Am Sonntag beginnt die 13. Geislinger Vesperkirche mit dem Eröffnungsgottesdienst in der Pauluskirche. Die Vesperkirche bietet mehr als eine warme Mahlzeit. Sie findet in einer warmen, freundlichen Atmosphäre statt, in der man sich an den Tischen bedienen lassen darf. Sie lädt ein, andere Menschen kennen zu lernen und an ihrem Leben Anteil zu nehmen. Sie ermöglicht Gespräche über das Wetter und über ernste Lebensfragen. Sie gibt sogar Raum, über Fehlentscheidungen und Niederlagen zu sprechen, ohne deshalb belächelt oder verachtet zu werden. Hier muss niemand den Supermann oder die starke Frau spielen.
Hier sind jede und jeder willkommen, unabhängig von dem, was sie verdienen, was sie im Leben erreichten oder sich leisteten, welche soziale, religiöse oder kulturelle Herkunft sie haben.
Die Vesperkirche lebt von der Liebe Gottes. Von Gott geliebt erkennen wir, dass jede und jeder Gottes Geschöpf ist, so wie wir auch. Gott schätzt uns als seine Geschöpfe und Ebenbilder wert. Das macht unsere Identität und Würde aus. Davon will die Vesperkirche sich im Miteinander leiten lassen. Gottes Liebe ist immer ein Geschenk und nie an Vorbedingungen geknüpft, die wir zu erfüllen hätten. Diese Wertschätzung möchte die Vesperkirche weiter geben und allen Besuchern zeigen, dass sie sie als wertvoll erachtet. Menschen sind nicht besser, nur weil sie mehr besitzen oder verdienen, schöner wohnen, geschickt und klug sind. Menschen sind besser, wenn sie sich um ihre Mitmenschen kümmern, wenn sie sich und anderen ihre eigenen Grenzen und Unfähigkeiten eingestehen und so ehrlicher vor sich und anderen werden können. Niederlagen sind Teil des Lebens. Sie zu akzeptieren und daraus zu lernen, lässt uns menschlich reicher werden. Indem die Vesperkirche Raum für alle Menschen bietet, will sie allen, die als Besucher oder Mitarbeiter kommen, die Chance geben, Gottes Liebe anzunehmen. Die Vesperkirche lebt aus Gottes Gelassenheit. Sie besteht darin, die Dinge anzunehmen, die wir nicht ändern können. Sie umfasst den Mut, die Dinge zu ändern, die wir ändern können. Zu ihr gehört schließlich die Weisheit, das eine vom anderen unterscheiden zu können.
Karl-Heinz Drescher-Pfeiffer
Geislingen