53. Weinsberger Obstbautag online

Das Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) lud gemeinsam mit der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) zum heutigen (14. Februar) 53. Weinsberger Obstbautag ein. Wie auch in den Vorjahren fand die Veranstaltung online statt.

Dr. Kurt Mezger, Leiter der Abteilung „Landwirtschaft, Ländlicher Raum, Veterinär- und Lebensmittelwesen“ des RPS begrüßte die etwa 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und blickte auf ein herausforderndes Obstbaujahr zurück: „Viel zu trocken und zu warm fiel das vergangene Jahr aus. Die ungewöhnlich warmen Frühjahrstemperaturen führten bei den meisten Obstarten zu einem deutlichen Vegetationsvorsprung verbunden mit früheren Ernteterminen. Im Gegensatz zum Vorjahr gab es im Frühjahr kaum Frostnächte und auch Hagelschäden waren ohne größere Relevanz. Dafür machten Trockenheit und Hitze den Obstanbauern zu schaffen.“

Peter Hauk MdL, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, übermittelte eine Videogrußbotschaft: „Der Obstbau steht nicht nur mit Blick auf den Klimawandel vor großen Veränderungen. Mir ist es ein Anliegen, den Obstbau und insbesondere die Vermarktungsstrukturen und Kooperationen weiter zu stärken. Hierzu trägt auch das betriebliche Risiko- und Krisenmanagement als Schlüssel für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Landwirtschaft bei. Baden-Württemberg hat zudem eine staatlich unterstützte Versicherungslösung auf den Weg gebracht, um das Risiko für die Obstbäuerinnen und Obstbauern abzufedern und sie wettbewerbsfähig zu halten“, sagte Peter Hauk MdL, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.

Auch Franz Josef Müller, Präsident des Landesverbands Erwerbsobstbau Baden-Württemberg e. V., wandte sich in einer Videobotschaft an die Teilnehmenden. „Unsere Erzeuger stehen vor großen Herausforderungen – Mindestlohn, Klimawandel, immer strengere Pflanzenschutzmittelbeschränkungen, Personalmangel, steigende Energiekosten, sinkende Erzeugerpreise und die zunehmende Konkurrenz aus dem Ausland. Wir blicken dennoch hoffnungsvoll in die Zukunft, da wir ausgezeichnete Betriebe mit viel Herzblut und Know-how für den baden-württembergischen Obstbau haben“, sagte Franz Josef Müller.

Themen und Vorträge des 53. Weinsberger Obstbautags

Der erste Referent, Robert Luer vom Zentrum für Betriebswirtschaft im Gartenbau e. V., analysierte die Produktionskostensteigerung im Obstbau: „Durch die massiven Kostensteigerungen in den vergangenen Monaten hat sich die Apfelproduktion um mehr als 20 Prozent verteuert. Aufgrund des Arbeitskräftemangels und der steigenden Lohnkosten müssen Obstbaubetriebe beständig nach Lösungen suchen, um die Arbeitsproduktivität zu erhöhen.“

Jürgen Nüssle von der Württembergischen Obstgenossenschaft Raiffeisen e. G. stellte seinen Vortrag unter den Titel „Obstmarkt 2022/23 – Chance oder Risiko?“. Dabei ging er auf die derzeit schwierigen Rahmenbedingungen ein. „In Zeiten von Überangebot an Äpfeln müssen wir uns von anderen Marktteilnehmern absetzen“, machte Nüssle deutlich.

Felix Büchele vom Kompetenzzentrum Obstbau Bavendorf (KOB) berichtete über die Problematik explodierender Strompreise für die Obstlagerung und vielversprechenden Ansätzen, den Energieverbrauch zu reduzieren. „Leider besitzen insbesondere kostenintensive bauliche Maßnahmen das größte Potential, die Langzeitlagerung energieeffizienter zu gestalten, doch auch schon mit einer gezielten angepassten Lagerführung können Lagerhalter einiges an Kosten einsparen“, so Felix Büchele. Langfristig solle das Ziel sein, durch die Verbindung erneuerbarer Energieträger und innovativer Energiespeicherverfahren, eine vollkommen klimaneutrale Langzeitlagerung zu ermöglichen und so die regionale Obstproduktion von Importware abzuheben.

Baden-Württemberg fördert derzeit insgesamt fünf Demonstrationsvorhaben im Bereich Agriphotovoltaik (Agri-PV), mit denen das Synergiepotential der hybriden Landnutzung ausgelotet werden soll. Projektleiter der Modellregion Agri-PV Baden-Württemberg, Oliver Hörnle, vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme führte in das Thema ein. „Agri-PV-Technologie ist interdisziplinär und so divers wie die Landwirtschaft selbst. Dies liegt auch an einem enormen technischen Installationspotential von 1.700 GWp. Das entspricht etwa 17 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche und wäre mehr als die aktuellen Zubauziele der Bundesregierung umfassen. Würde man den Photovoltaik-Zubaubedarf über Agri-PV decken, wären dazu vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche nötig“, erläuterte Hörnle.

Sina Bernhard vom Obsthof Bernhard in Kressbronn berichtete über die Agri-PV-Modellanlage über einer bestehenden Apfelanlage, die im Frühjahr 2022 durch Ministerpräsident Winfried Kretschmann eröffnet wurde: „Die ersten Erfahrungen mit der Agri-PV-Anlage sind durchgehend positiv, wird freuen uns auf genauere Forschungsergebnisse im nächsten Jahr.“

Burghard Hein von der Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg stellte das geplante Modellvorhaben am Standort Heuchlingen vor, wo eine Agriphotovoltaikanlage über Beerenobst errichtet wird. „Agri-PV in Verbindung mit einem geschlossenen Bewässerungskreislauf, in dem das Regenwasser und überschüssiges Drainwasser separat aufgefangen und wiederverwendet wird, stellt einen großen Versuchsbaustein im Projekt dar“, so Hein.

Auch das Thema Pflanzenschutz spielte beim Weinsberger Obstbautag wieder eine Rolle. Manuel Geiser vom RPS präsentierte die aktuellen Entwicklungen in der Pflanzenschutzmittelzulassung: „Die Neuerungen in der Zulassungssituation sind ernüchternd. Die Neuzulassungen können den Wegfall von Mitteln und Wirkstoffen nicht kompensieren. Die Situation am Insektizidmarkt wird immer angespannter. Wie eine zufriedenstellende Bekämpfung von vor allem tierischen Schaderregern nach 2024 aussehen soll, ist ungewiss.“ Aktuelle Themen wie zum Beispiel die Auswirkungen des Verordnungsentwurfs der EU zum „Nachhaltigen PSM Einsatz (SUR)“ und die Bearbeitung der REACH-Verordnung waren ebenso Thema wie die Neuausweisungen von regionalisierten Kleinstrukturanteilen.

Thorsten Espey von der Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg referierte zum Thema Zwetschensorten und -unterlagen. „Rund 40 Prozent der Anbaufläche von Zwetschen im gesamten Bundesgebiet liegen in Baden-Württemberg. Auch ein Großteil der heute angebauten Zwetschensorten wurde hier gezüchtet. Im Rahmen der Sortenprüfung an der LVWO Weinsberg werden neue Sorten auf ihre obstbauliche Leistungsfähigkeit geprüft und bewertet. Dabei stehen Eigenschaften wie Fruchtqualität, Ertragsleistung und die Anpassungsfähigkeit an aktuelle ökologische und ökonomische Rahmenbedingungen im Vordergrund“, so Espey.

Hintergrundinformationen:

Der Weinsberger Obstbautag wird bereits seit dem Jahr 1971 für Praktikerinnen und Praktiker aus dem Erwerbsobstbau durchgeführt und findet dieses Jahr zum 53. Mal statt. Die Organisation und Durchführung liegt in den Händen des Regierungspräsidiums Stuttgart und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO). Die LVWO ist eine Landesanstalt des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.

Die Vorträge der Referentinnen und Referenten werden auf der Internetseite des RPS online gestellt.

 

PM Regierungspräsidium Stuttgart

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