Seit einigen Jahren ist vermehrt der Trend zu beobachten, Hühnerküken in Kitas, Schulen und anderen sozialen Einrichtungen ausbrüten zu lassen. Die Projekte sollen den Menschen Tiere näher bringen und Sozialkompetenzen fördern. Doch was aus weiter Ferne und mit zwei zugedrückten Augen als pädagogisch wertvoll eingestuft wird, sieht bei näherer Betrachtung ganz anders aus. Wie sieht es aus mit den gewünschten Förderzielen und was bewirken diese Projekte wirklich?
Zunächst muss kritisiert werden, dass diese Brutprojekte in der Regel in sogenannter Kunstbrut stattfinden. Dies bedeutet, dass ein Automat versucht, die Brutbedingungen unter einer Mutterhenne nachzuahmen. Und dieser Automat macht das so gut wie Automaten eben Mütter ersetzen können: Die Umgebungstemperatur, Feuchtigkeit und Rotation der Eier sorgen dafür, dass sich innerhalb von 21 Tagen meist lebensfähige Küken ausbilden.
Was allerdings fehlen sind die intensive Kommunikation zwischen Mutterhenne und Ei während des Brütens, der wichtige Input für das spätere Immunsystem des Kükens und schlichtweg die Mutterliebe. Was vielleicht pathetisch klingen mag, wird schnell real, wenn man den achtsamen Umgang einer Henne mit ihrem Gelege beobachten darf.
Die Menschen der sozialen Einrichtungen beobachten also in einem gläsernen Automaten die mutterlose Brut. Bereits einige Tage vor dem Schlupf können die Küken Laute äußern und piepsen nach ihrer Mutter. Aus der Bindungstheorie ist bekannt, dass genau so eine gesunde Bindung entsteht. Sehr früh äußert das Kind seine Bedürfnisse und die Mutter reagiert zeitnah und adäquat. Die Kunstbrutküken rufen jedoch vergeblich, es gibt keine Mutter die mit beruhigenden Glucklauten angemessen antworten kann. Von Menschen, die die Hühnersprache nie lernen durften, werden diese Rufe dann oftmals als niedliches Piepsen eingeordnet.
Dabei wird jedoch des Weiteren die Problematik der Tierzucht im Allgemeinen und insbesondere die Frage des Verbleibs der Hähne außer Acht gelassen.
Allein in Deutschland werden jährlich bis zu 50 Millionen Hennen aus der Eierproduktion getötet. Nur ein winziger Bruchteil dieser Tiere findet ein artgerechtes Zuhause bei fürsorglichen Menschen.
Es wäre paradox, durch die Brutprojekte die Mensch-Tier-Beziehung zu stärken und Sozialkompetenzen aufzubauen und anschließend eben diese so wichtigen Sozialpartner zu töten.
Sie wissen nicht, wohin mit den in den Projekten entstandenen Tieren, insbesondere Hähnen. Sie sind überfordert, haben sie doch diese Tiere im Nahkontakt kennengelernt und sich auf eine Beziehung eingelassen.
- Wenn sie es ist, verbieten sich solche Brutprojekte mit den eben geschilderten Konsequenzen.
- Wenn sie es nicht ist, erübrigen sich diese Projekte ebenfalls, da kein positiver Effekt erwartet werden kann.
Es ist traurig, dass solche Brutprojekte oft aus dem Wunsch entstehen, Mensch und Tier näher zusammen zu bringen.
Am Ende stehen oft Hähne in Not und offene Fragen, die ganz fest verdrängt werden. Dabei ist der Kontakt zwischen Mensch und Huhn auch ehrlich, nachhaltig und wirklich achtsam möglich.