Landeskrankenhauskonferenz von ver.di und BIV lehnt Einrichtung einer Pflegekammer ab

Eine von ver.di und BIV, dem Zusammenschluss der Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen in den Krankenhäusern Baden-Württembergs, gemeinsam durchgeführte Landeskrankenhauskonferenz hat heute in Stuttgart eine Resolution verabschiedet, in der Grüne und CDU aufgefordert werden, den Passus zur Einrichtung einer Pflegekammer im Koalitionsvertrag noch zu streichen.

Folgend die Resolution im Wortlaut:

Resolution der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Landeskrankenhauskonferenz Baden-Württemberg vom 3. Mai 2016

An die Landesvorstände der Partei Bündnis 90/ Die Grünen und der CDU Baden-Württemberg

Im aktuellen Entwurf Ihres Koalitionsvertrags auf den Seiten 87/88 steht folgendes zum Thema Pflegekammer:

„Wir werden in enger Zusammenarbeit mit den Pflegeverbänden in Baden-Württemberg eine repräsentative Umfrage auf den Weg bringen. Wenn sich die Mehrheit der Pflegekräfte, der im Landespflegerat organisierten Berufsverbände und der in der Liga vertretenen Verbände der Wohlfahrtspflege für die Einrichtung einer Pflegekammer aussprechen, werden wir die Gründung initiieren.“

Wir, 82 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der heutigen Landeskrankenhauskonferenz Vertreterinnen und Vertreter der Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen in den Krankenhäusern Baden-Württembergs, fordern Sie auf, diesen Passus aus dem Koalitionsvertrag zu streichen.

Die Aufgaben und Kompetenzen einer Pflegekammer sind nicht geeignet, die Situation der Pflegenden zu verbessern. Bei Problemen in der pflegerischen Versorgung steht in der Regel nicht das persönliche Verhalten der abhängig beschäftigten Pflegekraft im Vordergrund. Es sind die Rahmenbedingungen, die diese Probleme erzeugen, insbesondere eine fehlende verbindliche Personalbemessung und der zu geringe Einsatz qualifizierter Pflegekräfte in den stationären Pflegeeinrichtungen, den ambulanten Diensten und den Krankenhäusern. Darauf hat die Pflegekammer weder über eine Berufsordnung noch über eine eigene Berufsgerichtsbarkeit Einfluss.

Die Pflegekräfte können die Verhältnisse, die zu ihren Problemen führen, auch mit einer Pflegekammer nicht selbst verändern, sondern sind von durchdachten politischen Entscheidungen abhängig. Eine Kammeraufsicht macht zudem keinen Sinn, da kaum eine Pflegekraft selbstständig tätig ist.

Wir fordern Sie daher auf, die Pflegekräfte nicht ohne einen  erkennbaren Nutzen zwangsweise in eine staatliche eingesetzte Institution zu zwingen. Für die Wahrnehmung der Interessen von abhängig Beschäftigten sieht unsere Verfassung die Bildung von Koalitionen vor, in denen die Mitgliedschaft immer freiwillig sein muss.

Wir bitten Sie, verantwortungsvoll mit der Entscheidung zur Bildung von Zwangsorganisationen umzugehen, für die es in einem demokratischen Rechtstaat besondere Gründe geben muss. Diese liegen bei den Pflegeberufen nicht vor.

Wir fordern Sie auf, die Erfahrungen, die das Land Rheinland-Pfalz mit einer Pflegekammer macht, zumindest abzuwarten und auszuwerten, bevor auch in Baden-Württemberg Fakten geschaffen werden.

Auffällig bei dem oben zitierten Ausschnitt aus dem Koalitionsvertrag ist, dass die der Pflegekammer kritisch gegenüberstehenden Verbände wie z.B. die Gewerkschaft ver.di, die Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) und der Bundesverband privater Anbieter (bpa) bei der Entscheidungsfindung von vorne herein keine Rolle mehr spielen sollen. Die Pflegeverbände des Landespflegerats organisieren nur eine sehr kleine Anzahl von Pflegekräften in Baden-Württemberg (deutlich unter 5 %). Die Gewerkschaft ver.di dagegen organsiert ein Mehrfaches an Pflegekräften.

Aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahlen haben die Pflegeverbände des Landespflegerats nicht das Mandat für die Pflegekräfte in Baden-Württemberg zu sprechen. Offensichtlich wollen sie sich dieses Mandat mithilfe des Gesetzgebers über das Instrument einer Pflegekammer verschaffen. Pflegende brauchen keine Bevormundung durch autoritäre Strukturen sondern ausreichende Ressourcen für eine gute Arbeit.

Stuttgart, den 3. Mai 2016    Angenommen mit 81 Ja Stimmen und einer Enthaltung

PM

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