Nach über dreißig Jahren Berufserfahrung als hauptberuflicher Rettungsassistent, begleitet von kontinuierlicher fachlicher Weiterbildung bis heute, und einem stetig wachsenden Interesse am System der Notfallrettung, sehe ich mich zunehmend mit einer ernüchternden Realität konfrontiert: „Die Notfallrettung in Deutschland befindet sich in einem Zustand, der selbst als Notfall bezeichnet werden könnte.“
Die Organisation ist überlastet, die Umsetzung oft planlos, und der eigentliche Sinn des Rettungsdienstes – Leben retten – wird immer häufiger durch systemische Fehlentwicklungen verdrängt. Die aktuelle Darstellung der Lage im deutschen Rettungswesen verkennt die Realität, die viele Kolleginnen und Kollegen täglich erleben.
Ein Kollege brachte es kürzlich treffend auf den Punkt:
„Du hast genau im richtigen Moment den Absprung gemacht. Was wir hier als Notfall präsentiert bekommen, ist nicht mehr tragbar. Taxi mit Blaulicht – wir sind kein Rettungsdienst mehr, sondern ein Problemlösedienst.“
Diese Aussage ist kein Einzelfall. Sie steht exemplarisch für eine Entwicklung, die viele erfahrene Rettungskräfte frustriert und demotiviert. Wenn Bagatellen zur Einsatzpriorität werden und echte Notfälle im System untergehen, dann ist es höchste Zeit für eine ehrliche Diskussion über Sinn, Zweck und Zukunft der Notfallrettung.
Wir brauchen keine Blaulicht-Taxis. Wir brauchen ein Rettungssystem, das seinem Namen wieder gerecht wird.
Fazit:
Der Rettungsdienst ist eine originäre staatliche Aufgabe, die im Rahmen der Daseinsvorsorge und der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr erbracht wird. Er kann und darf nicht als gewinnorientierter Wirtschaftsbetrieb geführt werden.
Ausführende Organe, bzw. Betreiber der medizinischen Rettungsdienste sind die vier anerkannten Hilfsorganisation DRK, JUH, MHD und ASB.
Diese Einordnung ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip gemäß Artikel 20 und Artikel 28 des Grundgesetzes. Ziel des Sozialstaates ist es, seinen Bürgerinnen und Bürgern einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Dazu zählen auch gesetzgeberische Maßnahmen wie das Rettungsdienstgesetz sowie darauf aufbauende Richtlinien und Verordnungen.
Sozialstaatsprinzip und gesetzliche Verpflichtungen
Im Lichte des Sozialstaatsgebots wird deutlich, warum die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Hilfsfristen im Rettungsdienst unabdingbar ist. Eine angemessene notfallmedizinische Versorgung ist ein zentraler Bestandteil eines menschenwürdigen Lebensstandards. Sie muss so organisiert sein, dass durch Struktur und Ablauf des Rettungsdienstes keine Gefährdung von Menschenleben entsteht.
Verantwortung von Kostenträgern und Politik
Wenn Kostenträger und politische Entscheidungsträger verpflichtet sind, verantwortungsvoll mit den Beiträgen der Versicherten umzugehen, dann gilt diese Verantwortung umso mehr für die Sicherstellung funktionierender Systeme zur Erhaltung von Gesundheit und Leben. Die Bereitstellung eines leistungsfähigen Rettungsdienstes ist somit nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern Ausdruck eines solidarischen und fürsorglichen Gemeinwesens.
Alfred Brandner