Die gute Nachricht: Bei den IHK-Ausbildungsverträgen in Baden-Württemberg gibt es einen Aufwärtstrend. Im Jahr 2024 sind bisher mehr Ausbildungsverträge im IHK-Bereich abgeschlossen worden als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge stieg im Vergleich zum Vorjahresmonat im Juli von 28.340 (Stand 31.07.2023) auf 29.131 (Stand 31.07.2024) an.
„Wir freuen uns über die stabilen Zahlen und den Anstieg an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Es ist wichtig, dass junge Menschen eine Ausbildung als attraktive Option wahrnehmen. Denn eine duale Ausbildung bietet vielfältige Karrieremöglichkeiten,“ sagt Claus Paal, Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK). Um mehr junge Leute mit diesen Möglichkeiten bekannt zu machen, fordern die Kammern im Zuge der Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums, ein weiteres verbindliches Praktikum in einem Ausbildungsberuf einzuführen.
Zu viele Ausbildungsstellen unbesetzt
Eine aktuelle Umfrage des BWIHK zeigt, dass 48 Prozent der befragten Betriebe nicht alle Ausbildungsstellen besetzen konnten. Besonders angespannt ist die Lage im Bereich Verkehr, Transport und Logistik und im Gastgewerbe. Hier konnten fast 57 bzw. 55 Prozent der Betriebe nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Für Schulabgängerinnen und -abgänger bedeutet dies allerdings, dass für das Ausbildungsjahr 2024 noch in vielen Branchen und Berufen Lehrstellen zu bekommen sind. Das heißt für Paal: Jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken, wenn man noch nicht weiß, wie es nach der Schule weitergehen soll. „Wir haben uns von einem Arbeitgebermarkt zu einem Bewerbermarkt entwickelt. Der Ausbildungsmarkt lässt momentan viele Möglichkeiten zu. Ich kann den jungen Menschen nur raten, dass sie die Ferien nutzen und sich noch um eine Ausbildungsstelle für den Herbst oder schon für nächstes Jahr bemühen. Die Wirtschaftsunternehmen in Baden-Württemberg suchen händeringend nach motivierten Nachwuchskräften,“ so Paal.
Forderung nach zweitem verbindlichem Praktikum
„Die duale Ausbildung ist ein wichtiger Bestandteil unserer Bildungslandschaft und muss als ansprechend wahrgenommen werden. Durch Praktika können Schülerinnen und Schüler Erfahrungen sammeln und ihre Interessen und Fähigkeiten entdecken“, sagt Claus Paal. Die IHKs in Baden-Württemberg fordern nun, dass im Zuge der Wiedereinführung von G9 in der 11. Klasse ein verbindliches Wochenpraktikum in einem Ausbildungsberuf eingeführt wird. Nur so könnten Schülerinnen und Schüler der Gymnasien oder weiterführenden Schulen frühzeitig Einblicke in verschiedene Berufsfelder erhalten und ihre Berufswahl besser treffen, die nicht zwangsläufig aufgrund des Abiturs in ein Studium münden müssen.
Landesregierung muss Schulqualität in den Fokus nehmen
„Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) über den Lernstand der Fünftklässler sind ein erneuter deutlicher Warnschuss, dass der primäre Fokus in den kommenden Jahren auf der Schulqualität liegen muss“ appelliert Claus Paal. Nur durch gute pädagogische Konzepte, mit denen sichergestellt werde, dass die jungen Menschen fundiert rechnen, schreiben und lesen können, wenn sie die Schule verlassen, sei es auch in der Zukunft möglich, den Bildungsstand zu halten, der für die Weiterentwicklung unserer regionalen Wirtschaft dringend notwendig sei.
Nach Ansicht des Berufsschullehrerverbands Baden-Württemberg (BVL) müssen berufliche Schulen allzu oft reparieren, was vorher verpasst wurde. Lehrkräfte und Schulleitungen sehen sich mit einer zunehmend heterogenen Schülerschaft, einem hohen Bürokratieaufwand und zu geringer Unterstützung im sozialpädagogischen Bereich konfrontiert. „Hier fordere ich dringend mehr Unterstützung, ansonsten steigt die Zahl derer, die ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung dastehen, auf immer neue Rekorde,“ stellt Thomas Speck, Vorsitzender des BLV, fest. „Gerade für eine bessere Berufsorientierung braucht es verbindliche Kooperationen von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen mit angepassten Bildungsplänen und der erforderlichen Zeitressource für die pädagogische Zusammenarbeit. Dies würde den gesellschaftlichen Stellenwert der beruflichen Bildung stärken und den jungen Menschen mehr Einblick in ihre zukünftige Lebens- und Arbeitswelt ermöglichen. Unabhängig davon, ob sie sich nach der Schule für ein Studium oder eine Ausbildung entscheiden.“
Weitere Informationen:
Die beruflichen Schulen in Baden-Württemberg unterrichten im laufenden Schuljahr landesweit rund 322.000 Schülerinnen und Schüler. Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg e. V. (Berufsschullehrerverband) vertritt in Baden-Württemberg mehr als 10.000 Lehrerinnen und Lehrer und hat im Bereich der beruflichen Schulen in allen Personalvertretungen auf Regierungspräsidiumsebene sowie im Kultusministerium die Mehrheit.
PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag