Haben Sie auch einen Urlaubsanker? In der Schale auf unserem Esstisch liegen ein paar Muscheln und wenn mein Blick sie streift, steigen für einen kurzen Moment Bilder auf. Ich sehe dann wieder den weiten Strand vor mir, spüre fast sogar den leichten Wind auf der Haut und die warmen Sonnenstrahlen und bin für ein paar Augenblicke wieder auf der Insel. Das tut so gut!
Inzwischen hat uns ja der Alltag wieder fest im Griff und damit gehorchen wir einem ganz anderen Takt. So vieles muss erledigt werden und die Zeit rennt uns manchmal regelrecht davon. Aber das tut sie nicht, die Zeit bleibt immer in ihrem Takt. Wir sind es, die sie mit aller Gewalt anhalten oder verlängern wollen, weil wir unter Zeitdruck stehen. Doch wieder ist es nicht die Zeit, die uns drückt, oft sind es Erwartungen von außen und nicht selten auch unsere eigenen Ansprüche, die uns antreiben. Deshalb sehnen sich viele Menschen nach einer Auszeit, in der die Zeit keine große Rolle spielt, nur der gelebte Moment und die Bedürfnisse von Körper, Geist und Seele. Und das nicht erst wieder im nächsten Urlaub. Deshalb kann ein Urlaubsanker ein Anfang sein, im Alltag kurz aus eben diesem herauszutreten. Oder wir suchen uns ein Ritual am Tag, in der Woche zum Durchatmen und Auftanken, egal, was gerade um mich herum auch los ist. Jesus hat sich in solchen Situationen bewusst an einen anderen Ort zurückgezogen, z.B. auf einen Berg. Auch er konnte und wollte nicht endlos helfen und heilen, sondern stärkte in der Ruhe seine Verbindung zu Gott. Und ließ dafür manches andere stehen und liegen.
Morgen feiern wir in vielen katholischen Gottesdiensten den Caritas-Sonntag und möchten in diesem Jahr besonders Familien in den Blick nehmen mit all den Anforderungen, die ein Alltag mit Kindern so mit sich bringt. Auch Eltern brauchen manchmal eine Auszeit, um gesund zu bleiben oder wieder zu werden, das wollen wir unterstützen. Mir hilft in angespannten Zeiten das Bild der Brunnenschale, die sich erst ganz füllen muss, bis sie überfließen und etwas von ihrer Fülle weitergeben kann. Vor langer Zeit hat Bernhard von Clairvaux den damaligen Papst Gregor genau daran erinnert in seinem Text „Schale der Liebe“: Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist…..Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut?
Was genau füllt denn Ihre Schale heute?
Sabine Stövhase
Caritas-Zentrum Göppingen