Vorträge, Erzählungen, Meinungen sind dann am besten, wenn sie einem nichts Neues sagen, sondern ausdrücken, was man selbst schon immer gedacht hat. Wenn man beim Zuhören das Gefühl hat: „Genau, so ist es!“. Und dieses „Genau, so ist es!“ das ganze Gefühl, die ganze Person umfasst, wenn man dabei von Wärme erfüllt wird, dann fühlt man sich quasi „verstanden“, ohne etwas gesagt zu haben.
Ich frage mich, ob solche Erfahrungen, nicht auf Gemeinsamkeiten unter uns Menschen hinweisen? Auf etwas, das zwischen uns existiert und an dem wir irgendwie Anteil haben, etwas, das uns untereinander verbindet und uns für Augenblicke bei uns selbst sein lässt?
Ein Blick in unser Gehirn liefert uns einen wichtigen Beitrag zu dieser Frage. Wenn Gehirne von Menschen, die miteinander in enger Beziehung stehen, während intensiver Begegnung gescannt werden, kann man feststellen, dass sich die Aktivitäten der zwei Gehirne einander angeglichen. Das heißt, dass sich unsere Gehirne durch Beziehungen verändern.
Besonders starke Angleichungen kann man feststellen zwischen Müttern und ihren Kindern, bei Verliebten, allgemein bei Menschen die sich mögen. Wir sagen dann, dass zwei dieselbe „Wellenlänge“ haben. Grundsätzlich verändern sich die Gehirne von Menschen dann am stärksten, wenn sie sich einander liebevoll zuwenden. Das stellt vor allem unseren Alltag vor besondere Aufgaben, gibt ihm aber auch besondere Chancen.
Allein die Berührung verringert Schmerzen und erhöht das Wohlgefühl. Versuchspersonen die in einer glücklichen, vertrauensvollen Beziehung lebten, wurden in einem Experiment mit kleinen schmerzhaften Elektroschocks traktiert. Dabei hat man deren Angst vor den Elektroschocks und deren Schmerzempfinden während der Elektroschocks gemessen. Im einen Fall waren die Versuchspersonen allein ohne ihren Partner, im anderen Fall hielt der Partner der Versuchsperson die Hand. Ergebnis: Allein die liebevolle Berührung des geliebten Partners reduzierte die Angst und das Schmerzempfinden wesentlich. Dieser schützende Effekt trat nicht in schwierigen Beziehungen auf.
Um liebevolle, unterstützende Beziehungen herzustellen, brauchen wir nur unserer „sozialen Natur“ folgen, indem wir uns einander zuwenden. Konkret können wir das tun durch gemeinsames Essen, durch gute Zusammenarbeit, indem wir zusammen singen und miteinander spielen oder indem wir miteinander Sport treiben. Gemeinsames tun ist das Stichwort. Manchmal muss man das auch organisieren.
So werden wir das, was wir eigentlich sind – in einem Bild von Paulus: Ein Leib mit vielen Gliedern. Und eine der vornehmsten Aufgaben von Religion verwirklicht sich: Aus „zwei“ „eins“ zu machen.
Josef Priel
Westerheim