Mit Sonderrechten durch Feindesland: Ein riskanter Notfalleinsatz hinter dem eisernen Vorhang

Beschrieben wird ein absolut realistisches Einsatzgeschehen. Es war 1982 noch in den Zeiten des kalten Krieges. Und ja, im Kalten Krieg war der Westen durch den Eisernen Vorhang vom Osten getrennt. Der Begriff beschreibt die politische, militärische und ideologische Trennung Europas (und darüber hinaus) zwischen den von den USA und Verbündeten unterstützten Staaten im Westen und den Warschauer-Pakt-Staaten im Osten.

Physisch zeigte sich der eiserne Vorhang unter anderem durch Grenzbefestigungen, Sperrzonen und strenge Kontrollen, etwa auch  in Deutschland durch die Berliner Mauer und Grenzanlagen zwischen Ost- und Westdeutschland. Der Begriff steht auch im übertragenen Sinn für die politische, wirtschaftliche und ideologische Barriere zwischen Ost und West.

ich war in dieser Zeit ehrenamtlicher Rettungssanitäter bei einer  anerkannten  Schwäbisch Gmünder Hilfsorganisation. Mit dabei Thomas W. Rettungssanitäter und Krankenpfleger. Ein gemeinsamer Bekannter war der Krankenpfleger Anton, der wie Thomas im Krankenhaus   beschäftigt war. Auch ich hatte während meiner Dienstzeiten Kontakt zum Pfleger Anton. Dieser hatte eine Tante, hochgradig niereninsuffizient und Dialysepflichtig die im diktatorisch geführten Rumänien lebte.

Und wir hatten den Auftrag die Bekannte  des Krankenpflegers im Krankenhaus in Timokratie in Rumänien abzuholen. Diese durfte ausreisen, vermutlich begründet durch die schwere Erkrankung nebst hoher Kosten. (Dialyse)

Der Transport musste ohne große Unterbrechungen zu den Unikliniken in Ulm gehen.

Die organisatorischen Maßnahmen wurden von Gerhard W. getroffen. Dieser war Stadtbeauftragter und Rettungsdienstleiter der durchführenden Hilfsorganisation.

Als Einsatzfahrzeug diente ein Krankentransportwagen mit Binz Ausbau. Die Besatzung stellte sich aus drei Personen zusammen. Dr. M., Thomas W. und mir. Es sollte zügig nach Timisoara gehen. Jeder von uns saß drei Stunden am Steuer dann erfolgte regelmäßig ein Fahrerwechsel. Über Wien, Budapest, Kecskemek, Szegedin, Arad sollte uns  die Streckenplanung an das Ziel führen.

Die Fahrt verlief zügig und ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Doch in Budapest gab es erste Verfehlungen. An den Donaubrücken angekommen planten wir den weiteren Verlauf und zügig ging es weiter. Nach zwei Stunden konnten wir feststellen, dass wir wieder an der Brücke angekommen und mussten feststellen dass wir  zwei Stunden im Kreis gefahren sind.

Erwähnenswert bleiben die sehr schlechten Straßenverhältnisse auf rumänischen Staatsgebiet. Und auffallend waren in allen Städten und Dörfern die vermutlich ethnische Minderheiten die Straßen und Plätze mit großen Reisigbesen säubern mussten.

Frühmorgens gegen vier Uhr sind wir am Zielort eingetroffen. Ein älterer Herr der zuvor zugedeckt mit einer Wolldecke auf dem Fußboden kauerte nahm uns in Empfang. Es war der Nachtpförtner und der Fußboden war sein Aufenthaltssbereich bzw. Arbeitsplatz.

Körperhygiene so wie wir uns das vorgestellt hatten war im Klinikbereich nicht möglich und musste im Krankentransportwagen erfolgen. Danach ging es zu einem großen Hotel in unmittelbarer Nähe. Richtigen Kaffee gab es nicht, aber sonst war der Hotel- und  Gastronomiebereich zufriedenstellend.

Guten Marken – Kaffee gab es dann bei der Patientenübergabe im Zimmer des Chefarztes. Alles hatte der in seinem Schrank.

Danach wurde die Patientin aufgenommen, wobei sich zwei Ärztinnen spontan anboten „uns nach Deutschland begleiten zu wollen“. Diesen Wunsch konnten wir den Damen nicht erfüllen.

Der Transport begann, und nach kurzer Fahrzeit in Richtung Ungarn bemerkten wir die große schwarze Limousine mit vier männlichen Insassen die dann ständiger Begleiter blieben.

Ca. 100 Kilometer vor der ungarischen Grenze kam es zu massiven Verkehrsbeeinträchtigung durch Militärfahrzeuge, so dass wir nach Absprache beschlossen unsere Fahrt vorübergehend mit Sonderrechten fortzusetzen.

Uns war bewusst, dass Sonderrechte in diesem Land wagemutig und unzulässig waren, und ich möchte erwähnen dass ich mich auf eine solche Vorgehensweise im Rahmen meiner Einsatztätigkeiten nie wieder eingelassen habe.

Unmittelbar vor der Rumänisch- ungarischen Grenze haben wir in einen normalen Fahrbetrieb gewechselt. Die Grenzabfertigung war sehr streng, aber letztendlich korrekt.

Ein ungutes Gefühl das mich hinter dem eisernen Vorhang stets begleitet hat  schwand dann erst auf österreichischem Staatsgebiet.

Der weitere Verlauf durch Ungarn, Österreich und Deutschland bis zur Patientenübergabe an der Uniklinik Ulm  war ohne Vorkommnisse.

„Antons Tante“ war hinter dem eisernen Vorhang im Westen angekommen.

 

Alfred Brandner

 

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