„Freilichtmuseum“ in Baiereck: Harte Arbeit schweißt zusammen

Von der Idee im Jahr 2017 bis zur Fertigstellung des Schaukohlenmeilers hat es 8 Jahre gedauert. Das Vorhaben hat die Menschen im Nassachtal und in Uhingen noch enger zusammengebracht. Bei der feierlichen Übergabe wurde der Zusammenhalt spürbar.

Dieses Projekt zeigt nicht nur, mit welch harter Arbeit einst die Menschen im Nassachtal ihr Leben bestritten haben. Es hat auch die Dörfer im Tal und auf dem Berg – Diegelsberg, Nassach, Nassachmühle und Baiereck – näher zusammenrücken lassen: der Schaukohlenmeiler.

Im Jahr 2020 sei der einstige Ortsvorsteher Eberhard Hottenroth mit dem Modell eines hölzernen Pavillons und der Idee, darunter einen Schaukohlenmeiler zu errichten, auf ihn zugekommen, erinnerte Uhingens Bürgermeister Matthias Wittlinger in seiner Rede anlässlich der feierlichen Übergabe des Schaukohlenmeilers vor zahlreichen Menschen in Baiereck. Das neue Bauwerk sollte den einstigen aus Ziegelsteinen gemauerten Schaukohlenmeiler, der zum Teil schon in sich zusammengefallen war und von einem Bauzaun abgesichert werden musste, durch einen neuen zu ersetzen. In der Regel seien Modelle schöner wie das fertige Produkt, führte Matthias Wittlinger aus. „Aber hier ist es genau umgekehrt. Es steckt so viele Liebe im Schaukohlenmeiler“, sagte der Bürgermeister.

Besonders gefalle ihm, dass niemand hervorgehoben werde. Weder der Ortschaftsrat Nassachtal-Diegelsberg, der das Vorhaben tatkräftig unterstützt habe, noch der Gemeinderat, der die Finanzierung in Höhe von 40.000 Euro und den Bau des Pavillons durch den städtischen Bauhof beschlossen habe, noch ein einzelnes Dorf. „Die Wappen von allen Stadtteilen sind zu sehen, sogar von der Stadt Uhingen. Der Schaukohlenmeiler ist ein Symbol für die Gemeinschaft im Nassachtal“, führte Mattias Wittlinger weiter aus, „dass man zusammenwächst – und das im Jubiläumsjahr der Stadt Uhingen!“

Begeistert von der Vielzahl an Anwesenden, darunter die CDU-Landtagsabgeordnete Sarah Schweizer und die Bündnis90/Die Grünen-Landtagskandidatin Mariska Ott, zeigte sich Ortsvorsteher Vincent Krapf. „Ich bin begeistert vom Interesse der Bevölkerung und danke allen fleißigen Helfern, dass wir nun die mehr als 500-jährige Tradition der Köhlerei im Nassachtal entsprechend würdigen können.“  Für den jungen Mann aus Baiereck war der Aufbau und die Übergabe, bei der nicht an Getränken und Roter vom Grill gespart wurde, auch persönlich etwas ganz Besonderes: Er stammt selber aus einer Köhlerfamilie und führt die Tradition mit Vater Thomas und Bruder Maurice in der 12. Generation fort. „Schon als kleiner Bub hat mein Vater mir das Handwerk beigebracht und mich für die Familiengeschichte begeistert. Von klein auf durfte ich nachts zum Leuchten mit raus, als er nach den qualmenden Kohlemeilern geschaut hat – und hier im Schaukohlenmeiler hängt ein originaler Kohlesack aus dem Jahr 1908, den einst mein Urgroßvater benutzt hat“, sagte Vincent Krapf.

