Positive Zwischenbilanz beim regionalen Bahnverkehr in Baden-Württemberg

„Das Angebot des Nahverkehrs auf der Schiene in Baden-Württemberg ist seit 2017 deutlich ausgeweitet worden. Im Jahr 2021 werden rund 80 Millionen Zugkilometer erbracht. Das ist innerhalb von zehn Jahren eine Steigerung um 22,5 Prozent“, so bilanzierte Verkehrsminister Winfried Hermann, MdL am 8. Februar 2021 in einer Online-Pressekonferenz das aktuelle Angebot im Schienenpersonennahverkehr. „Bis 2022 fahren insgesamt 355 neue moderne Züge mit viel Komfort für die Kunden und mit besserer Taktung auf dem überwiegenden Teil der Strecken“, so Hermann. „Sie haben die vielen alten Züge und Wagen der DB abgelöst. In Baden-Württemberg wurden vor dem Betreiberwechsel die ältesten, störungsanfälligsten Fahrzeuge eingesetzt. Die nach den Betreiberwechseln zunächst eingebrochenen Pünktlichkeitswerte haben inzwischen das Niveau vor den Angebotsausweitungen zum Großteil wieder erreicht und übertroffen.“

Neue Fahrzeuge und moderne Standards

Einen Meilenstein im SPNV in Baden-Württemberg stellten insbesondere die Betriebsaufnahmen der Unternehmen Go-Ahead und Abellio im sogenannten „Stuttgarter Netz“ dar. Sie bedienen Zugstrecken, die von Stuttgart aus in alle Richtungen des Landes gehen. Neue Züge bringen seither mehr Komfort, häufigere Verbindungen und neue umsteigefreie Durchbindungen für Fahrgäste. Hermann weiter: „Mit den Umstellungen waren jedoch auch Anlaufschwierigkeiten verbunden, die zunächst für schlechte Pünktlichkeitswerte, Zugausfälle und ältere Ersatzfahrzeuge sorgten. Diese Übergangskonzepte sowie Startschwierigkeiten sind nun größtenteils überwunden.“

Pünktlichkeit inzwischen gleichauf und besser

Die Betreiber binden sich über die mit dem Land Baden-Württemberg geschlossenen Verträge an feststehende Pünktlichkeitsziele, welche die Nahverkehrsgesellschaft im Auftrag des Verkehrsministeriums laufend überwacht. Unter anderem wird neben den Zugausfällen die Pünktlichkeit zweistufig ermittelt und es werden bei jeder Fahrt Werte erfasst, ob der Zug weniger als vier Minuten verspätet, weniger als sechs Minuten verspätet oder gar noch später an definierten Bahnhöfen (sog. Pünktlichkeitsmessstellen) eingetroffen ist. „Zudem haben wir schon 2018 eine wöchentliche Task Force mit Vertreterinnen und Vertretern der Betreiber und den Fachleuten meines Hauses eingerichtet. In den Gesprächen werden aktuelle Probleme erörtert und vor allem Lösungsmöglichkeiten diskutiert, bei denen auch das Land unterstützt. So konnten zum Beispiel Zugausfälle im Knoten Stuttgart durch vom Land finanzierte ad-hoc einsetzbare Ersatzzüge ausgeglichen werden“, so Hermann. Darüber hinaus müssen die Eisenbahnunternehmen Strafzahlungen an das Land entrichten, wenn ihre Züge schlechte Pünktlichkeitswerte aufweisen oder eigenverschuldet ausfallen. Diese Mittel werden in das System Schiene reinvestiert, bzw. wurden z.T. für die Entschädigungsaktion der Dauerkarteninhaber im Frühjahr 2020 genutzt. In den letzten Jahren konnten damit jährlich rund 15 Millionen Euro für Infrastrukturmaßnahmen oder betriebliche Verbesserungen ausgegeben werden.

