Neue Motorradsaison, nicht alle können wieder dabei sein

Man sagt ja, dass die Zeit Wunden heilt. Ich weiß nicht, ob das bei anderen stimmt; ich habe die Wunden noch immer, und ich spüre sie noch immer jeden Tag. Sie schmerzen vielleicht nicht mehr 24 Stunden täglich. Aber mein Sohn ist noch immer jeden Tag tot und mein Vater hat noch immer jeden Tag keine Beine mehr.

Ich wollte ja das Motorrad hassen, so wie mein Mann es hasst. Irgendwo muss der Schmerz ja hin und ich wollte nicht die Autofahrerin hassen, die meinen Leo totgefahren hat. Ich kann Ihnen sagen: das ist schwer genug, richtig schwer. Aber ich sehe ja auch an meinem Vater, wie schnell mal ein Fehler passiert, obwohl man weiß, wie es geht und obwohl man alles richtig machen möchte. Er kann heute über seinen Unfall reden und er ist auch nicht mehr verbittert. Er weiß, dass er und nur er Schuld hatte, als er trotz Gegenverkehr überholte. Dass er dann überlebt hat, obwohl er beim Unfall beide Beine verlor, konnte er bis zum Unfall seines Enkels mit der Zeit als Glück ansehen. Er kann viele Dinge noch selber tun und für die anderen Dinge hat er ja uns. Als dann mein Sohn auch Motorrad fahren wollte, hat ihm sein Opa Paul erklärt, dass es immer darum geht, aufzupassen, vorsichtig zu fahren, selber keine Fehler zu machen. Und dann machte das junge Mädchen den Fehler und übersah ihn beim Abbiegen. Der Sachverständige sagte uns, dass mein Leo einen kleinen Fehler beim Bremsen machte und deshalb unter das Auto rutschte. Heute weiß ich, dass ein Sicherheitstraining vielleicht geholfen hätte. Und von seinem ersten Lehrlingsgehalt hatte er sich den guten Rückenprotektor gekauft. Ob er meinen Leo gerettet hätte, wissen wir natürlich nicht, denn auf der kurzen Strecke ins Freibad hatte er ihn nicht angezogen. Doch, ich bin schon verbittert, denn mein Leo wird nie mehr lebendig, egal was wir tun. Und das Mädchen, das ihn totgefahren hat, lebt. Ich habe auch nichts dagegen, dass sie lebt. Ich weiß nicht wo sie hingezogen ist, obwohl sie aus unserer Nachbarschaft stammt. Sie war seit dem Unfall nicht mehr daheim. Und ihre Eltern gehen uns seither aus dem Weg, im Dorf sieht man sie kaum noch.

Liebe Verkehrsteilnehmer,

stellvertretend für andere Opfer und Verursacher schwerer Verkehrsunfälle wollen wir mit dieser Geschichte, wie sie so ähnlich überall und jederzeit passiert, die Menschen jenseits der rein zahlenorientierten Statistik zu Wort kommen lassen. Und auch gerade den Opfern hinter den Opfern, die selbst in den Statistiken immer fehlen, den Müttern, Vätern, Kindern, Freunden und vielen mehr, soll eine Stimme gegeben werden.

Die Zeilen wurden aber auch geschrieben, in der Hoffnung, dass das Schicksal für alle, die das lesen eine andere, eine schönere Geschichte schreiben wird.

Liebe Motorradfahrer, um dem Schicksal hierfür eine Grundlage zu bieten, wird Sie die Polizei auch in der neuen Motorradsaison wieder kontrollieren. Leisten auch Sie Ihren Beitrag an Ihrer Wunschgeschichte.

Und an die Autofahrer die Bitte: denken Sie immer auch an die Motorradfahrer; rund die Hälfte aller schweren Motorradunfälle wird durch andere Verkehrsteilnehmer verursacht.

Wir wünschen den Einen und den Anderen: Kommt alle gut an.

PM

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