wie es weitergeht“, so Opitz.

Der NABU dokumentiert, welche Störche in Deutschland überwintern und ruft zum Melden von Winterstörchen auf. Beobachtungen können auf NABU | Naturgucker.de gemeldet werden.

Weitere Storchenbetreuende gesucht

Die nächste Schulung findet am 7. Februar 2026 in Offenburg statt. Hier geht’s zur Anmeldung: www.NABU-BW.de/storchenbetreuung

Weitere Informationen: www.NABU-BW.de/stoerche

Tipp für den Start ins Naturschutzjahr: Naturschutztage am Bodensee, 3.-6.1.2026, Anmeldung und Infos: www.naturschutztage.de

Foto von Christoph Kasulke

PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.

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