Personal kein Engpass mehr

„Der Einsatz der neuen 317 elektrischen und 38 Dieseltriebwagen auf teilweise für die Unternehmen neuen Strecken erfordert gut geschultes Personal. Seit Beginn der Betreiberwechsel im Jahr 2017 haben die Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer sowie das Zugbegleitpersonal der Unternehmen Alltagsroutine gewonnen. Alle Eisenbahnunternehmen im Land haben ihre Anstrengungen zur Personalgewinnung hochgefahren, sodass es hier keinen extremen Mangel mehr gibt“, so der Minister.

Hinzu kommt: Um Engpässe beim Personal vorübergehend zu beheben, startet das Verkehrsministerium zusammen mit der DB Regio AG einen Lokführer-Personalpool.

Der Pool wird von April 2022 an insgesamt 50 Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer umfassen und mindestens bis Juni 2025 bestehen. Im Jahr 2021 beginnt der Pool mit zunächst 30 Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer den Echtbetrieb.

Pilotprojekte zur Personalgewinnung, wie die Ausbildung Geflüchteter, entspannen die Situation weiter. So haben in einem ersten vom Land finanzierten Kurs 15 Geflüchtete im Dezember 2020 ihre Ausbildung zum Triebfahrzeugführer bestanden. Sie fahren nun für Go-Ahead, Abellio, die Albtal-Verkehrsgesellschaft und die MEV Eisenbahn-Verkehrsgesellschaft. Im Februar 2021 startet DB Regio einen eigenen Ausbildungskurs mit 16 Teilnehmern als Teil der Initiative „Qualifizierung Geflüchteter zu Triebfahrzeugführern“ des Verkehrsministeriums.

Remsbahn: Mehr Angebot, bessere Performance

Auf der Bahnstrecke zwischen Stuttgart, Schwäbisch Gmünd, Aalen und Crailsheim („Remsbahn“) liegt Go-Ahead mit der Pünktlichkeit des deutlich erweiterten Angebots inzwischen über dem Niveau des vorherigen Betreibers. Go-Ahead startete zunächst mit großen Schwierigkeiten, konnte die Zahl der selbstverschuldeten Zugausfälle im Jahr 2020 aber konstant unter ein Prozent reduzieren. In Sachen Pünktlichkeit (Ankunft pünktlich oder mit maximal 5:59 Minuten Verspätung entsprechend Konzernrichtlinie der DB AG) erreichte Go-Ahead im Jahresschnitt 2020 mit 93,5 Prozent ein ordentliches Ergebnis, welches die Werte des vorhergehenden Betreibers um 2,4 Prozent übertrifft. Auch die vertragliche Pünktlichkeitsdefinition, die eine Ankunft mit maximal 3:59 Minuten Verspätung misst, wird bei 88,2 Prozent aller Zugfahrten erfüllt und liegt knapp fünf Prozent über den Werten des vorherigen Betreibers.

Damit liegt Go-Ahead nur noch knapp unterhalb des vom Land Baden-Württemberg vertraglich geforderten Zielwertes von 90 Prozent (unter vier Minuten). Hier ist das Land Baden-Württemberg zuversichtlich, dass Go-Ahead seine Performance zukünftig noch weiter steigern kann.

Hoch zuverlässiges Angebot zwischen Ulm, Aalen und Munderkingen

In der Region Ulm übernahm die Südwestdeutsche Eisenbahnverkehrs-AG (SWEG) im Juni 2019 den Betrieb der Regionalbahnen auf der Donautal- und Brenzbahn zwischen der Münsterstadt und Munderkingen bzw. Aalen. Der Betreiber überzeugte von Anfang an neben den eingesetzten, neuen Fahrzeugen mit hoher Pünktlichkeit. Im abgelaufenen Jahr erreichten durchschnittlich 97,1 Prozent der Zugfahrten ihr Ziel pünktlich oder mit weniger als sechs Minuten Verspätung, 94,3 Prozent der Züge waren pünktlich oder weniger als vier Minuten verspätet am Zielbahnhof. Die Zahl der selbstverschuldeten Zugausfälle liegt mit 0,42 Prozent über das Jahr 2020 hinweg auf einem sehr guten Niveau. Damit übertrifft die Performance des landeseigenen Betreibers SWEG nach einer kurzen Übergangsphase in allen Messgrößen konstant die Werte des vorhergehenden Betreibers.

