Auch in schwierigen Lebenslagen psychisch stabil zu bleiben, kann man lernen. Wie, das ließen sich Geschäftsführer, Personalchefs und Betriebsräte nun im Quadrium in Wernau von der Diplom-Psychologin Lisa Lyssenko (Foto) und von Dr. Michael Fritzsch vom Christophsbad in Göppingen erläutern. Eingeladen zu dem Symposium hatte die AOK Neckar-Fils.
Psychische Erkrankungen nehmen stetig zu – auch weil die Arbeitswelt sich in den vergangenen 15 Jahren massiv verändert hat, so Lyssenko. Beschleunigung, Informationsflut, Zunahme der Kopfarbeit, Arbeitsverdichtung – all das spiele ebenso wie beispielsweise die ständige Erreichbarkeit im Privaten eine Rolle. „Arbeit an sich macht überhaupt nicht krank“, unterstrich Lyssenko. Aber teilweise müsse gelernt werden, mit den neuen Gegebenheiten richtig umzugehen um nicht unterzugehen. Die Resilienzforschung habe herausgefunden, dass es Schutzfaktoren für die psychische Gesundheit gibt. Dazu zählen unter anderem die Fähigkeit, von sich selbst Abstand und über sich nachdenken zu können, ein wohlwollender Umgang mit sich selbst, Sinnerfülltheit und – besonders wichtig – die soziale Verbundenheit.
Um im betrieblichen Alltag seine innere Balance zu festigen, könne der Einzelne bestimmte Übungen zur Erhöhung der Achtsamkeit lernen, führte Lyssenko aus. In den AOK-Präventionskursen „Lebe Balance“, die nun auch für Betriebe angeboten werden, bespreche man in kleinen Gruppen und unter Anleitung, welche Werte der Einzelne schätzt, wie man mit sich selbst umgeht und wie die neuen Erkenntnisse in den Arbeitsalltag eingebracht werden können. Lyssenko: „Verhaltensänderungen zu lernen ist schwierig. Reine Willenskraft reicht häufig nicht. Das muss man üben und das lernt man in den Lebe-Balance-Kursen.“
Wie wichtig es ist, die psychische Gesundheit zu stärken, machte Fritzsch deutlich, indem er einige Burnout-Symptome aufführte. Gleichgültigkeit, Zynismus, Reizbarkeit, Anspannung, Sinnentleerung, Hyperaktivität, gedrückte Stimmung, Schuldgefühle, soziale Isolation – die Liste ist lang und nicht eindeutig, denn jeder Betroffene regiere anders auf das „Ausgebranntsein“. Zu den Faktoren, die zu einem Burnout führen können, zählen unter anderem das Gefühl von großer Abhängigkeit, unsichere Berufsaussichten, niedrige Entlohnung, wenig Kreativität, fehlende Anerkennung. Zur Vorbeugung rät Fritzsch Führungskräften, regelmäßig Mitarbeitergespräche zu führen, um Respekt zu zeigen. Zudem sollten betriebliche Abläufen transparent und nachvollziehbar und das Lohnsystem angemessen sein. Fritzsch: „Kurz: Fairness, Respekt und Gerechtigkeit.“
Es sei schwierig, die Symptome an sich selbst zu erkennen. Oft geschehe das erst dann, wenn der Betroffene schon tief in der Krise steckt. Hilfe bekomme man beim Psychotherapeuten, in Unfallambulanzen und – falls notwendig – im Rahmen einer stationären Therapie, so Fritzsch. Besser aber sei es natürlich, rechtzeitig die Bremse einzulegen. Dazu gehöre auch, einen Tag in der Woche ohne Arbeit zu verbringen. Fritzsch grinsend: „Können natürlich auch mehr sein.“
Der Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils Johannes Bauernfeind ermunterte die Gäste, in ihren Betrieben das Thema psychische Gesundheit und Vorbeugung stärker zu beachten. „Um Rückenbeschwerden zu vermeiden, werden in vielen Betrieben schon Rückenkurse angeboten. Dass man auch psychischen Leiden vorbeugen kann, hat sich noch nicht so herumgesprochen.“
Datengrundlage sind knapp 210.000 Versicherte im Landkreis und damit 40 Prozent der Bevölkerung. „Im Landkreis Esslingen wurden im vorigen Jahr etwa 11.400 Versicherte wegen Heuschnupfen behandelt“, sagt Johannes Bauernfeind, Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils.
PM