Unkultur des Wegschauens. Betroffen sind Opfer von Unfällen gleichermaßen wie die Opfer körperlicher Gewalt.

Verrohung und Egoismus kommen einer nicht zu leugnenden Realität sehr nahe. Ärger über  verweigerte Hilfeleistungen macht sich breit.

Von Alfred Brandner

Als   Rettungsfachkraft, als auch als Dozent in der Gewaltprävention / Notfallmedizin, habe ich in dreißig Jahren hauptberuflichem Einsatzdienst umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Es galt stets  klar zu beschreibende und verantwortungsvolle Aufgabenstellungen zu erfüllen.   Umfassende Kenntnisse und Fähigkeiten in verschiedenen medizinischen, organisatorischen, technischen und anderen Teilbereichen sind weiterhin gefordert um sich in die Materie einbringen zu können – nicht mehr im Regelrettungsdienst aber aktiv am Zeitgeschehen in der Notfallvorsorge, dem Kampfsport und spezieller   Selbstverteidigungsdisziplinen.  Kontinuierliche Aus – Fort – und Weiterbildung  sind fester Bestandteil aller Maßnahmen.

Nach wie vor aktiv im Geschehen, stelle ich an aktuellen Tagesabläufen mit Entsetzen   fest, dass Egoismus und zunehmende Verrohung einer nicht zu leugnenden Realität sehr nahe kommen. Immer weniger Menschen sind dazu bereit ihren Mitmenschen in Notlagenlagen beizustehen. Das betrifft  strafbare Handlung in Form von Körperverletzungen, aber auch die unterlassene Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen. Es scheint immer mehr Menschen zu geben, von denen man annehmen könnte, dass diese in weniger angenehmen Situationen an einem Versagen der Sinnesorgane leiden könnten.

Doch ganz so einfach lässt sich das nicht abhandeln. Das Situationsbewußtsein muss geschärft werden. Unterlassene Hilfeleistung ist ein ernstzunehmendes Fehlverhalten bzw.   eine strafbare Handlung.

Mit Bestürzung  nehme ich zur Kenntnis,   dass   regelmäßig Passanten  von  Schlägertypen ungehindert zusammengeschlagen werden und niemand sieht hin.    So z.B. an einer  belebten Bushaltestelle mitten in der Stadt- ein Jugendlicher wird mehrfach angegriffen, doch niemand leistet effektive Nothilfe.  Nur einer der vielen Menschen am Tatort  war bemüht dem Opfer   beizustehen, und forderte auch die anderen um Hilfestellung – doch das wurde bei diesem Ereignis strikt abgelehnt,   die wollten nicht mal die Polizei   rufen.

Eine 16-Jährige wird am helllichten Tag (14.30) Opfer von einem Sexualstraftäter angegangen – nur mit massivster Gegenwehr konnte sie sich befreien. Passanten (Tatzeugen) waren auch unterwegs – Nothilfe hat offensichtlich niemand geleistet.

Gleicher Monat. Und wieder ein Ort mit hohem Publikumsverkehr, der Bahnhof einer Kleinstadt – ein Mädchen wird angegangen, mehrere Passanten hielten sich im Umfeld auf, doch keiner kam der jungen Frau zur Hilfe.

Vergleichbares Fehlverhalten, durch unterlassene Hilfeleistung,  auch bei Verkehrsunfällen und medizinischen Notfällen ist längst schon Alltag.  Ein PKW  liegt auf einer viel befahrenen Landstraße verformt und zerbeult auf dem Dach. Im Fahrzeug liegend eine Frau mit stark blutenden Verletzungen – neun von zehn Autos fahren vorbei und lassen die Geschädigte allein im Unfallfahrzeug. Erst nach zehn Minuten hält ein erster Verkehrsteilnehmer an. Nicht mal einen Polizei – Notruf haben die vorbeifahrenden Hilfeverweigerer abgesetzt. So die Polizei im aktuellen Experiment in Zusammenarbeit mit einer Zeitung.

Bewusstlose Patienten auf der Straße, oder in öffentlichen Einrichtungen – doch keiner sieht hin. Es gibt gesicherte Erkenntnisse (Überwachungskamera) darüber, dass Bankkunden über einen sterbenden Menschen im Vorraum der Bank gegangen sind um ungehindert ihre Geschäfte zu tätigen.

Doch der Faktor Zeit  steht in der Notfallmedizin, aber auch bei körperlichen Übergriffen für Leben. Leben, Tod oder lebenslange Behinderung – wenige Minuten machen den Unterschied.

Effektive Maßnahmen sind gefordert – insbesondere auch von Unfall- oder Straftatzeugen, die sich seither stets hinter Ausreden verstecken konnten.

 

Wie kann man  als Tatzeuge  Nothilfe leisten

Zunächst soll erwähnt sein, dass sich niemand einer Gefährdung aussetzen muss. Die Möglichkeiten zur Hilfeleistung sind dennoch vielfältig. Die einfachste und Zeitlich dringlichste Maßnahme in Ausnahmelagen, ist das unverzügliche Absetzen eines Polizei – Notrufes.

Das ist z.B. auch aus verdeckter Position möglich,  per Mobiltelefon – sogar kostenfrei. Und das beste dabei – Jeder kann das!

Zufallspassanten die Tatzeuge werden, könnten sich, wenn es die Situation fordert, und ein sofortiges Eingreifen unabdingbar ist, nach Absprache und Risikoabwägung zusammen tun und unverzüglich Eingreifen.

Von Bediensteten von Strafvollzugsbehörden, und auch von Selbstverteidigungsexperten   die sich dazu in der Lage sehen, darf man ein unverzügliches Einschreiten erwarten.

Natürlich auch hier nach Risikoabwägung, ggf. unter Mithilfe weiterer Passanten die man sehr gezielt dazu auffordern muss.     Auch robuste körperliche  Gewalt könnte zur Rettung von Leben oder Gesundheit erforderlich werden. (§§ 32, 33 STGB Notwehr, überschreiten der Notwehr, § 34 STGB rechtfertigender Notstand)

 

Erste Hilfe durch Jedermann

Aber auch bei Verkehrsunfällen, bzw. medizinischen Notfällen ist sofortige Hilfeleistung gefordert. Auch hier ist zu beachten, dass sich niemand einer Gefährdung aussetzen muss. Schadensbegrenzung ist angesagt!

Ersthelfer, ausgestattet mit Warnwesten stellen als dringlichste Maßnahme ihr KFZ in gebührendem Abstand  zur Unfallstelle ab, und sichern diese mit   mitgeführten Warndreiecken. Dann folgt unverzüglich der  Polizei  oder Rettungsdienst – Notruf  (110 / 112)

Diese Maßnahme kann ein jeder treffen, und  man ist dazu rechtlich verpflichtet.

Aber keine Sorge – man kann nichts falsch machen. Die Einsatzsachbearbeiter auf den Leitstellen  werden gezielt den Sachverhalt erfragen.

Weitere Erste – Hilfe – Maßnahmen  durch Ersthelfer,     entsprechend den Kenntnissen und aktuellen Fähigkeiten.

Aufgeführt wurden einfache, aber dennoch effektive Maßnahmen, die Gesundheit und Leben von Opfern schützen helfen.  Ausreden zählen nicht!

 

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