Am zweiten Tag der dreitägigen Warnstreiks an den vier Unikliniken in Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm haben heute rund 2.000 Beschäftigte die Arbeit niedergelegt und nehmen zur Stunde an Kundgebungen und Demonstrationen vor Ort teil. Dieser insgesamt dritte Ausstand im Tarifkonflikt findet parallel zu den letzten der 13 vereinbarten Verhandlungsrunden statt. Heute wird in Stuttgart über Entlastung gesprochen, morgen final über Entgelt und das von ver.di geforderte Zukunftspaket.
Bis jetzt verweigern die Arbeitgeber ein Gesamt-Angebot auf die Forderungen der Beschäftigten, das neben mehr Geld auch Zeitregelungen zur Entlastung und eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen enthält. Wie beim ersten Warnstreik am 3. Juni und dem mehrtägigen zweiten Warnstreik vom 13. bis 14. Juni (Ulm auch 12. Juni) kommt es seit gestern während des dreitägigen Warnstreiks zu Verschiebungen von geplanten Operationen und Bettenschließungen. Über Notdienstvereinbarungen ist eine sichere Versorgung aller Patientinnen und Patienten gewährleistet. Am Mittwoch werden Streikdelegationen aller Standorte am Verhandlungsort in Stuttgart demonstrieren: Anreise bis 10:00 Uhr in der Schellingstraße (Unipark), Kundgebung ab 10:15/10:30 Uhr auf dem Schlossplatz direkt beim Verhandlungslokal in der Alten Kanzlei, Demo ab ca. 11:00 Uhr durch die Stadt.
Jakob Becker, ver.di Verhandlungsführer: „Wir gehen in die letzten beiden Verhandlungstage mit dem Rückenwind einer kräftigen Streikbeteiligung und der festen Erwartung, dass die Arbeitgeber diese Woche ihre grundsätzliche Ablehnung eines Zukunftspakets endlich beenden und in den Verhandlungsmodus finden. Um diesen Tarifkonflikt zu befrieden, braucht es gute Regelungen zu Geld, Zeit, Entlastung und Ausbildungsqualität.“
Die stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin Maike Schollenberge sagte auf der Kundgebung in Heidelberg: „Kaufkraftverluste durch Inflation, Belastung ohne Entlastung, fehlende Zeitsouveränität und zu wenig Zeit für Ausbildung. Das sind die täglichen Probleme der Beschäftigten. Und das sind auch genau die Probleme ihrer Arbeitgeber, wenn sie versuchen, neue Fachkräfte für die Unikliniken zu gewinnen. Denn viele junge Menschen würden sehr gerne die sinnvolle, abwechslungsreiche, verantwortungsvolle und deshalb im Kern auch erfüllende Arbeit an den Unikliniken machen. Und etliche, die in Teilzeit geflohen sind, weil sie nicht mehr können, würden aufstocken. Aber nur zu besseren Bedingungen. Deshalb brauchen wir ein echtes Zukunftspaket. Und dafür streiken wir diese Woche.“
Weitere Informationen: In dieser Tarifrunde wollen die ver.di Mitglieder die Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern, um Personal zu binden, dem Mangel an Fachkräften zu begegnen und den zukünftigen Bedarf an Gesundheitspersonal durch eine immer älter werdende Gesellschaft zu decken. Das neue Entgelt-Angebot vom 17. Juni sieht bei einer Laufzeit von 24 Monaten eine Inflationsausgleichsprämie von 1.050 Euro (für Azubis 1.505 Euro) sowie Entgeltsteigerungen von im Schnitt vier Prozent (80 Euro Festbetrag plus zwei Prozent) im Oktober 2024 und von weiteren drei Prozent im Januar 2026 vor bzw. für die Azubis 60 Euro in 2025 und 45 Euro in 2026. Die Einführung eines Lebensphasenkontos lehnen die Arbeitgeber bisher ab. Ebenso ein Wahlmodell zwischen Zeit und Geld. Stattdessen haben sie einen „Fonds für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen“ angeboten in Höhe von einmalig zehn Millionen Euro, der über die Laufzeit von zwei Jahren damit je Beschäftigten im Schnitt knapp 16 Euro pro Monat enthalten würde. Am 3. Juli ist der nächste Verhandlungstermin zum Entgelt. Über Entlastung wird bereits am 2. Juli nochmals verhandelt, dort ist vor allem die Frage der Ausgleichsregelungen für unterbesetzte Schichten noch strittig. Bei den Verhandlungen zur Ausbildungsqualität geht es vor allem noch um den Umfang der Praxisanleitung. Zum Thema Entlastung fanden inzwischen fünf Runden und zur Ausbildungsqualität drei Runden statt. Weiteres wichtiges Verhandlungsthema ist die lebensphasenorientierte Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Insgesamt sind für diese größte Tarifrunde seit 2005, als der eigenständige Tarifvertrag für die vier Landeskliniken erstmals vereinbart wurde, bisher 13 Verhandlungstermine angesetzt. Auf der Grundlage einer Befragung, an der gut 4.000 Beschäftigte teilgenommen hatten, hatte die ver.di-Tarifkommission am 17. April folgende Forderungen für die Tarifverhandlungen beschlossen. Entgelt: Erhöhung der Entgelte um elf Prozent, mindestens 500 Euro mehr im Monat für die Beschäftigten, sowie 250 Euro mehr im Monat für Auszubildende, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Lebensphasenorientierung: Einführung eines Lebensphasenkontos für alle Beschäftigten und Auszubildenden. Hierauf werden vom Arbeitgeber jedes Jahr fünf Lebensphasentage eingebracht, zusätzlich soll es weitere Möglichkeiten geben, das Konto zu befüllen. Die Beschäftigten sind frei in der Entscheidung, wie sie diese verwenden. Tarifvertrag Entlastung Pflege: Festlegung von Mindestpersonalausstattungen für alle Pflegeorganisationsbereiche. Vereinbarung eines Verfahrens zur Feststellung von Belastungssituationen und entsprechende Regelungen zum Belastungsausgleich (ein Tag für drei unterbesetzte Schichten, sowie Berücksichtigung von weiteren messbaren Faktoren: zum Beispiel Holen aus dem Frei, Übergriffe gegenüber Beschäftigten), wenn tarifvertragliche Vorgaben nicht eingehalten werden. Ausbildungsqualität: Sicherstellung der Praxisanleitung durch frühzeitige Planung und höheren Umfang sowie verlässliche Regelungen zur Freistellung während der Praxisanleitung. Tarifliche Ausbildungsqualität auch für Physios und MT-Berufe
Für die vier baden-württembergischen Uniklinika in Ulm, Tübingen, Heidelberg und Freiburg gilt ein eigener, mit dem Arbeitgeberverband Uniklinika abgeschlossener Tarifvertrag, von dem über 26.000 Beschäftigte an den vier Kliniken betroffen sind. Die Ärzt:innen fallen unter den Tarifvertrag Ärzte Länder, das wissenschaftliche Personal als Landesbeschäftigte unter die Tarifbestimmungen des Landes.
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg