Sonntagsgedanken: Martinstag

Für unsere Kirchengemeinde ist der Martinstag jedes Jahr ein großes Ge­schenk: Während wir uns das Jahr über schon Mal was ganz besonderes einfal­len lassen müssen, um möglichst viele Leute in die Kirche zu locken, ist dieser Tag stets ein Selbstläufer. Scharen von Eltern strömen zusammen mit ihren Kindern in die Kirche, darun­ter nicht nur bekennende Christen.

Die Botschaft des Tages ist denkbar einfach und faszinierend zugleich: Der rö­mische Offizier Mar­tin, hoch zu Ross, teilt seinen Mantel mit einem frierenden Bettler am Wegesrand. Sein Schwert bekommt dadurch eine ganz neue Bedeu­tung. Während es vorher grausam dazu benutzt wurde, die Welt in Herren und Sklaven zu teilen, werden solche zwischenmenschli­chen Grenzen nun durch genau dasselbe Schwert aufgehoben.

Eine gerechtere Welt – ist das nicht der Menschheitstraum schlechthin? Hinzu kommt die Sehnsucht nach Licht und Wärme, die jeder Mensch in sich spürt, besonders in der kalten und dunklen Jahreszeit.

Nach dem Martinsspiel in der Kirche geht es hinaus in die Dunkelheit. Dutzende Laternen verdrängen die Finsternis und erleuchten den Weg. Andächtig sin­gend bewegt sich die Masse bei Kerzenschein durch die Stadt; die Stimmung ist aus­gesprochen fried­lich. Dunkelheit und Käl­te werden gemeinsam überwunden und je­der Teilneh­mer darf spüren: Wir gehö­ren zusammen, so unterschiedl­ich wir auch sein mö­gen. Mancherorts macht die Lichterprozession Halt an den Se­niorenheimen, um zu be­kunden: Ihr seid nicht vergessen! Zum Schluss sorgt ein war­mes Getränk für allgemeines Wohlbefinden.

Das Erfolgsgeheimnis von St. Martin besteht aus der Schlichtheit von Ritualen und Symbolen, die für Jung und Alt leicht nachvollziehbar sind: Licht besiegt die Dunkelheit und Barmherzig­keit die Kälte des Egoismus.

 

Diakon Eckhard Schöffel

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