Die linke Wange hinhalten, wenn mich jemand auf die rechte geschlagen hat. Jemanden zwei Meilen zu begleiten, wenn er mich zur ersten schon gezwungen hat. Jemanden noch den Mantel geben, den ich so nötig brauche, wenn er mir vorher schon mein Hemd abgenommen hat, beten für die, die mich verfolgen und den Feind auf einmal Freund nennen?
Unter uns, mal ganz ehrlich. Wer so redet, wer so etwas von einem anderen fordert, steht der ganz in der Welt? Weiß er wovon er redet? Soll ich mich dem anderen willenlos ausliefern, mich zum Gespött oder zum Hampelmann machen, mich sogar in Gefahr bringen? Viel verlangt wenn ich mich buchstabengetreu entsprechend der Bergpredigt verhalten soll. Mahatma Gandhi und Martin Luther King haben beispielhaft vorgelebt wie man die Spirale der Gewalt unterbricht. Hindu und Christ haben die Botschaft der Bergpredigt in bewundernswerter Weise vorgelebt. Wann haben wir das letzte Mal Gewaltakte in irgendeiner Form versucht zu rechtfertigen mit dem Satz oder dem Gedanken: „Weil der andere…”? Dadurch wird die Lebenspraxis allerdings nicht einfacher. Gesetze und Spielregeln für das Leben der Welt kann man nicht einfach aufheben oder überspringen. Auch Jesus wollte das nicht. Wie zu seiner Zeit werden wir täglich mit Situationen konfrontiert, in denen wir einfühlsam entscheiden müssen zwischen dem Wohl eines Menschen und Regeln und Gesetzen, die angewendet werden sollen, und unseren eigenen Bedürfnissen. Schauen wir doch gar nicht so weit in den Umkreis, sondern lieber in den Spiegel. Jesus geht noch einen Schritt weiter, weil es ihm in Gottes Namen nicht reicht, dass man das Unrecht nicht vergrößert, sondern jeder soll aktiv etwas dafür tun, dass Unrecht nicht geschieht und dass Gewaltspiralen durchbrochen werden. Was ist schon dabei den Freund zu lieben, sondern ebenso den Feind und gerade ihm ein Angebot machen, das die Feindschaft beendet. Das fängt klein an. Jemanden grüßen, das heißt jemanden beachten, den ich eigentlich nicht mag, der mir eventuell schon einmal geschadet hat. Und ich selbst? Neben den großen Friedensstiftern der Menschheit komme ich mir sehr klein vor. Ich glaube daher, mir bleibt nichts, als immer neu meine Spielräume auszuloten. Wann ist mein Herz weit und frei zu schenken, zu vergeben, zu lieben gegen jede Vernunft? Manchmal komme ich doch an meine Grenzen und muss mir eingestehen, dass ich hinter meinem Anspruch weit zurückbleibe. Geht es Ihnen auch so?
Diakon i. R. Uwe Bähr, Bruder Klaus Jebenhausen