In der EU arbeiten inzwischen 28 Millionen Menschen für digitale Plattformen. Dabei verteilen die Plattformbetreiber Kleinaufträge (sog. “Mikrojobs”) online an Solo-Selbstständige wie beispielsweise Taxi-, Liefer- und Handwerkerdienste. Die EU-Kommission sieht die Gefahr der Ausbeutung und will schon seit Jahren per EU-Richtlinie menschenwürdige Arbeitsbedingungen für die Plattform-Selbstständigen erreichen.
Der aus den Arbeits- und Sozialministern der EU bestehende Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ der EU (EPSCO) hat am 11. März die Richtlinie zur Plattformarbeit beschlossen. Dazu konnten nach mehrjährigen Verhandlungen auch Griechenland und Estland zur Zustimmung bewegt werden, so dass letztendlich nur noch Frankreich und Deutschland dagegen gestimmt haben.
Allerdings wird die Einigung nur von Teilen der Branche als Erfolg zum Schutz der Plattformbeschäftigten gesehen, da die Regelung sich speziell in Deutschland problematisch auf Solo-Selbstständige und ihre Auftraggeber auswirken kann. So wird befürchtet, dass die jetzt schon große Rechtsunsicherheit beim Selbstständigen-Status noch weiter zunehmen wird. Zugleich dürfte der Nutzen für die typischen Plattformbeschäftigten wie etwa Fahrradkuriere und Uber-Fahrer gering sein, da genau diese in Deutschland ganz überwiegend bereits angestellt sind.
Der Plattformbegriff der Richtlinie sei so weit gefasst, dass er sogar hunderttausende Menschen betreffen dürfte, die sich nicht als Plattformarbeitende sehen. Menschen, die gerne selbstständig sind und dies auch bleiben wollen. Durch den schwammigen Plattformbegriff könnte eine große Zahl von Auftraggebern in Deutschland unter die Richtlinie fallen, sofern Online-Tools zur eng abgestimmten Zusammenarbeit mit den Selbstständigen genutzt werden.
Durch eine Beweislastumkehr müssen Auftraggeber künftig beweisen, dass ihre Auftragnehmer selbstständig sind – ein enormer bürokratischer Aufwand. Die sonst übliche Unschuldsvermutung gilt hier also nicht. Die Kriterien dafür werden zudem nicht mehr europaweit einheitlich in der Richtlinie festgelegt – was eines ihrer Hauptziele war, sondern es gelten die Kriterien der Mitgliedsstaaten. Doch in Deutschland fehlen seit Jahren klare Kriterien für die “Scheinselbstständigkeit”.
“Die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit stellt die Selbstständigkeit gerne und freiwillig Selbstständiger in Deutschland in Frage”, sagt VGSD-Vorstand Andreas Lutz. “Schon jetzt gibt es immer mehr Auftraggeber, die keine Aufträge mehr an Solo-Selbstständige in Deutschland vergeben oder sie gegen ihren Willen in deutlich schlechter bezahlte Leiharbeit drängen, weil diese im Vergleich als rechtssicherer erscheint. Für die in der BAGSV organisierten 35 Berufs- und Selbstständigenverbände ist die schon jetzt unerträgliche Rechtsunsicherheit seit langem das drängendste Problem.”
Ein weiteres Ziel der Richtlinie ist immerhin der Schutz der persönlichen Daten der Plattformarbeitenden. So wird den Plattformen untersagt, bestimmte biometrische Daten oder Informationen über den psychischen Zustand der Plattformarbeitenden automatisiert zu verarbeiten.
Nach der formalen Annahme der Richtlinie durch das Europäische Parlament folgt dann die Umsetzung in nationales Recht durch die Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren.
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