Emotionale Belastungen sind ein nicht zu leugnender Teil der Arbeit im Rettungswesen, und es ist nicht ungewöhnlich, dass solche Einsätze einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Supervision für Rettungsfachpersonal ist ein wichtiger Aspekt um die um die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Einsatzkräfte zu fördern. In einem so belastenden Berufsfeld wie dem Rettungsdienst ist es entscheidend, dass Fachkräfte die Möglichkeit haben ihre Erfahrungen zu reflektieren und Unterstützung zu erhalten.
Notfalleinsätze, bei denen die emotionale Belastungsgrenze überschritten wird, können sehr prägend und belastend sein. In solchen Situationen ist es wichtig, sich um die eigene mentale Gesundheit zu kümmern und Unterstützung zu suchen, sei es durch erfahrene und charakterstarke Kollegen, Freunde oder professionelle Hilfe. Doch es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass solche Einsätze Teil eines sehr anspruchsvollen Berufs sind und dass es in Ordnung ist, sich dabei verletzlich zu fühlen.
Was war dein schlimmster Einsatz? So oder ähnlich lauteten oftmals die Fragen mancher Zeitgenossen die ich aber stets und bis heute ausweichend abhandelte.
Es dürfte verständlich sein, dass solche Fragen oft schwer zu beantworten sind, besonders wenn man mit traumatischen Erlebnissen konfrontiert ist. Der Einsatz, den ich beschreibe, war sehr belastend und prägend. Es erfordert Mut um darüber zu sprechen und das Geschehen öffentlich zu machen.
Emotionale Belastungen sind ein prägender Teil der Arbeit im Rettungswesen, und es ist nicht ungewöhnlich, dass solche Einsätze einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das Teilen meiner Erfahrungen kann nicht nur mir helfen, sondern auch anderen, die ähnliche Situationen durchleben. Man muss sich Mut machen und das Bewusstsein für die Herausforderungen im Rettungsdienst schärfen.
Es ist auch wichtig, solche Geschichten zu teilen, um das Verständnis für die Arbeit von Rettungskräften zu fördern und die Bedeutung von psychischer Gesundheit in diesem Berufsfeld zu betonen.
Doch einen Notfalleinsatz der bis heute im Gedächtnis bleibt möchte ich erwähnen. Die emotionale Belastungsgrenze war in diesem Einsatzgeschehen erreicht – auch Tränen sind geflossen. Viele Jahre sind nun vergangen, das Einsatzgeschehen nicht – es ist immer noch im Gedächtnis. Dieser dramatisch – tragischer Notfall mit vergleichbar hohen Belastungsspitzen, motiviert mich das zurückliegende Geschehen öffentlich zu machen.
Ich habe eine sehr prägende und herausfordernde Erfahrung gemacht, die mich tief berührt hat. Solche Einsätze können nicht nur physisch, sondern auch emotional extrem extrem belastend sein.
Nun habe ich das Bedürfnis dieses Erlebnis öffentlich zu machen, um vielleicht anderen zu helfen oder das Bewusstsein für solche Situationen zu schärfen.
Als Rettungsfachkraft über dreißig Jahre hauptberuflich im Einsatzdienst – Tausende Einsätze prägen die Dienstjahre. Tätig auf Schiffen in Kriegs-und Krisengebieten, mit dem Rettungsdienst – Einsatzmotorrad allein auf der Autobahn, und natürlich mit all den anderen Rettungsmitteln bestens vertraut – zahlreiche Patienten wurden versorgt.
Herzinfarkte, Schlaganfälle, Schuss-und Stichverletzungen, Amputationen, Reanimationen, und all die hier nicht aufgeführten Notfallbilder wurden überwiegend eigenverantwortlich versorgt, und ohne die Möglichkeit zu haben, einen hilfesuchenden Blick auf einen Mediziner werfen zu können.
Die tägliche Praxe, sorgte für ein gewisse „Routine“ (Erfahrung). Man hat gelernt mit Leben, Krankheit und dem Tod umzugehen, und man fühlte sich auch entsprechend gewappnet. Doch es sollte dieses mal ganz anders kommen. Die emotionale Belastungsgrenze wurde überschritten.
