Betriebsbesuch von Daniel Terzenbach in Göppingen: Wer eine Ausbildung im Handwerk macht, kann die Transformation aktiv mitgestalten

• IAB: Überproportionale Ausbildungsleistung der Transformationsberufe, zu denen auch die Handwerksberufe zählen.
• Terzenbach: „Das Handwerk macht jungen Menschen viele Angebote.“
• Rund 35.000 unbesetzte Ausbildungsstellen in Baden-Württemberg; wer einen Ausbildungsplatz im Land sucht, hat sehr gute Chancen.

Die Jugendarbeitslosigkeit in der Eurozone stagniert im Mai 2024 bei rund 14,2 Prozent. Spanien verzeichnet mit rund 26,6 Prozent die höchste Jugendarbeitslosenquote in der Europäischen Union (EU-27). Im Durchschnitt sind in der Europäischen Union (EU-27) rund 14,4 Prozent der arbeitswilligen Jugendlichen im Mai 2024 arbeitslos gewesen. Die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der EU verzeichnet im Mai 2024 Deutschland mit rund sechs Prozent.

In Deutschland gibt es für Jugendliche mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. Jugendarbeitslosigkeit ist hier ein eher kleines Thema, wenngleich, die Ausbildungsföhigkeit der Schulangänger lässt oft zu wünschen übrig, und bei vielen Migranten die Sprachkenntnisse.

Daniel Terzenbach, Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit und Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, besuchte den Ausbildungsbetrieb Häfele Haustechnik GmbH in Göppingen, um sich über die Nachwuchssicherung im Handwerk und die Transformationsleistung des inhabergeführten Familienbetriebs auszutauschen.

Daniel Terzenbach erklärt: „Auch der Ausbildungsmarkt befindet sich in einer Transformation. Wir laufen vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung immer stärker auf einen Bewerbermarkt zu. Das bedeutet für die Unternehmen: Es wird schwieriger geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Dabei kann eine frühzeitige Berufsorientierung für beide Seiten Chancen und Nutzen bieten. Wenn Jugendliche die Möglichkeit haben, in möglichst viele Berufe hineinzuschnuppern und die Betriebe damit ihrerseits vielen Jugendlichen ihre Berufe nahebringen können, kann das ein echter Gamechanger für die Rekrutierung sein. Gerade das Handwerk macht hier viele Angebote.“

Wolfgang Becker, Hauptgeschäftsführer des Fachverbands Sanitär-Heizung-Klima (SHK) Baden-Württemberg, ergänzt: „Die Transformation im Wärmemarkt ist ein Marathon. Das SHK-Handwerk hat diese sehr schnell angenommen. Wir blicken auf eine sehr gute Entwicklung der Fachkräfte im vergangenen Jahrzehnt zurück. Der Königsweg bleibt dabei die klassische Ausbildung. Hier gilt es nicht nachzulassen. Um das alle Branchen betreffende Ausscheiden der Babyboomer auszugleichen, müssen die Betriebe weiterhin aktiv ausbilden. Für die jungen Menschen bieten wir ausgezeichnete Perspektiven auf einen zukunftsfähigen und gleichzeitig anspruchsvollen Beruf. Nur mit ausreichend und gut ausgebildeten Fachkräften wer-
den wir die Transformation in Baden-Württemberg meistern.“

Aktuell kommen in Baden-Württemberg 66 Bewerberinnen und Bewerber auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen (Vorjahr: 64). Die Situation im Agenturbezirk Göppingen ist traditionell vergleichbar mit der Gesamtsituation in Baden-Württemberg: Aktuell kommen dort 67 Bewerberinnen und Bewerber auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen (Vorjahr: 68). 35.300 gemeldete betriebliche Ausbildungsstellen im Land sind noch unbesetzt. Im Agenturbezirk Göppingen sind es 2.574.

Für Rainer Häfele war die Gewinnung von Auszubildenden bisher kein Problem. Bei der Auswahl des richtigen Bewerbers spilen neben den schulischen Leistungen vor allem die Arbeitsmotivation eine große Rolle. „Und die erkennen wir, wenn die Bewerber ein Praktikum bei uns machen, so Rainer Häfele, der den Betrieb 2004 mit vier Mitarbeitern übernahm. Heute beschäftigt der im Bereich Bad- und Heizungssanierung tätige Betrieb 14 Mitarbeiter, darunter zwei Meister und drei Auszubildende, einer in jedem Lehrjahr. Ausbildung war dem Betriebseit seiner Gründung 1896 immer sehr wichtig. Viele Söhne und Töchter von Berufskollegen wurden in diesem Betrieb ausgebildet. Diese führen heute eigene Betriebe und sind auch verbandlich engagiert, freut sich Innungsobermeister Häfele, der selber Versorgungs- und Umwelttechnik studiert hat.