Weiterhin Verbesserungsbedarf zwischen Tübingen und Stuttgart sowie bei der Breisgau-S-Bahn

Auf der Strecke Stuttgart – Tübingen ist das Unternehmen Abellio für den Betrieb der meisten Regionalzüge verantwortlich. Aufgrund noch zu lösender Fahrzeug-engpässe und verspätungsanfälliger Strecken liegt die Performance des Unternehmens in Sachen Pünktlichkeit noch unterhalb der Werte des vorherigen Betreibers: Bei einer Monatsbetrachtung sind zwischen 67 und 85 Prozent der Züge im Jahresverlauf 2020 weniger als vier Minuten verspätet unterwegs. Beim Vergleich der Pünktlichkeitswerte ist jedoch zu berücksichtigen, dass anders als früher und bereits im Vorgriff auf den Durchgangsbahnhof Stuttgart 21 die Züge heute in Richtung Heilbronn durchgebunden sind – eine Quelle für eingeschleppte Verspätungen. Verbessert hat sich die Situation jedoch bei den vom Unternehmen zu verantwortenden Zugausfällen. Nach sehr schlechten Leistungen zu Beginn der Betriebsaufnahme im Juni 2020 sind diese inzwischen deutlich zurückgegangen und haben sich zwischen einem und zwei Prozent eingependelt. Es muss darauf hingewiesen werden, dass bereits das Vorgängerunternehmen DB Regio ebenfalls schlechte Betriebsqualität bot. Insbesondere die Pünktlichkeitswerte liegen jedoch noch deutlich unterhalb der Zielvorgaben des Landes. Das Land Baden-Württemberg richtet daher in regelmäßig stattfindenden Qualitätsgesprächen die Erwartung an das Unternehmen, dass Abellio sich mit allen verfügbaren Mitteln um eine Verbesserung der Pünktlichkeit bemüht.

Auch bei der von DB Regio befahrenen Breisgau-S-Bahn, die den Großraum Freiburg mit dem Schwarzwald verbindet, verbesserte sich die Pünktlichkeit des Angebots nach einem holprigen Start merklich seit der Einführung eines Notkonzeptes im Februar 2020. Hier mussten Fahrgäste im Hochschwarzwald jedoch auch aufgrund von Schäden durch das Sturmtief „Sabine“ zum Teil für mehrere Wochen auf Ersatzbusse ausweichen.

Zwischen März und November 2020 waren insgesamt 96,3 Prozent der Züge pünktlich oder weniger als sechs Minuten verspätet, 93 Prozent der Züge erreichten ihren Zielbahnhof planmäßig oder mit weniger als vier Minuten Verspätung. Hier werden die Werte des Vorgängerbetriebs um 0,7 Prozent knapp nicht erreicht. Insbesondere bei den vom Unternehmen selbst verursachten Zugausfällen besteht weiterhin Verbesserungsbedarf: Die Breisgau-S-Bahn verzeichnete zwischen der Betriebsaufnahme im Dezember 2019 und Februar 2020 durchschnittlich 5,2 Prozent Zugausfälle. Das verursachte viel Ärger bei den Fahrgästen. Nach Einführung des Ersatzkonzeptes verbesserte sich dieser Wert deutlich auf 0,86 Prozent zwischen März und September 2020. Diese Erkenntnisse wurden bei der Erarbeitung eines neuen Betriebskonzepts genutzt, das im Dezember 2020 in die Praxis umgesetzt wurde und sich seitdem bewährt hat.

