Abflug mit Verspätung: Kraniche ziehen über Baden-Württemberg – Vögel auf NABU-Naturgucker.de melden

Kraniche über Baden-Württemberg – das ist kein alltägliches Bild. Doch die ruffreudigen Zugvögel sind in den letzten Jahren vermehrt auf einer süddeutschen Querroute zu entdecken. Sie lassen sich aktuell besonders gut in der Landesmitte um Stuttgart, im Allgäu und am Bodensee beobachten, wie die Beobachtungsplattformen NABU-Naturgucker.de und Ornitho.de eindrücklich zeigen.

Von den beiden Hauptrouten des Kranichzugs streift eine den Norden von Baden-Württemberg: Diese Vögel kommen aus Nordosteuropa und Skandinavien und fliegen auf der mitteldeutschen Hauptroute in Richtung Südfrankreich und auf die Iberische Halbinsel. Die osteuropäischen Kraniche wiederum, etwa aus Estland, Polen oder Westrussland kommend, überfliegen seit einigen Jahren verstärkt auf einer neuen Route Franken und Baden-Württemberg. Ihre Leitlinie sind die Alpen und große Flüsse wie die Donau (siehe Karte). Am nördlichen Oberrhein kommen beide Routen zusammen, bevor die Zugvögel in Richtung Südwesteuropa abbiegen.

Naturerlebnis Vogelzug: Kopf hoch und Ohren auf!

Die Reisewelle der Kraniche ist jedes Jahr ein Naturereignis, das nicht nur Ornithologinnen und Ornithologen begeistert. Im Spätherbst machen sich hunderttausende Vögel auf den langen Weg in ihre Winterquartiere. Wer in den Genuss kommen will, muss nur nach oben schauen und auch nachts lauschen: „Die Großvögel ziehen mit Geschwindigkeiten von 50 bis 70 Stundenkilometern über uns hinweg. Sie fliegen in V-Formation. Ihre abendlichen Trompetenrufe sind an ruhigeren Orten gut zu hören und sorgen mitunter für ein Gänsehauterlebnis“, sagt NABU-Ornithologe Stefan Bosch. „Wer seine Sichtungen auf Naturgucker meldet, wird Teil einer wachsenden vogelbegeisterten Community“, wirbt Bosch fürs Mitmachen.

Spätstart für den Abflug

Der Startschuss für die Vögel fällt, sobald das Wetter umschlägt. Zwischen Mitte Oktober und Mitte November sind die meisten Kraniche über dem Südwesten zu sehen. Doch dieses Jahr verzögerte sich die Abreise: „Erst gab es Gegenwind aus südlicher Richtung, dann war es zu mild. Es fehlte der echte Kick, um die Vögel in Aufbruchstimmung zu versetzen“, so Bosch. Auch jetzt rasten noch zehntausende Vögel in Norddeutschland. Die Kraniche ziehen bevorzugt bei Hochdruckwetter, da sie dann kraftsparend vorankommen und östliche Winde nutzen können. Sie fliegen in Gruppen von etwa 100 bis 1.000 Tieren. Große Feuchtgebiete nutzen sie gern als Schlafplätze, Felder mit Ernteresten sorgen für die Zwischenmahlzeit auf ihrer Reise.

Jahrzehntelangen Schutzbemühungen ist es zu verdanken, dass sich die Bestände des Großvogels in Europa erholt haben und auch die Menschen im Südwesten die imposanten Zugvögel vermehrt beobachten können. „Anders als die Bestände vieler anderer Vogelarten hat sich die Kranichpopulation in den vergangenen Jahren gut entwickelt, weil ihre Lebensräume geschützt wurden“, sagt Vogelexperte Bosch. Dass wieder mehr Moore und Flussauen renaturiert werden, hilft dem Kranich.

Fakten zum Kranich:

  • Rund 8.000 Brutpaare leben in den Bruchwäldern, Feldsöllen und Auen vor allem im Nordosten Deutschlands. In der aktuellen Liste der Brutvögel Baden-Württembergs ist der Kranich nicht gelistet, hat aber früher vereinzelt hier gebrütet, etwa im Wurzacher Ried.
  • Rund 400.000 Kraniche wählen alljährlich eine südwestliche Zugroute, auf der sie Deutschland in schmaler Front überqueren.
  • Kraniche fliegen häufig in Keilformationen und legen oft Segelphasen ein. Die kräftigen und erfahrenen Tiere fliegen an der Spitze, gefolgt von Familien mit durchschnittlich zwei Jungtieren. Bei günstigen Flugbedingungen geht es nonstop bis nach Südeuropa.
  • Die Spannweite des Kranichs beträgt 180 bis 222 Zentimeter. Er hat lange Beine, die im Flug über die Schwanzfedern hinausragen. Kranichrufe erinnern an weit tragendes Trompeten mit „krru“ und „krarr“ im Wechsel.
  • Hauptüberwinterungsregion ist zurzeit mit etwa 130.000 Kranichen die Extremadura in Westspanien. Dort suchen die Vögel in den lichten mediterranen Eichenwäldern nach den Früchten der Stein- und Korkeichen.

 

Hintergrundinformationen:

Melden via Web-App: www.NABU-Naturgucker.de/kranichzug

Aktuelles unter www.NABU.de/tiere-und-pflanzen/voegel/artenschutz/kranich/kranichzug-aktuell.html.
Über die Erfolge des Kranichschutzes in Deutschland: www.NABU.de/kranich

 

PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.

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