Das Evangelium, welches morgen in den katholischen Gottesdiensten gelesen wird, ist von einer Radikalität, die heute wohl nur in den seltensten Fällen in die Praxis umgesetzt wird. Sie äußert sich vor allem im Verzicht auf Besitz.
Die Entscheidung für das Reich Gottes einzutreten und dabei auf die traditionellen Familienverpflichtungen zu verzichten, wird in unserer Zeit eher zu Gunsten der Familie ausfallen. Die Frage was in meinem Leben wichtig ist wird von Jesus angesprochen und was sonst zu meinem Leben gehört. Das geht bis dahin, dass ich tatsächlich nicht brauche, was andere für nötig, für selbstverständlich halten: Haus und Hof, Titel und Einfluss, Frau und Kinder. Der Heilige Franz von Assisi, zum Beispiel, und viele andere stehen dafür, dass es das wirklich gibt. Sie haben im Verzichten auf alle Habe, auf Ansehen und menschliche Bindung eine Freiheit gefunden, die sie um nichts in der Welt für etwas anderes eintauschen mochten. Papst Franziskus setzt in dieser Hinsicht durch seinen Verzicht auf Prunk gleichfalls ein Zeichen. Das wird so nicht eines jeden Weg sein. Weil wir in einer völlig anderen Zeit leben, steht anstelle des Besitzverzichtes die Wohltätigkeit gegen über den Armen und den am Rand der Gesellschaft stehenden, sowie die Offenheit gegenüber Asylsuchenden. Und was hindert uns daran zu unserem Christsein in der Öffentlichkeit zu stehen, schließlich ist es die Kernmarke Europas. Wir können uns an den Muslimen ein Beispiel nehmen, die den Islam als wesentlichen Bestandteil ihres Daseins sehen, während bei uns der Glaube zu verdunsten droht. Dabei haben wir es einfacher, denn unser christlicher Glaube ist nach vorne gerichtet, ist weltoffener. In der praktischen Umsetzung der Frage der Nachfolge müsste ich also nur Fragen: Was würde Jesus tun an meiner Stelle jetzt bei dem, was ich zu bestehen habe? Was würde er mir antworten, wenn ich ihn befragte zu dem, was mich jetzt bewegt? Die Antwort, die Sie sich darauf geben, die sollten Sie befolgen. Denn so fängt Nachfolge an. Und Sie werden damit rechnen müssen, dass sich allein dadurch schon Vieles ändert für Sie. In den Augen Gottes ist der Mensch also nicht durch das, was er im Tresor oder im Aktienportfolio, im Bücherschrank oder im Pflichtenheft hat, sondern allein durch das, was er tief im Herzen trägt: eben durch das, was er ist. Dieser Schöpfungsidee Gottes gerecht zu werden, kann vielleicht hier und da ein mühsamer Akt sein. Aber es geht. Gott hat es vorgemacht – auch er ist Mensch geworden.
Diakon Uwe Bähr, Bruder Klaus Jebenhausen