Gerne gebe ich es zu: Vor Operationen habe ich Respekt. Deshalb habe ich meine Augen-OP immer wieder hinausgeschoben. Im Sommer gab es keine Ausrede mehr. Die OP sollte in Ulm stattfinden. Schon beim Vortermin bin ich auf dem Rückweg ins Ulmer Münster. Da habe ich zwei Engel entdeckt.
Der mächtige Engelfürst Michael, der mit gezücktem Schwert und Schutzschild den ganzen Kirchenraum überblickt. Er schaut entschlossen, und die Drachenschlange zu seinen Füßen hat keine Chance gegen seine Übermacht. Weit über den Köpfen der Besucher ist er unnahbar. Ganz anders der andere Engel. Ein Mosaik im Seitengang. Ein Engel grüßt da in bunten Farben, im Blumengewand, umgeben von leuchtenden Sternen, in seiner Hand ein Palmzweig. Er begegnet mir als Kirchenbesucher auf Augenhöhe. Einige haben schon vor mir Kerzen des Gebets vor dem Engelmosaik angezündet. Zu Füßen des freundlichen Engels drei große bunte Worte: Fürchte dich nicht! Ja, das tut mir jetzt gut. Wie sind sie nun die Engel, unnahbar, entschlossen das Böse zu bekämpfen oder tröstlich nahe, denen die gerade durchs Leben stolpern. Im Krankenhaus habe ich beides erlebt. Der Arzt meinte bei der ersten Untersuchung: „Lassen sie uns da mutig drauf zu gehen.“ Und so war es dann auch: entschlossen und erfolgreich wurde operiert. Nach der OP habe ich die Krankenhauskapelle aufgesucht. Da gibt es eine Messingschale mit einer Kerze in der Mitte und die Besucher können aus einer Reihe von Gegenständen einen aussuchen und in die Mitte zur Kerze legen. Mein Blick fällt auf einen kleinen schräg ausgesägten und geleimten, unscheinbaren Holzengel. Der spricht mich an. Den leg ich dankbar neben die Kerze. Die Tage in der Klinik waren für mich Tage der Besinnung. Da haben sich viele gute Gedanken eingeschlichen und mir ist so manches aufgegangen. Waren da Engel zu Gange nicht mir Schwert und Messer, sondern mit einem Friedenspalmzweig, die manches in der Tiefe heilsam, friedensstiftend berühren? Für die Bibel sind Engel Gottes Boten: nahe tröstlich, lebensspendend und kämpferisch, dem Bösen in der Welt Einhalt gebietend. Wie gut. Grund genug, morgen Michaelis zu feiern.
Pfarrer Markus Herb, Rechberghausen