Trotz der infolge der Pandemie begrenzten Vergleichbarkeit der Zahlen mit den Vorjahren wagen Polizeipräsident Bernhard Weber und Polizeidirektor Karl-Heinz Reiter eine Analyse und einen Ausblick.
Die Zahl der Verkehrsunfälle im Bereich des Polizeipräsidiums Ulm, also in den Landkreisen Alb-Donau, Biberach, Göppingen, Heidenheim und in der Stadt Ulm, sank im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr auf 20.007 (-4.087 Unfälle, -17 Prozent). Das ist der niedrigste Stand innerhalb der letzten zehn Jahre und entspricht damit in etwa dem Rückgang der Unfallzahlen, der sich im ganzen Land Baden-Württemberg eingestellt hat, wo die Zahl der Verkehrsunfälle um 18 Prozent sank. Diese Entwicklung ist nach Ansicht der Polizei insbesondere auch auf die Corona-Beschränkungen samt Lockdowns und des damit verbundenen reduzierten Verkehrsaufkommens zurückzuführen.
Auch die Zahl der Unfälle, bei denen Menschen verletzt oder getötet wurden, ging deutlich zurück. Sie sank um zehn Prozent von 2.900 auf 2.624 Unfälle (-276 Unfälle). „Aufgeschlüsselt nach der Schwere der Folgen kann man sagen: Je gravierender die Unfallfolgen, desto größer der Rückgang“, erläutert Polizeidirektor Karl-Heinz Reiter, Leiter der Schutzpolizeidirektion im Polizeipräsidium Ulm, die Entwicklung. Während die Zahl der leicht Verletzten gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent (-352) auf 2.580 zurückgegangen sei, sei die Zahl der schwer Verletzten sogar um 15 Prozent (-134) auf 786 gesunken. Bei den bei Verkehrsunfällen Getöteten verzeichnet die Unfallstatistik gar einen Rückgang um 13 auf nunmehr 28 Unfalltote (-31 Prozent).
„Das Polizeipräsidium Ulm hatte sich in den vergangenen Jahren insbesondere auf die Bekämpfung schwerer Verkehrsunfälle konzentriert. Das Ergebnis lässt, bei allen Unsicherheiten angesichts der Corona-Pandemie, annehmen, dass wir mit unseren Maßnahmen richtigliegen“, so Reiter weiter. Gerade zu schnelles Fahren sei eine Ursache schwerer Verkehrsunfälle. Deshalb führe die Polizei ständig Geschwindigkeitskontrollen durch. 79.633 Verstöße wegen zu schnellen Fahrens musste die Polizei im Jahr 2020 beanstanden. Das sind zwar fünf Prozent weniger als noch im Vorjahr, jedoch habe sich gerade die Zahl der gravierenden Verstöße deutlich erhöht: Die Zahl der Fahrer, die mehr als 40 km/h zu schnell fuhren, stieg um 890 auf 2.438 (+57 Prozent), die Zahl der aufgrund von Geschwindigkeitsüberschreitungen drohenden Fahrverbote sogar um 1.077 auf 2.794 (+63 Prozent). Nahezu unverändert sei die Zahl der festgestellten Geschwindigkeitsverstöße bei Fahrern, die 21 bis 40 km/h zu schnell fuhren: Davon stellte die Polizei 20.266 Fahrer (-194, -1 Prozent).
Dass trotzdem die Zahl der Unfälle, die auf zu schnelles Fahren zurückzuführen sind, als einzige Unfallursache nicht zurückgegangen ist (866 Unfälle, +1) erklärt die Polizei damit, dass darunter nicht nur das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zähle, sondern auch die an die Situation und den Ort nicht angepasste Geschwindigkeit. „Wer bei entsprechenden Verhältnissen mit 50 Sachen aus der Kurve fliegt, ist eben auch zu schnell, egal wie viel erlaubt war“, erläutert Reiter. Solche Ursachen ließen sich nur schwer mit Kontrollen bekämpfen. Hier setze die Polizei auf die Auswertung der Statistik und die Beratung der Straßenverkehrsbehörden. Dazu würden Experten der Polizei jeden gravierenden Unfall genauer analysieren. Damit seien Unfallbrennpunkte schnell zu erkennen.
