Neulich war ich in einer Ausstellung über Migration und ein Fall blieb mir besonders im Gedächtnis: Eine Familie aus Schlesien, die im Januar 1945 über Böhmen nach Österreich floh, wurde im Mai 1945 dort ausgewiesen mit der Begründung, deutsche wären Nazis und Österreicher nicht. Was für eine Heuchelei! Bis heute sieht sich Österreich als erstes Opfer und nicht, dass das Land williger Helfer des NS-Regimes war. Im Staatsvertrag zur vollen Wiederherstellung der Souveränität Österreichs, der am 15. Mai 1955 in Kraft trat, wurde sogar die Mittäterschaft des Landes rausbekommen. So konnte sich der einstige Landesteil von Nazi Deutschland voll in seine Opferrolle flüchten, was bis heute fatal ist.
Das politische Wort zum Sonntag: Das Wort zum Sonntag über 70 Jahre Souveränität Österreich, 70 Jahre Warschauer Pakt und deutsche Grenzkontrollen heute
Auf der anderen Seite hatte die Einheit Österreichs und die ewige Neutralität auch seine Vorteile und es war ein Fehler, dass die beiden deutschen Staaten das damals nicht auch getan haben. So hätten wir nicht nach 1990 so viele Probleme nach der Einheit, da wir alles hätten damals schon klären und lösen konnten. Denn nach 10 Jahren Teilung hatte sich die DDR noch nicht so negativ entwickelt, wie nach 45.
Am 5. Mai 1955 wurde der Warschauer Pakt gegründet und damit der Kälte Krieg sowie die Spaltung Europas und der Welt zementiert. Auf der anderen Seite ist es aber auch positiv, dass nach der Auflösung des Pakts 1991 sich die NATO nach Osten erweitert hat und viele ehemalige Feinde jetzt Brüder sind. Der Warschauer Pakt ist Geschichte, aber Konflikte haben sich nach Osten verlagert und auch innerhalb der NATO gibt es mit der Türkei und Ungarn Staaten, die eigentlich Gegner der westlichen Demokratie sind – über die Rolle der USA, die mich zunehmend beunruhigt, möchte ich gar nicht erst eingehen. Einigkeit innerhalb der NATO ist unerlässlich und durch den drohenden Rückzug der USA müssen die anderen Staaten mehr Verantwortung übernehmen. Sonst droht es diesem Bündnis so zu gehen, wie dem Warschauer Pakt.
Dann wird gerade sehr viel über die verschärfen deutschen Grenzkontrollen gesprochen. Recht und Ordnung sind selbstverständlich auch auf diesem Gebiet unerlässlich, aber es muss europäisch organisiert werden – und dabei helfen keine symbolischen Akte. Ohne Zuwanderung geht es in Deutschland nicht und auch der freie Verkehr für Waren, Arbeitskräfte und Dienstleistungen sind unerlässlich.
In Zeiten von Fachkräftemangel muss man leider auch Nachteile in Kauf nehmen. So wird es in einem Rechtsstaat eben immer auch Zuwanderer geben, die die Gastfreundschaft anderen Länder ausnutzen. Aber man wird nicht alle ausweisen können, da man sonst auch keine fähigen mehr kriegt. Und niemand wird behaupten wollen, Merkels Politik von 2015 war reine Nächstenliebe. Nein, Merkel war Pragmatikerin und hat die vielen Arbeitskräfte gesehen, die Deutschland durch die Flüchtlingswelle erhielt und die man dadurch unbürokratisch ins Land holen konnte. Durch die neue Politik der Abschottung sehe ich jetzt schon neue Probleme, da wir schwerer an Fachkräfte kommen werden, als bisher.
Die Ausstellung, die ich besucht habe, hat gezeigt, wie wichtig für die Entwicklung von Ländern und Gesellschaften Zuwanderung ist, auch wenn es manchmal Probleme gibt. Wir müssen also schon allein aus pragmatisch Gründen damit zurechtkommen, da uns sonst der Untergang droht.
PM Marcel Kunz
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