Jetzt erleben wir sie wieder, die Begeisterung für die „schönste Nebensache der Welt“. Seit dem 14. Juni stehen die Fußballmannschaften von 32 Nationen im Wettstreit um den Titel des Fußballweltmeisters. Fernsehen und Radio berichten in vielen Stunden über die Wettkämpfe.
Jung und Alt nehmen mehr oder weniger gespannt Anteil am Verlauf des Turniers. Nur wenige können sich dem Sog des Wettkampfes, der Spannung und Berichterstattung ganz entziehen. In kaum einer anderen Zeit begegnen sich so viele Menschen unterschiedlicher Nationen in einer so kurzen Zeitspanne. Man fiebert gemeinsam mit, es wird gejubelt, miteinander gefeiert und manchmal auch geweint in aller Öffentlichkeit. Manchmal geht es hoch her, doch alle kennen die Regeln und spielen mit. Die Entscheidung des Schiedsrichters mit der Möglichkeit des Videobeweises hat die höchste Autorität. Egal welche Hautfarbe, Nation und Religionszugehörigkeit, die, die mitspielen kennen die Regeln, akzeptieren diese und sind bemüht die Regeln einzuhalten. Selbst bei einem Regelverstoß wird die Sanktion akzeptiert und oft sogar eingefordert. Trotz Diskussionen, Empörung oder Widerspruch, das Spiel folgt weiter diesen Regeln.
Und wie sieht es im Spiel des Lebens aus? Wir leben in immer differenzierteren Gesellschaften, in großen globalen Zusammenhängen, sind konfrontiert mit unterschiedlichsten Lebensentwürfen und nehmen Anteil an Entwicklungen und Geschehnissen der unterschiedlichsten Länder und Nationen. Wie kann da ein „Zusammenspiel“ gelingen? Nach welchen Regeln leben wir auf unserem Planet Erde zusammen? Das sind doch die Fragen, die uns in Politik und Gesellschaft, in der Weltgemeinschaft aber auch in unseren Kommunen und Familien umtreibt. Eine einfache Antwort wird es darauf nicht geben, aber vielleicht eine Orientierung. Eine Regel, die wir alle kennen. Vielleicht ist sie nur etwas in Vergessenheit geraten, weil Sie nicht „modern“ ist. Und doch kennen wir sie alle, die „goldene Regel“: „Was du nicht willst, was man dir tut, das füg auch keinem andern zu.“
Schon 700 v. Chr. schien dies den Menschen eine gute Orientierung für das Zusammenleben zu sein. So heißt eine altorientalische Weisheit „Was immer du willst, dass dir es die Menschen tun, das tue du allen.“ Im Judentum heißt dies „Und alles, was du dir nicht angetan haben willst, sollst du niemand anderem antun“. Auch der Islam kennt diese Regel „Keiner von euch ist gläubig, solange er nicht für seinen Bruder wünscht, was er für sich selbst wünscht.“. Dies klingt doch nach einem guten gemeinsamen Fundament. Mit diesem Blick, müsste wohl so manche politische Entscheidung überdacht werden, sollten wir die eine oder andere Auseinandersetzung im Kleinen und Großen beenden, hätten die am Rande endlich wieder eine Chance, könnte es uns doch allen bessergehen.
Die Mannschaften bei der Fußballweltmeisterschaft werden bis zum Finale am 15. Juli nach den bekannten Regeln weiterspielen. Am Ende der Fußballweltmeisterschaft wird es einen Sieger geben, wenn es uns gelingt, unser Zusammenleben in der Familie, unserem Dorf oder unserer Stadt, unseren Vereinen und Kirchengemeinden, in unserem Land und zwischen den Nationen im Geiste der „goldenen Regel“ zu gestalten, werden wir alle gewinnen.
Simone Jäger, Dekanatsreferentin „Kirche am Ort“ – Dekanat Göppingen-Geislingen