Neben der ohnehin ständigen Übermittlung der Unfallzahlen an die zuständigen Behörden nimmt die Polizei, wenn ein solcher Brennpunkt erkannt ist, gezielt Kontakt mit der zuständigen Straßenverkehrsbehörde auf, informiert und berät sie, um Gefahrenstellen etwa durch Verkehrszeichen bis hin zu einem Umbau der ganzen Stelle beseitigen zu können. In zehn Prozent der Verkehrsunfälle sei die Ursache auf die Geschwindigkeit zurückzuführen. Das klinge zunächst wenig. Doch stecke hinter dem zu schnellen Fahren immer auch Eile. Und die bilde sich auch in anderen Unfallursachen wie Missachten der Vorfahrt (18 Prozent), Fehler beim Abbiegen (fünf Prozent) und falsches Überholen (vier Prozent) ab. Zusammen genommen mache damit Eile die Ursache von mehr als einem Drittel (37 Prozent) der Unfälle aus. Ein Grund mehr für die Polizei zur Überwachung. Eine weitere Hauptursache seien Fehler beim Wenden und Rückwärtsfahren, die 19 Prozent der Ursachen setzen. „Gerade beim Rückwärtsfahren ist es wichtig, sich nicht vollständig auf die Technik im Fahrzeug zu verlassen. Rückfahrkamera und Sensoren nehmen dem Fahrer viel ab, sie ersetzen aber nicht den Blick nach hinten“, rät Reiter. „Von einem aber sind wir überzeugt: Wir sind mit unseren Kolleginnen und Kollegen an den richtigen Stellen unterwegs, um die Geschwindigkeiten zu kontrollieren“, bekräftigt Karl-Heinz Reiter.
Das sei gerade im vergangenen Jahr wichtig gewesen, als die Möglichkeiten der Polizei, Verkehrskontrollen durchzuführen, durch zusätzliche Aufgaben wie die Kontrolle der Einhaltung der Corona-Verordnungen eingeschränkt waren. Dass die Polizei dies dennoch effizient bewältigen könne, zeigten die Ergebnisse der Verkehrsüberwachung: Etwa ein Fünftel weniger Zeit konnte die Polizei für Gurtkontrollen aufwenden, dennoch sei die Zahl der festgestellten Verstöße nur leicht zurückgegangen: 8.941 Insassen ohne Gurt stellte die Polizei, vier Prozent weniger (-354) als im Jahr zuvor. Erschreckend sei aber vor allem, dass die Polizei in 408 Fällen die Fahrer anzeigen musste, weil Kinder nicht ordnungsgemäß gesichert waren. Erfreulich sei in diesem Zusammenhang, dass die Zahl der Schulweg-Unfälle sich nahezu halbierte (-18 auf 22 Unfälle, -45 Prozent). „Die Polizei hat das ganze Jahr über, insbesondere aber zum Beginn des Schuljahres, Kontrollen auf den Schulwegen und im Umfeld von Schulen durchgeführt“, erläuterte Polizeipräsident Bernhard Weber, und weiter: „Denn die Sicherheit der Kinder liegt uns in besonderem Maß am Herzen. Gerade sie sind auf den Schutz durch Eltern und Dritte, auch durch die Polizei, angewiesen.“ Die Zahl, der Menschen, die bei Unfällen Gurt und Helm nicht trugen und schwer verunglückten sank von 45 auf 25 (-20 Verunglückte, -44 Prozent). Zwar stellte die Polizei im Jahr 2020 weniger Handyverstöße fest, dennoch sei ihre Zahl mit 6.582 immer noch auf einem sehr hohen Niveau (-264, -vier Prozent) und auf dem zweithöchsten Stand der letzten fünf Jahre. Wer beim Fahren das Handy nutzt, sei zu sehr vom Verkehrsgeschehen abgelenkt. Selbst bei einem Blick von wenigen Sekunden auf das Handy ergäben sich lange Strecken, die im Blindflug gefahren würden. Die Folge können schwerste Unfälle sein, so die Polizei.
