Teuer und unnötig: foodwatch kritisiert Hype um Protein-Lebensmittel – Sportwissenschaftler Froböse: „ausgewogene Ernährung bietet Organismus alles, was er braucht“

Von Protein-Pudding bis Eiweiß-Brot: Lebensmittel, die als spezielle Protein-Produkte vermarktet werden, sind oft deutlich teurer als herkömmliche Vergleichsprodukte. Das zeigt ein Marktcheck von foodwatch. Dabei ist das zugesetzte Protein völlig unnötig, kritisierte die Verbraucherorganisation. Selbst Sportler:innen könnten ihren erhöhten Eiweißbedarf durch eine ausgewogene Ernährung decken. Besorgniserregend sei zudem, dass auch ungesunde und hochverarbeitete Produkte künstlich mit Eiweiß angereichert würden, so foodwatch. Mit den vermeintlichen Fitness-Produkten werde gesundheitsbewussten Verbraucher:innen das Geld aus der Tasche gezogen.

„Die Lebensmittelindustrie nutzt den Fitness-Trend aus und dreht Verbraucher:innen nutzlose und völlig überteuerte Proteinprodukte an“, sagte Laura Knauf von foodwatch. „Was bei Dr. Oetker, Ehrmann und Co. die Kassen klingeln lässt, ist aus Verbrauchersicht dreiste Abzocke. Ein bisschen zugesetztes Proteinpulver und Süßstoff statt Zucker macht aus einem Pudding noch lange kein gesundes Lebensmittel.“

Auch Prof. Dr. Ingo Froböse, Sportwissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln, sieht mit Eiweiß angereicherte Lebensmittel kritisch: „Der Proteinbedarf von Hobby- und Ausdauersportler:innen liegt bei rund 1 bis 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht, bei Kraftsportler:innen bei rund 2 Gramm. Ein breites Spektrum natürlicher Lebensmittel ganz ohne Zusatzstoffe ist die beste Wahl, um den körpereigenen Proteinbedarf zu decken! Um unsere Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern, spielt die Qualität unserer Lebensmittel eine große Rolle: je natürlicher desto besser! Hülsenfrüchte etwa weisen einen Proteingehalt von fast 30 Prozent auf und liefern außerdem wertvolle Kohlehydrate, die für die Stimulation des Muskelaufbaus essenziell sind. Mit einer ausgewogenen Ernährung bieten wir unserem Organismus alles, was er braucht – im Training wie im Alltag.“

Protein-Produkte bis zu dreimal teurer

Der foodwatch-Marktcheck zeigt: Viele Proteinlebensmittel sind deutlich teurer als Vergleichsprodukte. Das Seitenbacher Protein Müsli ist beispielsweise 86 Prozent teurer als das Fitness Müsli des gleichen Herstellers. Das Eiweiß-Brot von Mestemacher kostet 145 Prozent mehr als ein vergleichbares Brot. Und der Dr. Oetker High Protein Vanille Pudding kostet sogar 224 Prozent mehr, ist also dreimal so teuer wie ein herkömmlicher Dr. Oetker-Pudding.

Der Markt für Protein-Lebensmittel wächst: Das Marktforschungsunternehmen Nielsen IQ hat für das Magazin Spiegel ermittelt, dass Verbraucher:innen in Deutschland mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr für Proteinprodukte ausgeben – fast 50 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. Auch und gerade in den sozialen Medien werden die hochverarbeiteten Protein-Produkte beworben. Ehrmann beispielsweise vermarktet seinen „High Protein Pudding“ auf Instagram mit Bildern junger, durchtrainierter Menschen. Der Hersteller suggeriere damit, Pudding gehöre auf den Speiseplan von Sportler:innen, so foodwatch.

Damit ihre Produkte mit einem höheren Proteingehalt beworben werden können, setzen die Hersteller das Eiweiß meist künstlich zu. Bei Milchprodukten zum Beispiel in der Regel Molkeneiweiß – eigentlich ein Abfallprodukt, das bei der Käseherstellung anfällt und auch in Tierfutter verarbeitet wird. Den günstigen Rohstoff ließen sich die Hersteller von Protein-Produkten teuer bezahlen, kritisierte Laura Knauf von foodwatch: „Der Protein-Hype ist eine Gelddruckmaschine für Lebensmittelhersteller: Durch den Zusatz von billigem Eiweißpulver lässt sich der Pudding für den dreifachen Preis verkaufen.“

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Erwachsenen eine tägliche Proteinzufuhr von 0,8g pro kg Körpergewicht – diese Menge kann in der Regel problemlos über eine ausgewogene Ernährung erreicht werden, etwa mit Hülsenfrüchten, Nüssen, Fisch und auch Fleisch und Milchprodukten. Selbst Menschen, die mehrmals die Woche Sport treiben, können laut DGE ihren erhöhten Proteinbedarf decken, ohne auf mit Eiweiß angereichte Lebensmittel zurückzugreifen. Die Nationale Verzehrstudie II im Auftrag des Bundesernährungsministeriums hat in der Vergangenheit zudem gezeigt, dass Menschen in Deutschland eher zu viel Protein konsumieren.

Weiterführende Informationen: 

– foodwatch-Marktcheck, alle Produkte im Überblick: https://www.foodwatch.org/fileadmin/-DE/Themen/Werbeluegen/2023-11-08_Marktcheck_Protein-Produkte_final.pdf
– DGE zu Proteinen: https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/protein/
– DGE zu Proteinzufuhr im Sport:
„Im Ernährungsalltag der SportlerInnen gibt es keinen physiologischen Grund, warum die Proteinzufuhr durch Supplemente ergänzt werden müsste.“: https://www.dge.de/presse/meldungen/2020/positionspapier-zur-proteinzufuhr-im-sport
– Nationale Verzehrstudie zur Proteinversorgung in Deutschland:
„Sowohl bei Männern als auch bei Frauen liegt in allen Altersgruppen der Median der Proteinzufuhr über der empfohlenen Zufuhr.“ (S. 104):
https://www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Institute/EV/NVSII_Abschlussbericht_Teil_2.pdf
– Beispiel für Instagram-Werbung von Ehrmann „High Protein Pudding“: https://www.instagram.com/p/CyVa_hpNf4m/

PM foodwatch e.V.

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