10 Jahre Jagst-Unfall: Klimawandel bremst Rückkehr von Fischarten – NABU: Nach Fischsterben 2015 muss Aktionsprogramm Jagst weitergehen

Am 23. August jährt sich die Umweltkatastrophe im romantischen Jagsttal zum zehnten Mal. 2015 brannte die Lobenhausener Mühle bei Kirchberg/Jagst im Landkreis Schwäbisch Hall. Mit dem Löschwasser ist hochgiftiges Ammoniumnitrat, das als Dünger auf dem Gelände lagerte, in die Jagst geflossen. Die Folge: ein dramatisches Fischsterben.

Zwanzig Tonnen tote Tiere wurden geborgen, die Hälfte davon auf der Gemarkung Kirchberg. Auf 25 Kilometern Länge war der Fischbestand im Fluss vollständig ausgelöscht. Zehn Jahre später blickt Bruno Fischer, Vorsitzender des NABU Kirchberg/Jagst, immer noch mit Sorge auf den Fluss seines Heimatortes. „Die gute Nachricht ist: Fast alle Fischarten sind wieder da. Die schlechte ist: Es haben sich Fischarten überproportional stark vermehrt, darunter Döbel und Wels, die mit hohen Wassertemperaturen besser klarkommen. Kälte- und Sauerstoff liebende typische Jagstfische, wie Barbe und Nase, sind dagegen kaum noch zu finden“, so Fischer. Er ergänzt: „Das größte Problem bei der Wiederbesiedelung der Jagst ist die Klimakrise.“

Vor 2015 war die Jagst ein fischreiches Gewässer, obwohl auch Kormoran und Gänsesäger dort nach Fischen jagten. Heute erschweren veränderte Umweltbedingungen manchen Arten die Rückkehr und es fehlt am Nachwuchs. Eine Umsiedlung der Nase aus einem anderen Gewässerteil brachte keinen nachhaltigen Erfolg. In den letzten Sommern wurden regelmäßig Wassertemperaturen von über 25 Grad gemessen. Die Forelle beispielsweise stellt bei etwa 20 Grad ihre Nahrungsaufnahme ein, zeigt ein starkes Stressverhalten und versucht abzuwandern.

Was hat das Aktionsprogramm Jagst bewirkt?

Das Land Baden-Württemberg hatte das Aktionsprogramm Jagst mit 14 Millionen Euro ausgestattet, von denen bisher vier Millionen investiert wurden. Ufer wurden renaturiert, Kiesinseln aufgeschüttet, Eisvogelsteilwände angelegt und Altarme wiederhergestellt. Dennoch kommt die Gesundung des Flusses nur langsam voran. „Alle Maßnahmen, die zu einem natürlichen Flusslauf führen und den Fischen das Durchwandern ermöglichen, sind wichtig und sollten weitergehen. Als nächster Umbau muss das Kirchberger Wehr endlich eine Aufstiegshilfe für Fische erhalten“, fordert Fischer, der sich auch im Fischereiverein engagiert. Zusätzlich sollte der Fluss durch weitere Kiesinseln und Steinriegel mehr Struktur erhalten, da die Verwirbelungen Sauerstoff eintragen – ein Hitzeschutz für den mit fast 190 Kilometern längsten Zufluss des Neckars.

Stoffeinträge in den Fluss reduzieren

Auch der Überdüngung der Jagst würde der NABU gerne einen Riegel vorschieben: Zu viel Stickstoff aus Landwirtschaft und Siedlungsabwässern regt das Algenwachstum an, dieses entzieht dem Wasser und seinen Lebewesen den Sauerstoff. Das Ausbringen von Gülle auf den intensiv genutzten Wiesen in der Umgebung verzögert die Erholung der Jagst. Noch gravierender wirkt sich die Nitratbelastung aus, wenn der Fluss – wie bereits seit Jahren – Niedrigwasser führt: „Bei Niedrigwasser sind Schadstoffe konzentrierter und ihre Wirkung verstärkt sich. Flaches Wasser erwärmt sich schneller und ist arm an Sauerstoff, beides heizt das Algenwachstum weiter an – ein Teufelskreis“, sagt Bruno Fischer.

Gerade weil die Jagst ein so sensibles Ökosystem ist, braucht sie besonderen Schutz, betont der NABU. Und ist froh, dass der geplante Mega-Stall an der Jagst bei Langenburg nicht gebaut wurde. Es ist wichtig, dass in der Landwirtschaft die Einträge in Fließgewässer reduziert werden. Eine naturverträgliche Landwirtschaft, wie beispielsweise der Ökolandbau, schont Flüsse, weil auf synthetische Düngemittel verzichtet wird und sich die Anzahl der Tiere an der landwirtschaftlichen Nutzfläche orientiert. So sollen eine Überdüngung des Bodens und eine Belastung des Grundwassers vermieden werden.

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PM NABU Baden-Württemberg

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