Einen weiteren Schwerpunkt ihrer Arbeit erkenne die Polizei weiterhin in den Alkohol- und Drogenkontrollen. Im Jahr 2020 registrierte die Unfallstatistik 358 Unfälle (-47, -12 Prozent), die auf Alkoholeinfluss zurückzuführen gewesen seien und 54 Unfälle (-12, -18 Prozent) durch Fahrer im Drogenrausch. Daneben habe die Polizei 1.203 Fahrer unter Alkoholeinfluss (-196, -14 Prozent) und 749 Fahrer unter Drogeneinfluss (+35, +5 Prozent) aus dem Verkehr gezogen und angezeigt. „Das Polizeipräsidium Ulm hat in der Rauschgiftbekämpfung richtigerweise einen Schwerpunkt gesetzt. Mehr Kontrollen haben wir angekündigt und durchgeführt. Dazu haben wir unsere Kolleginnen und Kollegen intensiv geschult, um Drogeneinfluss besser erkennen zu können. Das zeigt sich jetzt auch in den Zahlen zur Verkehrsüberwachung“, erläutert Polizeipräsident Bernhard Weber. Ein ähnlicher Trend sei auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik erkennbar, die in Kürze vorgestellt werde. Durch einen erhöhten Personaleinsatz zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität konnte auch hier das so genannte Dunkelfeld aufgehellt werden. Mit diesem Bündel an Maßnahmen werde auch die Zielgruppe „Junge Fahrer“ (Fahranfänger und Fahrer bis 24 Jahre) besonders berücksichtigt. Gerade dort bestehe eine deutlich höhere Unfallgefahr, weil oft mehrere Faktoren wie z.B. riskantes Fahren, Imponieren und Ablenkung zusammenkommen, weiß Karl-Heinz Reiter. Die Zahl der Jungen Fahrer, die an Unfällen beteiligt sind, geht seit Jahren nahezu stetig zurück. Auch 2020 sank ihre Zahl als Verursacher von Unfällen, analog der Gesamtzahl der Unfälle, um 18 Prozent (-224 auf 1.011 Unfälle). Die Zahl der von ihnen verursachten Unfälle mit Personenschaden sank ebenfalls, wenn auch nur um 13 Prozent (-71 auf 476 Unfälle). Der Anteil der von Jungen Fahrern verursachten Unfälle mit Personenschaden sank seit 2011 von 23 auf jetzt 18 Prozent. Trotz dieser positiven Entwicklung bleibe die Zielgruppe der Jungen Fahrer im Blick der polizeilichen Prävention.
Ein weiterer Trend des vergangenen Jahres lasse sich eindeutig aus der Unfallstatistik herauslesen: Die Menschen seien zu Zeiten der Pandemie verstärkt individuell an der frischen Luft als Fußgänger und Radfahrer unterwegs gewesen. Die Zahl der Unfälle mit Fußgängern sei lediglich um etwa fünf Prozent (-12) auf 236 Unfälle zurückgegangen. Die Zahl der Unfälle mit Radfahrern blieb mit 617 (-3) nahezu unverändert. Dagegen schnellte die Zahl der Unfälle unter Beteiligung von Pedelec-Fahrer auf das Eineinhalbfache im Vergleich zum Vorjahr von 165 auf 239 Unfälle (+74 Unfälle, +45 Prozent). Zwei Drittel dieser Unfälle verursachten die Pedelec-Fahrer selbst (162 Unfälle, 68 Prozent), in der Hälfte der Unfälle waren sie allein beteiligt (118 Unfälle, 49 Prozent). Viele Unfälle seien auf eine ungeübte Handhabung der Fahrzeuge zurückzuführen. Die Polizei empfiehlt deshalb dringend Radfahrtrainings, die von verschiedenen Sicherheitspartnern angeboten werden. Die Entwicklung bei Verkehrsunfällen unter Beteiligung von Pedelec-Fahrern bereite der Polizei Sorgen. Diese Unfälle stiegen im Zehn-Jahres-Zeitraum von vier Unfälle auf jetzt 239 an. Ob dies den Anteil der elektrobetriebenen Zweiräder im Verkehr widerspiegele, lasse sich in den Zahlen der Polizei nicht erkennen. Deutlich sei aber, dass die Zahl der Unfälle mit Pedelec-Fahrern stark zunehme, während die Zahl der Unfälle mit Radlern sich nicht nennenswert ändere. Hier erkenne die Polizei einen Handlungsschwerpunkt, der künftig auf verschiedenen Ebenen angegangen werden müsse. Die Polizei werde ihre Möglichkeiten dazu ausschöpfen, etwa durch mehr Kontrollen in diesem Sektor. Ebenfalls in der Unfallstatistik angekommen seien die Elektrokleinstfahrzeuge (eKF), also die akkubetriebenen Roller, Segways und ähnliche Fahrzeuge. 