Im asiatischen Budosport steht nicht allein die körperliche Leistung im Vordergrund. Vielmehr ist es das „Do“ – der Weg, das Prinzip, die Lehre und die Geisteshaltung – das den Kern bildet. Diese Werte sind für viele nicht nur Trainingsinhalt, sondern Lebenshaltung. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Auch dort, wo Werte groß geschrieben werden, gibt es Schatten.
Seit über dreißig Jahren bin ich in verschiedenen Disziplinen aktiv. Ich habe stets einen offenen, ehrlichen Umgang gepflegt und gegenseitigen Respekt vorgelebt. Umso schwerer fällt es mir, gewisse Entwicklungen zu begreifen – insbesondere, wenn sie aus den obersten Führungsebenen kommen.
Am 30. Juni 2025 wurde öffentlich bekannt, dass bereits im März 2023 Strafanzeige gegen den damaligen Präsidenten eines Sportverbandes, dem ich angehöre, bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe wegen des Verdachts der Untreue erstattet wurde. Die Vorermittlungen sind abgeschlossen. Am 6. März 2025 wurde Anklage beim Amtsgericht Karlsruhe-Durlach erhoben. Laut Anklageschrift beläuft sich der entstandene Schaden auf mehrere zehntausend Euro.
Doch der eigentliche Schaden geht weit über das Finanzielle hinaus. Was hier ggf. verletzt wurde, ist das Fundament unserer Gemeinschaft: Vertrauen, Verantwortung und Integrität.
Als langjähriges Mitglied und aktiver Sportler sehe ich mich in der Pflicht, Stellung zu beziehen:
„Ich bin erschüttert. Nicht nur als Mensch, der seit Jahrzehnten für Werte wie Respekt, Ehrlichkeit und Verantwortung einsteht – sondern als Teil einer Gemeinschaft, die Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Orientierung geben will. Wenn das Vertrauen in Führungspersonen missbraucht wird, trifft es uns alle. Es trifft die Ehrenamtlichen, die mit Herzblut arbeiten. Es trifft die Eltern, die uns ihre Kinder anvertrauen. Und es trifft die Werte, die wir täglich leben und lehren.“
Jetzt braucht es nicht nur eine juristische Aufarbeitung, sondern auch moralische Klarheit. Verantwortung darf kein leeres Wort sein. Wer sie trägt, muss ihr gerecht werden. Und wer sie missbraucht, muss sich verantworten.
In diesem Zusammenhang fällt mir eine persönliche Entscheidung besonders schwer: Im Oktober 2019 wurde mir in Bad Saulgau vom nun angeklagten Präsidenten eine Ehrenurkunde sowie die Ehrennadel in Gold überreicht – im Rahmen einer öffentlichen Leistungswürdigung. Unter den aktuellen Umständen kann ich diese Ehrung nicht annehmen. Ich empfinde dabei ein tiefes Unbehagen. Die Ehrung betrachte ich als nicht erfolgt. Diese Mitteilung habe ich dem Landesverband bereits übermittelt.
Ich maße mir kein abschließendes Urteil über die Vorgänge an. Doch ich wünsche dem Angeklagten – sofern sich die Vorwürfe bestätigen – eine gerechte Strafe, mit der er leben kann. Und unserer Gemeinschaft wünsche ich die Kraft, aus dieser Erschütterung neue Klarheit zu gewinnen.
Alfred Brandner