Zur Zeit laufen in den Medien massive Kampagnen interessierter Firmen und Wissenschaftler, um die Europäische Kommission in Brüssel zu einer De-Regulierung des bisherigen Gentechnik-Rechts zu drängen. Wie schon vor 30 Jahren bei der „alten Gentechnik“ werden Fach- und Publikumszeitschriften mit Heilsversprechen aller Art geflutet. Die „neue Gentechnik“ (CRISPR/Cas u.ä.) wird als Wunderwaffe gegen alle ökologischen Probleme unserer Zeit gepriesen, seien es Klimawandel, Dürrestress, Artenschwund, Pflanzenschutzmitteleinsatz oder Welternährung.
Auch im Apfelanbau mit seinem hohen Verbrauch an Pflanzenschutzmitteln wird das „Einbauen“ einzelner Resistenz-Gene per Gentechnik von einzelnen Forschern als Lösungsansatz proklamiert. Schon fordern Obstbauern in Südtirol die Freigabe solcher Techniken, weil sie sich eine Lösung ihrer massiven Pflanzenschutzprobleme erhoffen.
Um die Frage, ob diese Versprechen auch nur ansatzweise realistisch sind, geht es in dem Vortrag eines Apfel-Spezialisten, der sich seit vielen Jahren mit der Geschichte der Apfelsorten und der Apfelzüchtung befasst hat.
„Warum Gentechnik die Probleme der Landwirtschaft nicht lösen kann und warum wir statt dessen die Vielfalt brauchen“ – dargestellt an des Apfels (seiner Anbauprobleme und seiner Züchtungsgeschichte)
In dem Online-Vortrag wird untersucht, wie die großen Pflanzenschutz-Probleme im heutigen Apfelanbau entstanden sind, welche
Wege und Irrwege die
Züchtung eingeschlagen hat, welche Züchter ökologisch nachhaltige Erfolge hatten und warum die gegenwärtige Züchtung mit ihrer
Fixierung auf’s Genom und auf einzelne Resistenz-Gene genau diese Nachhaltigkeit schuldig bleibt.
Durch den geschichtlich erweiterten Blickwinkel auf die Sortenentwicklung beim Apfel von 1800 bis heute sowie auf 150 Jahre Apfelzüchtung und ihre Prioritäten werden die tieferen Ursachen der heutigen Anbauprobleme beim Apfel ebenso deutlich wie die falschen Narrative, mit denen interessierte Wissenschaftler heute die Notwendigkeit eines Gentechnik-Einsatzes begründen.
Schlussendlich soll es auch um die Frage gehen, wie eine ganzheitlich ökologisch ausgerichtete Züchtung aussehen sollte, warum biologische Vielfalt dabei eine Rolle spielt und warum sie in Sachen Klimawandel-Anpassung weit nachhaltigere Lösungen liefern kann.
– ohne Teilnehmerbegrenzung –
Veranstalter: Bündnis für eine agrogetechnikfreie Region Ulm und regionales Bündnis ür Artenvielfalt Ulm (BUND, NABU, Naturfreunde, Schwäb. Albverein, Bezirksimkerverein Ulm, Genfrei Ulm)
Unterstützer: Arbeitsgemeinsch. bäuerl. Landwirtschaft, Lokale Agenda Ulm 21, Ulmer Netz für eine andere Welt
Im Anschluss an den ca. 60minütigen Vortrag wird ausreichend Zeit für eine Diskussion sein.
Für alle, die am 2.3. nicht können: Ein weitgehend identischer Vortrag zu diesem Thema (vom 16. Februar) ist aufgezeichnet worden und kann nachgehört werden. Zugangs-Link und Passswort dazu ist ebenfalls zu finden auf der Startseite der Homepage
https://genfrei-ulm.de/. Die anschließende Diskussion ist dort allerdings nicht mit aufgezeichnet.
Persönlicher Hintergrund:
In der Pflanzung ‚Obst-Arboretum Olderdissen‘ in Bielefeld (BIOLAND) betreuen wir seit den 1990er Jahren ca. 400 Apfelsorten, von der ältesten deutschen Apfelsorte aus der Zeit des Mittelalters über die Sorten des 19. und 20. Jahrhunderts bis hin zu den neuesten Züchtungssorten – und das ohne intensiven Pflanzenschutz. Die Pflanzung ist Teil der ‚Deutschen Genbank Obst‘ sowie des privaten Netzwerks Obstsortenvielfalt im Pomologen-Verein e.V.
Die Tatsache, dass die historischen Sorten aus 8 Jahrhunderten in den Streuobstbeständen in Deutschland noch in großer Zahl erhalten geblieben sind, ermöglicht es (anders als bei Gemüse- oder Getreidesorten) heute noch, die Sortenentwicklung und Züchtungsgeschichte des Apfels noch minutiös nachzuzeichnen und zu dokumentieren, wie die Probleme des heutigen Apfelanbaus historisch entstanden sind.
Die Erkenntnisse über die Züchtungsgeschichte des Apfels hat der Vortragende 2011 in der Zeitschrift ‚Erwerbsobstbau‘ publiziert (‚Moderne Apfelzüchtung: Genetische Verarmung und Tendenzen zur Inzucht‘, DOI 10-1007/s10341-010-0113-4). Eine der Konsequenzen daraus war – gemeinsam mit anderen Bio-Obstbauern – die Gründung der ökologischen Züchtungsinitiative apfel:gut e.V.
P.S. Wer Interesse hat, kann sich auch in unseren Newsletter Obst-Arboretum Olderdissen eintragen. Darin versenden wir gelegentlich Infos rund ums Thema Alte Obstsorten sowie Veranstaltungshinweise u.ä. (zum Teil natürlich auch Infos, die nur regional für die Besucher unseres Obst-Arboretums und des Hofladens interessant sind). Zur Anmeldung reicht eine kurze Mail an alte-apfelsorten@web.de (dasselbe gilt auch, falls Sie sich wieder abmelden wollen).
PM Hans-Joachim Bannier / Simon Avenwedde, Obst-Arboretum Olderdissen