Der Notruf, der nie abgesetzt wurde!

„Ein bedrückendes Gefühl: Als Rettungsfachkraft privat unterwegs, treffen Sie auf einen akuten Notfall. Umgeben von rund zweihundert Schaulustigen, von denen kaum jemand aktiv Hilfe leistet, beginnen Sie – nachdem Sie sich Zugang verschafft haben – mit den erforderlichen Maßnahmen.“ 

Ein sonniger Tag mit unerwartetem Ernstfall

Es ist ein schöner Frühsommertag. Ich bin unterwegs in einer kleinen Stadt in Baden-Württemberg, das Frühstück in einem Café auf dem Marktplatz soll den Tag einläuten. Doch kurz vor dem Ziel fällt mir eine große Menschenansammlung vor einem Kaufhaus auf. Neugierig nähere ich mich – zunächst vermute ich eine Verkaufsshow oder einen Marktschreier.

Doch die Szenerie ist eine andere

Ein PKW steht mitten im Fußgängerbereich, der Fahrer regungslos am Steuer, die Beifahrerin wie erstarrt. Auf dem Gehweg sitzt eine verletzte Frau mit einer Armblessur. Der Wagen scheint ungebremst zwischen Blumenkübeln und Schaufenstern über ein Verkehrsschild gefahren zu sein. Offenbar wurde der Fahrer während der Fahrt bewusstlos und verlor die Kontrolle über den Wagen.

Erste Hilfe unter Schaulustigen

Am Unfallort herrscht Unruhe. Viele Umstehende erkennen nicht, wie ernst die Lage ist – dass ein Mensch im Fahrzeug um sein Leben ringt. Gemeinsam mit anderen Helfern, die zunächst zum Eingreifen motiviert werden mussten, gelingt es, den Bewusstlosen aus dem Fahrzeug zu bergen. Auf einer nahegelegenen Ruhebank beginnt die Erstuntersuchung: Atem- und Kreislaufstillstand. Sofort leite ich Reanimationsmaßnahmen ein.  Meine Frage an die Menge: „Ist der Rettungsdienst alarmiert?“ – wird mehrfach bejaht. Doch während ich weiter reanimiere, erfahre ich, dass der Unfall bereits vor rund 20 Minuten geschehen ist. Ich fordere erneut die Alarmierung von Notarzt und Rettungsdienst – mit dem Hinweis „Reanimation“. Erst fünf Minuten später trifft ein Rettungswagen ein. Der Notarzt muss nachträglich angefordert werden, da der lebensbedrohliche Zustand in der ursprünglichen Notfallmeldung offenbar nicht korrekt übermittelt wurde.

Jede Minute zählt – und jeder Anruf kann Leben retten

Dank der frühzeitig eingeleiteten Maßnahmen und der Unterstützung durch die Rettungskräfte kann der Patient zunächst erfolgreich reanimiert werden. Doch leider verstirbt er später in der Klinik.

Was bleibt, ist ein bedrückendes Gefühl: Umgeben von rund zweihundert Schaulustigen, von denen kaum jemand aktiv Hilfe leistete. Dieses Ereignis sollte ein Weckruf sein – für mehr Verantwortungsbewusstsein und Zivilcourage.

Die 112 – eine Nummer, die Leben retten kann

Noch immer ist die europaweit gültige Notrufnummer 112 nicht ausreichend im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Dabei ermöglicht sie eine direkte Verbindung zur Rettungsleitstelle – schnell und unkompliziert.

Im vorliegenden Fall zeigt sich: Vermutlich verließ sich ein Augenzeuge auf den nächsten – und die lebensrettende Alarmierung blieb zunächst aus. Deshalb gilt: Bei jedem Zweifel lieber einmal zu viel als gar nicht die 112 wählen. Hilfe kommt garantiert – ohne lange Wartezeit.

Wissen rettet Leben

Jeder kann sich in Erste-Hilfe-Kursen bei Hilfsorganisationen oder privaten Anbietern die nötigen Kenntnisse aneignen. Wären unter den zahlreichen Schaulustigen auch nur wenige entsprechend geschult gewesen, hätte die Hilfe schneller und gezielter erfolgen können.

Alfred Brandner

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