ver.di Baden-Württemberg begrüßt, dass das Land nun doch deutlich mehr Geld in die Hand nehmen will, um die Kommunen bei der Umsetzung des Ganztags zu unterstützen. Die Gewerkschaft hatte Kultusministerin Theresa Schopper in einem Schreiben zum Schulstart bereits letzte Woche aufgefordert, den Weg für verbindliche Qualitätsstandards der unterrichtsergänzenden Angebote an den Grundschulen im Land durch eine Verordnung analog zur Kita-VO BW freizumachen.
Hanna Binder, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin: „Jetzt, wo die Finanzierung geklärt ist, muss es dringend um die inhaltliche Ausgestaltung gehen. Während in den Kitas bei den Standards für frühkindliche Bildung die Rolle rückwärts bereits eingeleitet wurde, droht im Ganztag für die sechs bis zehn-Jährigen ein kompletter Wildwuchs zum Start des Rechtsanspruches 2026. Damit wird die Bildung unserer Kinder bis zum Beginn der weiterführenden Schule in Baden-Württemberg von den zufälligen politischen und finanziellen Bedingungen in der jeweiligen Wohnort-Kommune abhängen. Es braucht jetzt klare und verbindliche Vorgaben für Mindeststandards bei den unterrichtsergänzenden Angeboten. Unsere Kolleg:innen leisten jeden Tag Großes, um dem Bildungsanspruch in den Kitas und Grundschulen im Land gerecht zu werden. Lassen wir sie und die Kinder und Eltern nicht allein.“
Grund für die massiven Sorgen der Beschäftigten ist, dass es im Bereich der Schulkindbetreuung an den über zwei Dritteln der Grundschulen im Land, die nicht unter § 4a des Schulgesetzes Baden-Württemberg fallen, nach wie vor eine große Unübersichtlichkeit der unterrichtsergänzenden Angebote sowie fehlende Standards gibt. Die Kommunen als Schulträger sind in der Umsetzung größtenteils sich selbst überlassen und finden unterschiedlich gute Lösungen für den anstehenden Rechtsanspruch auf den Ganztag an Schulen. Dabei sind sie neben den freien Trägern oft auch Anbieter von Betreuungsangeboten und gestalten diese sehr heterogen aus.
Binder: „Hier lediglich die Aufsicht auf die Schule zu verlagern, löst den aktuell stattfindenden Bruch im Bildungsangebot für die Kinder leider nicht auf.“
Diese Verlagerung entlastet ausschließlich die kommunalen und freien Träger der Schulkindbetreuung von Rahmenvorgaben bezüglich Qualität und Fachpersonal. Das Ganze geschieht maßgeblich vor dem Hintergrund des anstehenden Rechtsanspruchs auf den Ganztag an den Schulen und sichert letzten Endes lediglich die Kindeswohlgefährdung minimalistisch ab.
„Um eine gute Unterstützung der Kinder auf ihrem Bildungsweg geht es offensichtlich bei der derzeit geplanten Umsetzung des Ganztags nicht“, so Binder weiter.
Sabine Leber-Hoischen, Vorsitzende des Landesfachgruppenvorstands Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit bei ver.di Baden-Württemberg: „Wir fordern Ministerin Schopper auf: lassen Sie uns an den bewährten und notwendigen qualitativen Rahmenvorgaben für die Kitas im Land unbedingt festhalten und neue Fachkräfte für dieses schöne Arbeitsfeld gewinnen. Das bereits vorhandene Personal, das tagtäglich sein Bestes gibt, gilt es mit guten Arbeitsbedingungen zu halten. Die neuesten Ergebnisse zum Krankenstand bei Kita-Personal sprechen leider Bände. Und: Bereiten Sie den Weg für verbindliche Qualitätsstandards der unterrichtsergänzenden Angebote an den Grundschulen im Land. Es muss eine Verordnung analog zur Kita-VO BW auf den Weg gebracht werden, bevor der Rechtsanspruch an Schulen in Kraft tritt. Beste Bildung ist auch in der Schulkindbetreuung wichtig und grundlegend für die Zukunft unserer Gesellschaft.“
Hintergrund: In Baden-Württemberg gibt es für den Kita-Bereich eine Mindestpersonalverordnung ergänzend zum Kita-Gesetz Baden-Württemberg, die die Personalbemessung regelt und das KitaG BW definiert ein Fachkraftgebot. Beides wurde durch die sogenannte Experimentierklausel bereits aufgeweicht. Diese muss aus ver.di Sicht wieder beendet werden. Analog dazu braucht es eine verbindliche Vorgabe auch für die Schulkindbetreuung an den Grundschulen im Land. Die ledigliche Absichtserklärung eines sogenannten Qualitätsrahmens Betreuung Baden-Württemberg wird dem Anspruch an hochwertige non-formale Bildung der Betreuungsangebote in der tatsächlichen Ausgestaltung nicht gerecht. Weiter braucht es Antworten auf die Regelungen während der Ferienzeiten und verbindliche Konzepte zur Verzahnung mit der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die einen wesentlichen Beitrag zur non-formalen Bildung in Ergänzung zum Unterricht an den Schulen leistet. Außerdem muss die Schulkindbetreuung eine betriebserlaubnispflichtige Einrichtungsform werden, um eine durchgängige Bildungsangebotsstruktur zu gewährleisten. Bei fehlenden Vorgaben droht hier auch das Kindeswohl gefährdet zu werden, wenn Beliebigkeit in Aussicht steht. Ziel muss eine tatsächlich hohe Qualität der Angebote sein. Dazu gehören ein Fachkraftgebot und verbindliche Fachkraft-Kind-Schlüssel sowie Mindestvorgaben für die räumliche Gestaltung. In der Betreuung eingesetzte Fachkräfte müssen mit einer Qualifizierungszusage ausgestattet werden, so dass sie perspektivisch das Ausbildungsniveau einer Fachkraft in Theorie und Praxis erreichen. Hierfür braucht es auch entsprechende Kapazitäten für die Anleitung durch Fachkräfte der sich in Ausbildung befindlichen Personen. ver.di Positionen für einen guten Ganztag: https://oeffentliche-private-dienste.verdi.de/mein-arbeitsplatz/bildung-und-erziehung/++co++0d055af6-609b-11ef-87c1-b9a16dd4c85a
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg