Harte Arbeit aber keine faire Entlohnung: Das ist der Boden der Tatsachen für die Mostobstlieferanten in Deutschland. Angemessene Abnahmepreise für Mostobst sind aber ein Knackpunkt für die Fortführung der Bewirtschaftung der wertvollen Streuobstwiesen. Anders als bei Milch oder Fleisch gab es beim Mostobst bisher keine systematische Erfassung der Preise, die Abnehmer ihren Erzeugern ausbezahlen. Doch der Verein Hochstamm Deutschland e.V. blickt auch in dieser Erntesaison gemeinsam mit Ihnen auf den Mostobstmarkt.
Seit August tragen Obstlieferanten ihre erfahrenen Abnahmepreise online ein. Nach der Ernte wird der Verein unter dem Arbeitstitel „Preisbarometer Streuobst“ eine Zusammenstellung der Abnahmepreise veröffentlichen. Eine erste Zwischenbilanz gibt es bereits jetzt.
Welche Trends zeichnen sich bisher ab?
Vorauszuschicken ist, dass die diesjährige Ernteschätzung des Verbands der Fruchtsaftindustrie (VdF) eine mittlere Ernte (500.000 Tonnen) für Streuobst bundesweit prognostizierte. Stand 12. September meldeten Obstlieferanten insgesamt fast 70 Abnahmepreise, die erste Einblicke zulassen: Für konventionelles Obst gingen Meldungen aus Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern ein. Der verbreitete Einstiegspreis in Baden -Württemberg liegt bei 8,50 € oder 10 €/dt. Dies ist zwar vergleichsweise hoch, jedoch weit entfernt von wirtschaftlicher Rentabilität. Vertreter aus Natur- und Streuobstschutz sehen mindestens 15 € bis 20 €/dt als fairen Auszahlungspreis an . Die niedrigsten Preise wurden im Raum Rastatt, Backnang und
Hohenlohe/Tauber mit 5 € bis 6 €/dt gemeldet. Weit über den gemeldeten Einstiegspreise liegen bislang Meldungen aus Bayern und Niedersachsen von 17,50 € bis 18 €/dt. Abnahmepreise für Bio-Obst wurden bisher nur aus Baden-Württemberg gemeldet.
Hier liegt der verbreitete Einstiegspreis bei gerade mal 13 €/dt, meist in der Region Stuttgart, was für Bio-Streuobst sehr niedrig ist. Höhere Bio-Preise gibt es am Bodensee: Hier wurden 15 € bis 20 €/dt gemeldet. Einige Streuobst-Initiativen zahlen 20 €/dt als untere Preisgrenze.
Was bedeutet das im Vergleich zu 2021?
Hochstamm Deutschland e.V. startete das Preisbarometer als Modellprojekt schon letztes Jahr: Auf Grundlage der damaligen Meldungen erhielten die Zulieferer über die gesamte Saison und bundesweit durchschnittlich folgenden Preise: 9,86 €/dt für konventionelles Obst bzw. 16,44 €/dt für Bio-Mostobst. Vor Ende September 2021 zahlten abnehmende Keltereien und Unternehmen niedrigere Preise als in der späteren Saison. Dies lässt auf eine positive Entwicklung auch in der Saison 2022 hoffen.
Aus der Zwischenbilanz diesen Jahres ist jedoch bereits erkennbar, dass die Entlohnung der Streuobstheld:innen nach wie vor skandalös gering ist. Die Zuweisung einer Schuld für diese geringe Wertschöpfung ist komplex, allein den Keltereien darf sie nicht zugeschoben werden. Denn diese ringen wiederum mit energie- und personalintensiven Verarbeitungsprozessen und dem Preisniveau für regionalen Apfelsaft in der Realität der globalen Preispolitik.
Welchen Preis erhalten Sie für Ihr Mostobst?
Alle Obstsammlerinnen und -sammler, Landwirtinnen und Landwirte werden dringlichst gebeten, weiterhin während der Saison regelmäßig einzutragen, welche Preise Sie für ihre Ernte ausbezahlt bekommen haben. Das Maß an Transparenz ist abhängig von der Anzahl der Meldungen: Nur mit möglichst Vielen gelingt der Durchblick im Preisdschungel der Bundesrepublik. Zur Webseite: https://www.hochstamm-deutschland.de/preisbarometer
Warum ein Preisbarometer Streuobst?
Darum: Kaum einer hat den Überblick, welcher Abnehmer wie viel für’s Mostobst zahlt. Ziel ist es, Transparenz für Streuobstbewirtschaftende und Abnehmende von Mostobst zu schaffen. Durchsichtige Preise sorgen dafür, dass jeder Markteilnehmer seine Möglichkeiten kennt und dementsprechend handelt. Obstlieferanten erhalten die Chance, ihre Mengen zu bündeln und an besser zahlende Abnehmer auch über weitere Strecken zu liefern. Wird dies vertraglich festgelegt, hilft dies sowohl den Abnehmern (Planungssicherheit) als auch den Lieferanten (höhere Preise). Abnehmer bekommen Wissen über Preise ihrer Mitbewerber und verspüren einen Anreiz, möglichst attraktiv für zahlreiche Erzeuger zu werden.
Hintergrundinformationen:
Verein Hochstamm Deutschland e.V.
Hochstamm Deutschland e.V. ist ein gemeinnütziger, bundesweit tätiger Verein mit Sitz in Baden-Württemberg, der sich für den Erhalt von Streuobstwiesen einsetzt. Hinter Hochstamm Deutschland stehen Streuobst-Initiativen, Kommunen, Verbände und Privatpersonen.
Ziel des Vereins ist es, Streuobstwiesenfreunde dabei zu unterstützen, den verbliebenen Bestand zu erhalten und Ideen für seine Weiterentwicklung zu geben – durch Vernetzung, Austausch und Beteiligung. Hochstamm Deutschland bietet dazu u.a. auf der vereinseigenen Homepage (www.hochstamm-deutschland.de) eine Plattform. Der Verein setzt sich auch dafür ein, dass die zeit- und arbeitsintensive Pflege einer Streuobstwiese nicht nur Herzensangelegenheit ist – mit Vermarktungswegen und -ideen, die eine wirtschaftliche Grundlage für den Anbau auf Hochstamm-Streuobst schaffen. Dazu gehört das aktuelle Gemeinschaftsmarketing-Projekt. Dort erarbeitet der Verein mit zahlreichen Bewirtschaften und weiteren Fachkundigen ein gemeinsames Siegel für „100 % Streuobstprodukte“.
Zudem schaffte es der Verein gemeinsam mit über 1,3 Millionen Unterstützerinnen und Unterstützern den Streuobstanbau in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes zu bringen. Damit rückt der Streuobstanbau vermehrt in den öffentlichen Fokus. Diese Aufmerksamkeit trägt zur Erhaltung der Streuobstkultur und des damit verbundenen Wissens bei. Im Nachgang diesen Erfolges wurde der internationale „Tag der Streuobstwiese“ durch verschiedene Initiatoren ins Leben gerufen. Er findet jährlich am letzten Freitag im April statt.
Immaterielles Kulturerbe
Immaterielle Kulturerbe sind kulturelle Ausdrucksformen, die unmittelbar von menschlichem Wissen getragen und von Generation zu Generation weitergegeben und weiterentwickelt werden. Immaterielles Kulturerbe ist nicht anfassbar, sondern an den Menschen gebunden und wird durch das Engagement seiner Träger lebendig gehalten.
Streuobstlandschaften als Äcker, Wiesen oder Alleen mit hochstämmigen, großkronigen Obstbäumen sind aus einer landwirtschaftlich-kulturellen Entwicklung entstanden und damit direkt an menschliches Wissen gebunden. Die Anlage, Bewirtschaftung und Pflege von Streuobstwiesen, das Züchten von Obstsorten und die Ernte sowie Verarbeitung des Obstes beruhen auf umfangreichem Erfahrungswissen im Umgang mit der Natur. Neben kulturellen Ausdrucksformen wie Erntefesten und -ritualen wurden über Jahrhunderte hinweg spezielle Handwerkstechniken z.B. zur Pflege von Streuobstbäumen entwickelt und verfeinert. Die kulturellen Eigenschaften von Streuobst stimmen mit den UNESCO -Kriterien in folgenden Punkten überein: Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum, traditionelle Handwerkstechniken, Bräuche, Rituale und Feste.
Die Idee Streuobst auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes zu bringen, entstand bereits vor vier Jahren beim Landesweiten Streuobsttag Baden-Württemberg 2015. Die Initiatoren haben diese Idee seitdem im Rahmen der Streuobsttage z.B. über einen eigenen Newsletter weitergetragen und diskutiert. Hochstamm Deutschland e.V. ist teilweise aus der Vernetzung der Streuobsttage entstanden und hat im Jahr 2019 die Initiative ergriffen, die Antragstellung als bundesweites Kooperationsprojekt zu organisieren. 2021 wurde dem Antrag, dem sich über 1,3 Millionen UnterstützerInnen angeschlossen hatten, stattgegeben und der Streuobstanbau in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenomm en. Hochstamm
Deutschland e.V. bittet bei Veröffentlichungen um einen korrekten Sprachgebrauch: Hinweis zum Sprachgebrauch. Zu beachten gilt insbesondere, dass in Verbindung mit dem Immateriellen Kulturerbe immer vom „Streuobstanbau“ zu sprechen ist – nicht von Streuobst, Streuobstwiesen etc. Aktuell ist ausschließlich Hochstamm Deutschland e.V. autorisiert das Logo „Immaterielles Kulturerbe“ für nichtkommerzielle Zwecke zu verwenden.
Unterstützt wurde der Verein bei seiner bundesweiten Kulturerbe-Kampagne mit einer Förderung aus dem Bundesprogramm Ländliche Entwicklung (BULE).
PM Hochstamm Deutschland e.V.