Eine kleinere Kreisstadt in Baden Württemberg, auf einer Rettungswache kurz vor dem nahenden Dienstende am Abend. Lautes piepsen des Funkmeldeempfängers unterbricht die Planungen über Feierabendaktivitäten im Kollegium: „Alarm für RTW und Notarzt“.
Asthma bronchiale – so die Meldung des Disponenten
Der Einsatzort liegt in einer kleinen Gemeinde , nur wenige Fahrminuten von der Rettungswache entfernt. Dort angekommen wurden wir von zahlreichen „Streckenposten“ (Sportler von naheliegenden Sportstätten) von der Hauptstraße bis zum Einsatzort eingewiesen. Eingetroffen, ca. 50 Meter vom Notfallort entfernt, hörten wir laute und markdurchdringende Schreie einer Frau.
Ersthelferin beatmet Mädchen
Der RTW wurde so abgestellt, dass die Notfallstelle mit den Fahrzeugscheinwerfern ausgeleuchtet war. Viele Menschen waren vor Ort Ein Mädchen lag am Boden, und eine Ersthelferin hatte mit der Beatmung begonnen.
Herz – Kreislauf – Stillstand
Schnell wurde offensichtlich, dass das Mädchen einen Herz – Kreislauf – Stillstand erlitten hatte. Eine regelrechte Reanimation, nach aktuellen notfallmedizinischen Kriterien wurde umgehend in die Wege geleitet.
Schreie einer verzweifelten Mutter
Die anhaltenden und lauten Schreie der verzweifelten Mutter, waren kontinuierlicher Begleiter unserer Reanimation– Maßnahmen. Die Bemühungen blieben ohne Erfolg. Zunehmende Zyanose, und die maximal weiten Pupillen verkündeten den nahenden Tod des Mädchens.
Das bedrückende Gefühl der Machtlosigkeit machte sich bemerkbar
Alle erforderlichen Maßnahmen wurden beständig, und sehr konsequent, und mit vollem Einsatz durchgeführt. Nach Eintreffen des Notarztes, der in diesem Einsatz aus einer benachbarten Stadt anrückte, erfolgte ein zügiger Transport unter Reanimation zur nahen Kinderklinik. Dort ist das Mädchen kurze Zeit später verstorben.
Was war geschehen?
Eine Mutter war mit ihrer Tochter, die seit frühester Kindheit an Asthma bronchiale erkrankt war am Rande eines Dorfes unterwegs, so die Aussagen von Passanten. Nach Angaben aus dem Umfeld der Ersthelfer, war das Mädchen im Umgang mit den lange schon festgestellten Asthmaanfällen routiniert. Allem Anschein nach, waren Mutter und Tochter laufen. Hierbei soll es zu einem Anfall gekommen sein. Das Mädchen konnte noch ihr „Notfallspray“ zur Anwendung bringen – unmittelbar danach kam es zum Kollaps mit anhaltender Bewusstlosigkeit.
Das Mädchen war nicht mehr zu retten
Die Zeitspanne vom Eintritt des Ereignisses, bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes lässt sich nicht festlegen. Die mit der Situation überforderte Mutter, konnte anscheinend vor Aufregung das mitgeführte Mobiltelefon nicht betätigen – nur anhaltende Hilferufe, die letztendlich auch von Sportlern des nahen Sportgeländes wahrgenommen wurden waren möglich. Wir konnten trotz größter Mühen aller Beteiligten, einschließlich der vorbildlichen Ersthelfer nicht verhindern, dass das kleine Mädchen verstorben ist. Das zuvor schon erwähnte Gefühl der Machtlosigkeit, hat noch Stunden und Tage angehalten. Ich scheue mich nicht davor zu sagen, dass auch Tränen geflossen sind.
Vergessen ist das Thema nicht
Abschließend erfolgte eine Einladung zur Supervision in die aufnehmende Kinderklinik. Alle Beteiligten aus Klinik und Rettungsdienst konnten das Thema aufarbeiten. Doch vergessen ist das Thema längst noch nicht.
Alfred Brandner