Früher war das Leben der Menschen im Nassachtal hart, es war eine der ärmsten Regionen in Baden-Württemberg. So wie sich die Köhlerei in die DNA der Menschen eingebrannt hat, so ist es auch mit der Hilfsbereitschaft: „Wir helfen uns über die Grenzen unserer Dörfer hinweg, vom Berg bis ins Tal – der Schaukohlenmeiler ist ein Sinnbild für diese Gemeinschaft und trägt die Handschrift von Menschen aus allen vier Dörfern“, sagte Vincent Krapf, der zugleich das Engagement des Bürgervereins Nassachtal-Diegelsberg um Dieter Hofele würdigte.  Auch seien die Köhlerfamilien Krapf und Hees von Anfang an in das Projekt eingebunden, machte der Ortsvorsteher deutlich. Er könne viel über die Geschichte und die Herstellung der Kohlenmeiler erzählen. Am besten aber sei, die Anwesenden sehen sich selbst in dem kleinen Freilichtmuseum um und lesen etwas über unsere Vergangenheit und das Handwerk der Holzkohle-Herstellung auf den Schautafeln ab. „Ich hoffe durch den Schaukohlenmeiler“, ergänzte er weiter, „dass das Nassachtal nun landesweit für die anpackende Hilfsbereitschaft, Naherholung, Idylle, Tradition der Köhlerei und eine einzigartige Gemeinschaft wahrgenommen wird – und nicht mehr für problematische Windräder.“

Eberhard Hottenroth, der das Vorhaben einst angestoßen und seinem Nachfolger Andreas Herfort in die Hände gegeben habe, sei froh über die Unterstützung durch den Uhinger Bürgermeister Matthias Wittlinger und den Gemeinderat. Zugleich berichtete er über eine Anekdote aus den Nachkriegsjahren. Eine Hochzeitsgesellschaft habe den alten Schaukohlenmeiler anzünden wollen, was nicht funktioniert habe und daraufhin mit Diesel nachgeholfen. „Das hat aber so gequalmt, dass man vor lauter Rauch im Tal niemanden mehr erkannt hat!“ Probleme mit dem Durchblick gab es seinen Schilderungen zufolge auch bei der Umsetzung des neuen Schaukohlenmeilers. Einerseits habe sich der Grund und Boden nicht komplett im Eigentum der Stadt befunden und „manche Ämter außerhalb Uhingens waren nicht bereit, den alten Schandfleck abzubauen, weil er denkmalgeschützt war“, sagte Eberhard Hottenroth. Erst durch „schwäbisches Zureden“ sei der Sinneswandel erfolgt. „Nun können Schulkinder und Kindergartenkinder ins Tal kommen und etwas lernen.“

Info: Tatkräftig am Schaukohlenmeiler haben in den vergangenen Monaten Dieter Hofele (Vorsitzender Bürgerverein Nassachtal/Diegelsberg), Vincent Krapf (Ortsvorsteher), Volker Krapf (stellvertretender Ortsvorsteher), Holger Bischoff (stellvertretender Ortsvorsteher), Jens Schwarz (Ortschaftsrat), Birgit Schwarz-Pohl (Ortschaftsräten), Andreas Herfort (Ortschaftsrat), Steffen Handschuh (Ortschaftsrat), Stefan Weber (Ortschaftsrat) und die Köhlerfamilien Hees und Krapf gearbeitet. Unterstützt wurden sie von vielen helfenden Händen aus Diegelsberg, Nassach, Nassachmühle und Baiereck.

Die erste urkundliche Erwähnung einer Köhlerei im Nassachtal ist aus dem Jahr 1583 datiert. Mit der Ansiedlung der Glasbläser-Familie Greiner im Jahr 1450 stieg der Bedarf an Holzkohle, es begann die 100-jährige Blütezeit des Tals durch die Einnahmen der wohlhabenden Glasbläser. Nach deren Abwanderung um 1600 und den Folgen des 30-jährigen Kriegs (1618 bis 1648) aber galt das Nassachtal zwischen 1650 und 1850 als eine der ärmsten Gegenden Württembergs. Immer weniger Menschen pflegten das Köhlerhandwerk, auch weil Holz knapp wurde. Erst mit der Industrialisierung erlebte die Köhlerei im Nassachtal einen ungeahnten Aufschwung. Eisengießereien in Ludwigsburg, Stuttgart, Göppingen und später die WMF in Geislingen hatten einen schier unstillbaren Hunger nach Holzkohle.

Foto (Stadt Uhingen): Nun ist das „Freilichtmuseum“ in Baiereck für die Öffentlichkeit zugänglich. Der Schaukohlenmeiler veranschaulicht die harte Arbeit und ist Symbol einer besonderen Gemeinschaft

PM Stadtverwaltung Uhingen

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/freizeit/195865/freilichtmuseum-in-baiereck-harte-arbeit-schweisst-zusammen/

Schreibe einen Kommentar