Die Wanderfalken sind wieder da – und auch bereits vier Eier in einem Horst. Via Webcam lassen sich die Familiengründungen der wild lebenden Wanderfalken hoch über Fellbach und Heidelberg live und rund um die Uhr miterleben, ohne die Tiere zu stören. Noch bis Ende Mai sind die Wanderfalkenpaare mit dem Brüten und Aufziehen der Jungen beschäftigt. Obwohl die beiden Nistplätze auf dem Schwabenlandtower in Fellbach und im Turm der Heidelberger Heiliggeistkirche seit vielen Jahren besetzt sind, ist jedes Jahr spannend und anders.
Fellbach: Eingespieltes Elternpaar brütet am Schwabenlandtower
Im zweiten Jahr sind Alizeé und Alvar bereits ein eingespieltes Team: Routiniert kümmert sich das Fellbacher Falkenpaar abwechselnd und intensiv um eine gleichmäßige Rundum-Wärmezufuhr für die drei dunkel-rotbraunen Eier. Jetzt wartet die Falcommunity genannte Fangruppe um die Wanderfalkenbetreuenden des NABU Fellbach gespannt, ob weitere Eier folgen. Mit Ablage des dritten Vogeleies hat bereits die mehr als vierwöchige Brutzeit mit anschließender Pflege der Nestlinge begonnen. Falkeneltern besitzen zur Brutzeit einen stark durchbluteten Brutfleck auf der Bauchunterseite. Weil dort einzelne Flaumfedern fehlen, werden die Eier optimal gewärmt. Zwei Drittel der Brutzeit, vor allem nachts, übernimmt das Weibchen. Nach etwa einem Monat schlüpfen die Jungvögel und die Vogeleltern haben viel zu tun, um sie mit Nahrung zu versorgen. Zwischen Ende Juli und Anfang August löst sich der Familienverbund dann auf. In Fellbach brüten seit 2018 Wanderfalken auf dem Schwabenland-Tower. Das Hochhaus steht schon seit 2016 im Rohbau. Die Vögel nutzten die Gunst der Stunde, um sich aussichtsreich im Penthouse anzusiedeln. Mit einer künstlichen Nisthilfe in 107 Metern Höhe unterstützt der NABU Fellbach die Falken beim Brüten.
Heidelberg: Wann legt Lieselotte ihr erstes Ei?
Das Familienleben der Wanderfalkeneltern im Nistkasten auf dem Turm der Heiliggeistkirche lässt sich auf gleich drei Webcams ganzjährig live beobachten. Das Männchen Zephyr hat vor einigen Wochen eine neue Partnerin gefunden: Lieselotte. Jeden Moment kann sie mit der Eiablage beginnen. Bis zu vier könnten es werden. Wenn alles gut geht, werden die Küken des Jahrgangs 2023 Ende April beringt und, wie alle bisherigen 77 Heidelberger Jungfalken, aus dem Nistkasten im Kirchturm ausfliegen. Die erste Falken-Liaison fand dort 1999 statt: Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der Geschwister-Scholl-Schule hatten mit ihrem Rektor Hans-Martin Gäng einen Wanderfalken-Nistkasten im Kirchturm installiert. Bereits im Folgejahr brütete ein wild lebendes Falkenpaar darin und zog zwei Jungtiere auf. Seither wird der Nistkasten jedes Jahr von Wanderfalken genutzt. In einem Online-Tagebuch berichtet Gäng viel Wissenswertes und bringt Falkenfans aus aller Welt auf den aktuellen Stand.
Hintergrund:
Wanderfalkenheimat Baden-Württemberg
- Der Wanderfalke (Falco peregrinus) wurde 1971 vom NABU zum ersten „Vogel des Jahres“ gekürt, um auf den dramatischen Bestandsrückgang in Deutschland und darüber hinaus hinzuweisen. Pestizide wie DDT verursachten dünnschalige Eier, vergifteten die Vögel aber auch direkt. Hinzu kam die Entnahme von Jungvögeln und Eiern für den lukrativen Verkauf sowie Störungen der Lebensräume. Bis 1975 schrumpfte der deutsche Bestand auf etwa 50 Brutpaare, von denen 33 in Baden-Württemberg lebten.
- Das bundesweite DDT-Verbot ab 1972, der bessere gesetzliche Schutz der Art und umfangreiche Maßnahmen durch die Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz (AGW) schafften die Trendwende. Ausgehend von Baden-Württemberg als Rückzugsraum folgten ein starker Bestandsanstieg und die Rückbesiedlung weiter Bereiche Deutschlands und der Nachbarländer.
- Heute leben wieder zwischen 250 und 270 Paare des Wanderfalken im Südwesten und besetzen ein Revier. Der Wanderfalke und viele andere Greifvogelarten brauchen jedoch weiterhin Unterstützung, weil sich ihr natürlicher Lebensraum verändert, sie durch verschiedene Faktoren geschwächt sind oder verfolgt werden. Statistisch gesehen überlebt nicht einmal jeder zweite Jungfalke sein erstes Jahr. Mit einer Patenschaft für Eulen und Greifvögel beim NABU Baden-Württemberg kann man den streng geschützten Tieren unter die Flügel greifen.
- Auf dem Speiseplan des Wanderfalken stehen fast ausschließlich andere Vögel, die er in der Luft erbeutet. Im Sturzflug ist er dabei extrem schnell, manchmal so schnell wie ein ICE mit Tempo 300. Erkennbar ist der Wanderfalke an den langen, spitzen Flügeln und dem relativ kurzen Schwanz sowie schnellen, kraftvollen Flügelschlägen.
PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.