Verlässliches Angebot zwischen Stuttgart und Ulm

Zwischen Stuttgart und Ulm bedient Go-Ahead die Regionalbahnlinien, die in der Regel an allen Stationen halten. Nach einem unzureichenden Betriebsstart im Dezember 2019 konnte Go-Ahead die Zuverlässigkeit des neu konzipierten Angebots stark verbessern. Während im ersten Halbjahr 2020 nur 89,9 Prozent aller Zugfahrten pünktlich oder weniger als sechs Minuten verspätet das Ziel erreichten, folgte in der zweiten Jahreshälfte eine Steigerung auf 91,7 Prozent. Über das gesamte Jahr 2020 hinweg ergibt sich ein Wert von 90,8 Prozent. Dieser Wert übertrifft jedoch deutlich die Performance des vorherigen Betreibers im Jahr 2019 von 81,3 Prozent. Pünktlich oder weniger als vier Minuten verspätet erreichten auf der Strecke im Jahresdurchschnitt 84,3 Prozent der Züge den Zielbahnhof. Generell ist die Strecke zwischen Stuttgart und Ulm besonders hoch ausgelastet und daher verspätungsanfälliger als andere Regionalverkehrsstrecken im Land. Fern-, Güter und Regionalverkehr müssen sich die Strecke teilen.

Mehr Angebot und Direktverbindungen

Mit den Umstellungen einher geht die Ausweitung des Angebots, um das gesetzte Zielkonzept 2025 des Landes Baden-Württemberg zu realisieren. Das Ziel der Landesregierung ist, den Öffentlichen Verkehr im Allgemeinen und den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) im Speziellen im Rahmen einer nachhaltigen Mobilitätsstrategie weiter zu stärken und auszubauen. Leitbild ist eine Verdoppelung der Nachfrage im öffentlichen Verkehr bis zum Jahr 2030. Hierfür wird in einer ersten Stufe landesweit ein systematischer Stundentakt zwischen 5 und 24 Uhr an allen Wochentagen eingeführt. Der SPNV soll so in allen Regionen des Landes als vollwertige Alternative zum motorisierten Individualverkehr auch in der öffentlichen Wahrnehmung etabliert werden. Zwischen den Oberzentren in den Verdichtungsräumen und den ländlichen Räumen werden Expresszüge eingesetzt. An der Nachfrage und am Potenzial orientierte, differenzierte Standardklassen geben Auskunft darüber, wann und wo der stündliche Takt beispielsweise zum Halbstundentakt verdichtet wird oder die Betriebszeiten über den Standard hinaus ausgeweitet werden.

Dies führte zum Beispiel zur Einführung des Halbstundentakts auf der Remsbahn, einer zusätzlichen Expresslinie zwischen Karlsruhe und Aalen bzw. Stuttgart und Tübingen sowie zu einer Ausweitung der Betriebszeiten. Neben den Ausweitungen des Angebotes zeigt auch die vorstehende Zwischenbilanz in Sachen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, dass der SPNV ein attraktives Verkehrsmittel und eine Alternative zum Auto ist.

Fazit

Das Angebot wurde deutlich ausgeweitet und neue Fahrzeug fahren auf den meisten Strecken des Landes. In weiten Teilen hat sich die Qualität im SPNV erheblich verbessert. Aber: Einzelne Strecken haben noch Verbesserungspotentiale, die absehbar umgesetzt werden. Beispielsweise von Stuttgart nach Tübingen werden bis Juni 2021 neue Fahrzeuge im Einsatz sein. Die Breisgau-S-Bahn wird bei inzwischen stabiler Qualität schrittweise zum Zielfahrplan gebracht. Der Minister abschließend: „Der Fokus muss nun auch auf dem Streckennetz liegen. Viele noch bestehende Probleme kommen auch aufgrund der Infrastruktur und Kapazitätsbegrenzungen. Hier ist nun der Bund und die Deutsche Bahn gefragt: investieren, ausbauen und modernisieren!“

210208 ANLAGE 1 Karte Vergleich Pünktlichkeit und Zugausfälle im SPNV

 

PM Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg

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