17 Unfälle mit diesen Fahrzeugen registrierte die Polizei 2020, von denen 16 (94 Prozent) zu Verletzungen führten. 14 Personen erlitten leichte, vier Personen schwere Verletzungen. Zum Glück verlor niemand sein Leben bei diesen Unfällen. Auffällig ist, dass 15 der Unfälle von den eKF-Nutzenden selbst verursacht wurden (88 Prozent). Die Statistik zeige auch, dass nicht nur junge Menschen betroffen seien, so die Polizei weiter. Neben acht Verursachern bis 24 Jahren (darunter ein Kind) seien 15 Unfälle durch ältere Nutzer, darunter ein Senior über 65, verursacht worden. Insgesamt sei es richtig, dass auch diese eKF versichert werden müssen. Jedoch dürfen sie von jedem, der 14 Jahre alt ist, gefahren werden. Freilich ist die maximal zulässige Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf 20 km/h beschränkt und sie müssen im Verkehr wie Fahrräder genutzt werden: also auf Radwegen und Radfahrstreifen, ansonsten auf der Fahrbahn. Gehwege und Fußgängerzonen sind grundsätzlich tabu.
Einen erfreulichen Rückgang registrierte die Polizei bei den Unfällen mit Motorradfahrern, deren Zahl um 51 auf 489 zurückging (-9 Prozent).
Die Einschränkungen im Reiseverkehr machen sich in besonderem Maß auf den Autobahnen bemerkbar. Auf den Abschnitten der A7 und der A8, für die das Polizeipräsidium Ulm zuständig ist, sank die Zahl der Verkehrsunfälle um ein Drittel auf 1.145 Unfälle (-568, -33 Prozent). Der überdurchschnittliche Rückgang betreffe insbesondere die Unfälle mit Sachschaden, die um 34 Prozent auf 1.023 Unfälle zurückgingen (-518 Unfälle). Weniger stark, aber doch überdurchschnittlich war der Rückgang der Unfälle mit Personenschaden. Deren Zahl sank von 172 auf 122 (-50 Unfälle, -29 Prozent). Hauptursachen der Unfälle auf Autobahnen seien zu schnelles Fahren und ungenügender Sicherheitsabstand.
„Die Corona-Pandemie ist auch in der Unfallstatistik angekommen“, resümiert Polizeipräsident Bernhard Weber. „Die Polizei sei sich im Klaren, dass sich die letztjährigen Unfallzahlen nur begrenzt mit den Zahlen aus den Vorjahren vergleichen ließen. Gleichwohl ließen sie erkennen, dass die Polizei zusammen mit den anderen Behörden und Einrichtungen weiter daran arbeiten müsse, die Gefahren im Straßenverkehr zu reduzieren. „Wir werden deshalb unsere Kontrollen und unsere Präventionsmaßnahmen intensiv fortsetzen“, bekräftigt Weber.
Info: Das Polizeipräsidium Ulm ist eines von 13 Regionalpräsidien der Polizei des Landes Baden-Württemberg. Seine 1.700 Beschäftigen sorgen in den Landkreisen Alb-Donau, Biberach, Göppingen, Heidenheim und in der Stadt Ulm rund um die Uhr für die Sicherheit von rund 916.000 Einwohnern. Zur Schutzpolizeidirektion gehören unter anderem die zwölf Polizeireviere mit 31 Polizeiposten auf einer Fläche von rund 4.156 Quadratkilometern, ebenso die Verkehrspolizeiinspektion in Heidenheim mit Verkehrsdiensten in Heidenheim, Mühlhausen im Täle und Laupheim. Gewerbe- und Umweltermittler der Polizei sind von Ulm, Biberach und Geislingen aus tätig. Polizeireviere und -posten sind ebenso wie die Verkehrspolizei für die Unfallaufnahme und die Verkehrsüberwachung zuständig und sorgen so für die Sicherheit der Menschen auch auf den Straßen in der Region.
PM Polizeipräsidium Ulm