Im ersten Lehrjahr beschäfigt Häfele einen Flüchtling aus Syrien. Er spricht gut Deutsch, hat aber Probleme die zahlreichen Fachbegriffe zu lernen. Aber er ist sehr motiviert und wird seinen Weg machen. „Aufgeben ist keine Option“, so Häfele.

Eine aktuelle Regionalstudie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu den Transformationsberufen hat gezeigt: Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Auszubildenden ist in den Transformationsberufen zwischen 2013 und 2022 um 14 Prozent (+2.200 Personen) gewachsen und hat sich damit deutlich positiver gegenüber dem Trend in der Gesamtwirtschaft entwickelt. Gemessen an ihrem
Beschäftigtenanteil kann von einer überproportionalen Ausbildungsleistung der Transformationsberufe gesprochen werden.

Vor allem die zunehmenden Ausbildungszahlen in der Berufsgruppe der Klempnerei, Sanitär, Heizung- und Klimatechnik – ein zentraler Bereich im Rahmen der Transformationsvorhaben „energetische Häusersanierung und Wärmewende“ – zeigt: Für viele junge Menschen ist eine Ausbildung in diesem Beruf ein erfolgversprechender Start ins Berufleben.

Definition Transformationsberufe: Besonders von der Transformation (positiv oder negativ)
betroffene Berufe aus den Bereichen Umweltschutz, Energie und Verkehr. Die einzelnen Ag-
gregate und deren Zusammenfassungen enthalten auch Handwerksberufe, wie z. B. die Hei-
zungsinstallateurinnen und Heizungsinstallateure, die 10 Prozent der Beschäftigten und ca.
26 Prozent der Auszubildenden in den Transformationsberufen umfassen.
Beschäftigtenanteil Transformationsberufe an allen Berufen in 2022: 5,5 Prozent, Anteil
Azubis in diesen Berufen an allen Azubis: 8,0 Prozent.

Rund 5.250 junge Menschen durchlaufen derzeit eine Ausbildung im baden-württembergischen SHK-Handwerk. In den zurückliegenden zehn Jahren sind die Azubi-Zahlen um mehr als 40 Prozent gestiegen, was die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit dieser Klimaschutzberufe unterstreicht.

Daniel Terzenbach hat den Tag im Bezirk der Agentur für Arbeit Göppingen auch dafür genutzt, um mit dem Verwaltungsausschuss ins Gespräch zu kommen, der am Vormittag in der Agentur für Arbeit zusammengekommen war. Vorherrschendes Thema war auch hier die Transformation der Wirtschaft und die aktuellen Herausforderungen vor Ort. „Dies ist eine gute Gelegenheit, Rückmeldungen und Impulse aus
der Praxis an die Spitze der Bundesagentur für Arbeit zu geben“, so der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses, Ralph Wurster.

Hintergrundinformationen:

Den Bericht des IAB zu den Beschäftigungschancen in den Transformationsberufen finden Sie hier.

Die Verwaltungsausschüsse bilden bundesweit das „Herzstück“ der Selbstverwaltung in der Arbeitslosenversicherung. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung leisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Beiträge, damit die Bundesagentur für Arbeit ihre Aufgaben erfüllen und Leistungen zur Arbeitsförderung erbringen kann. Aus dieser Finanzierung leitet sich das Recht für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler ab, Einfluss auf die Verwendung der aufgebrachten finanziellen Mittel und die Aufgabenerledigung auszuüben. Der Verwaltungsausschuss hat eine Beratungs- und Kontrollfunktion bei der Gestaltung und Realisierung der gesetzlichen Aufgaben der Agentur für Arbeit. Der Ausschuss besteht aus insgesamt zwölf Mitgliedern und ist drittelparitätisch mit Vertretern der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und öffentlichen Körperschaften besetzt.

Foto v.l.n.r.: Dr. Susanne Koch (Geschäftsführerin Operativ der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit), Rainer Häfele (Geschäftsführer Häfele Haustechnik GmbH), Daniel Terzenbach (Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit und Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten), Wolfgang Becker (Hauptgeschäftsführer Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg), Karin Käppel (Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Göppingen)

Joachim Abel

 

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