Notwehr bei tätlichen Übergriffen – doch die Maßnahmen der Gegenwehr müssen der Situation angemessen sein

Gewalttaten gegen Menschen, mehren sich – das ist traurige Wirklichkeit. Belästigungen, Beleidigungen bis hin zu Bedrohungen und tätlichen Angriffen sind inzwischen Teil des Alltages. Die potenziellen Tatorte finden sich auf der Straße, in Geschäften, in Wohnungen, in Arztpraxen, in Kliniken und Kneipen. Daher ist es vorteilhaft die Menschen entsprechend auszubilden und zu sensibilisieren. Sie sollten in der Lage sein, gefährliche Situationen zu erkennen und folgerichtig zu handeln.

Doch regelmäßig stelle ich mit Entsetzen fest, dass auch in der zivilen Selbstverteidigung Maßnahmen gelehrt werden, die in der Umsetzung gegen gesetzliche Grundlagen verstoßen könnten. Auch Kinder und Jugendliche übernehmen solche Vorgehensweisen, doch Brutalität sollte in der Kinder – und Jugendwelt keinen Platz finden. Ich beziehe mich auf diesen Sachverhalt, und gehe explizit auf das hochsensible Thema ein..

Rechtliche Grundlagen zur Notwehr

Wer angegriffen wird, darf sich wehren – so weit, so gut. Doch was dürfen Sie als Betroffener – und was nicht? Wie weit dürfen Sie gehen, um sich und andere vor einem tätlichen Angriff zu schützen? Und was ist der Unterschied zwischen Notwehr und Nothilfe?

Einen tätlichen Angriff auf sich selbst oder auf Kollegen abzuwenden ist erlaubt und in den §§ 32 STGB – Notwehr, 33 STGB – Notwehrüberschreitung festgeschrieben. Auch die Straffreiheit bei der Abwehr rechtswidriger Angriffe ist gesichert. Dem Gesetzestext ist sinngemäß zu entnehmen: Wer in Notwehr handelt, handelt nicht rechtswidrig und kann somit auch nicht bestraft werden – auch dann nicht, wenn der Angreifer im Rahmen der erforderlichen Notwehr Schaden erleidet.

Eine berechtigte Grundlage zur Notwehr ist ein rechtswidriger und gegenwärtiger Angriff. Unter „gegenwärtig“ ist in diesem Fall zu verstehen, dass der rechtswidrige Angriff begonnen hat, aber noch nicht beendet ist. Unbedingt zu beachten ist, dass bei den Notwehrmaßnahmen die Erforderlichkeit gewahrt sein muss: Man darf nicht überreagieren; die Mittel der Gegenwehr müssen dem Angriff angemessen sein. Natürlich muss sich der Angegriffene nicht auf Risiken einlassen, zumal entscheidende Abwehrmaßnahmen in den meisten Fällen unverzüglich und in Zeitnot erfolgen müssen. Doch man sollte einen einfachen Übergriff (Festhaltegriff am Handgelenk) von einer lebensbedrohenden Attacke (Würgen) unterscheiden können. Und nach einer gelungener Befreiung, aus einer einfachen Festhaltetechnik, bedarf es keiner Faustschläge in das Gesicht, oder gezielter Fußtritte in unterschiedliche Körperregionen,

Paragraph 32 STGB – Notwehr

  1. Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

  2. Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwenden.

(Notwehr zugunsten eines dritten wird als „Nothilfe“ bezeichnet.)

Paragraph 33 STGB – Notwehrüberschreitung

Überschreitet der in Notwehr Handelnde die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

Paragraph 34 STGB – Rechtfertigender Notstand

1Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. 2Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

Exkurs: Ist der Gebrauch von Reizstoffwaffen sinnvoll?

Vom Gebrauch von Reizstoffwaffen in Ausnahmesituationen rate ich ab, denn der Umgang mit Pfefferspray oder Reizgas muss geübt sein.

  • Pfefferspray (OC) ist nach dem Waffengesetz als Selbstverteidigungswaffe zugelassen, jedoch nur zur Tierabwehr.
  • Reizgas (CS) ist nach dem Waffengesetz zugelassen und könnte als Selbstverteidigungsmittel eingesetzt werden.

Der richtige Umgang und die richtige Anwendung von Reizstoffwaffen erfordern Erfahrung, da sonst die große Gefahr besteht, als Anwender selbst Schaden zu nehmen. Vor allem in geschlossenen Räumen ist der Einsatz von Reizstoffwaffen für Sie als Anwender gefährlich.

Bei erkennbarer akuter Gefährdungslage oder einem plötzlichen, nicht vorhersehbaren Angriff heißt es für Sie:nichts wie weg und schon frühzeitig einen Polizei-Notruf mit der gegebenen Dringlichkeit absetzen. Das ist z.B. auch aus verdeckter Position möglich. Wenn sofortiges Eingreifen unabdingbar ist, können Sie als Nothelfer – evtl. unter Einbeziehung weiterer Passanten – ein gemeinsames Einschreiten in Erwägung ziehen. Zuvor sollten Sie jedoch das Risiko abwägen und sich selbst fragen, ob Sie dazu in der Lage sind.

In einer Ausnahmesituation, in der keine Fluchtmöglichkeit besteht und Gesundheit und Leben akut bedroht sind, können Sie sich auch als ungeübter „Kämpfer“ erfolgreich wehren. Fügen Sie dem Angreifer einen sehr starken „Überraschungsschmerzreiz“ zu und stoßen Sie den Täter kräftig von sich weg. Einfache, aber effektive Abwehr- und Befreiungsmaßnahmen wie laut schreien, ausweichen, blocken, stoßen, treten, kneifen oder schlagen können Ihnen aus akuten Bedrohungslagen helfen und letztendlich die Möglichkeit zur Flucht bieten. Die Einbeziehung in ein Kampfgeschehen ist nicht vorgesehen, und auch nicht gewollt.

Anwendungstechniken aus dem Kampfsport bzw. der Selbstverteidigung, die im besten Fall regelmäßig geübt werden, können Ihnen helfen, sich im Einsatz wirkungsvoll vor Angriffen zu schützen.

Alfred Barndner

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/blaulichtreport/154714/

Schreibe einen Kommentar