Was in der Evangelischen Kirche der Totensonntag ist, ist für uns Katholikinnen und Katholiken Allerseelen. Viele gehen in den letzten Tagen des Oktobers auf den Friedhof, um vor Allerheiligen und Allerseelen die Gräber vom Herbstlaub zu säubern und winterfeste Pflanzen einzusetzen. In unseren Gottesdiensten werden die Namen der Verstorbenen des vergangenen Jahres vorgelesen.
Wenn es draußen immer kälter und grauer wird und die Tage kürzer werden, werden unsere Abwehrmechanismen gegen die Trauer immer schwächer. Ist das schlimm? Trauer gehört doch zum Leben. Unsere Gesellschaft nimmt nicht mehr viel Rücksicht auf Trauernde: Zwei Tage darf man von der Arbeit fernbleiben, um die Beerdigung der nächsten Angehörigen zu organisieren, aber danach muss man in der Regel wieder funktionieren, als ob nichts gewesen wäre. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Trauern braucht Zeit und Kraft, Geduld. Wer einen lieben Menschen verloren hat, kann nicht einfach so weitermachen, als sei nichts geschehen. Trauer ist sehr viel mehr als nur traurig sein. Nicht nur die Gefühle fahren Achterbahn, auch der Körper zeigt Reaktionen: Verspannungen, Kopfweh, selbst die Verdauung kann durcheinandergeraten. Das wollen wir alles wieder in den Griff bekommen. Menschen, die trauern müssen, unendlich viel leisten. Wer schon alles gibt und einfach nicht mehr kann, den treffen dann zuweilen auch noch gut gemeinte Ratschläge wie ein Faustschlag in die Magengrube.
Und wo ist bei all dem Gott? Wie kann er all das zulassen? Wer trauert wird dünnhäutig, spürt eine Wirklichkeit, die sonst im Alltag kaum zum Tragen kommt, weil wir viel zu beschäftigt sind, um uns mit den wesentlichen Fragen auseinanderzusetzen: Woher kommen wir? Was ist der Grund und was ist das Ziel unseres Lebens?
Wer sich für diese existenziellen Fragen Zeit nimmt, Gefühle zulässt, der Trauer ein Stück weit die Führung überlässt, der bekommt Antworten auf Fragen, die er gar nicht gestellt hat. Unser Glaube kann in Zeiten der Trauer in eine Krise geraten, ja manche mögen auch an Gottes Liebe gänzlich zweifeln. Aber er kann auch aus dieser Krise gestärkt hervorgehen.
Die Kirche feiert an Allerheiligen unsere Hoffnung: Nicht nur der Sohn Gottes, Jesus Christus, ist auferstanden vom Tod, vielmehr erweckt er auch alle, die an ihn glauben zum Ewigen Leben. Das ist kein billiger Trost, sondern der Kern unseres Glaubens. Marta hat sich der Frage Jesu gestellt: „Glaubst du das?“ (Joh 11,26)
Pastoralreferentin Agnes Steinacker-Hessling, Rechberghausen/Wäschenbeuren