Betriebe an Beschäftigung von Flüchtlingen interessiert – Deutschunterricht und Rechtssicherheit notwendig

Mehrere hundert Unternehmen im Ballungsraum Stuttgart sind bereit, Flüchtlinge zu beschäftigen. Das macht ein aktuelles Meinungsbild der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart deutlich, für das 620 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsbranche befragt wurden. Rund 80 Prozent der Teilnehmer am Meinungsbild haben die Frage nach ihrer Bereitschaft bejaht, Flüchtlinge zu beschäftigen, wenn die aufenthalts- und arbeitsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Zwei Drittel davon wollen so freie Stellen besetzen, in etwa vierzig Prozent der positiven Antworten spielen soziale Motive eine Rolle. Ein gutes Drittel derer, die Flüchtlinge einstellen wollen, würde auch welche ausbilden.

Das positive Meinungsbild aus der Abfrage bei Betrieben mit über zehn Beschäftigten wertet IHK-Präsident Georg Fichtner als „Zeichen für eine ausgeprägte Bereitschaft der Unternehmen, Flüchtlingen mit einer Anstellung oder beruflichen Ausbildung eine Perspektive und die Chance zur Integration in die deutsche Gesellschaft zu geben.“ Fichtner: „Ich halte das für eine Aufgabe, die uns als Unternehmer direkt angeht. Wir wollen uns dieser Verantwortung stellen und unseren Beitrag für die Gesellschaft leisten.“

Eine wichtige Rolle für die befragten Betriebe spielt die Qualifikation der Flüchtlinge. Viele Unternehmen wünschen sich demnach ausreichende Deutschkenntnisse: 85 Prozent der befragten Betriebe, die Flüchtlinge beschäftigen würden, sehen Sprachförderung als Voraussetzung dafür an. Damit Flüchtlinge als Fachkräfte eingesetzt werden, erwarten manche Unternehmen aber auch abgeschlossene Berufsausbildung oder fachliche Vorkenntnisse. 57 Prozent der befragten Unternehmen mit Bereitschaft zur Beschäftigung von Flüchtlingen erwarten, dass für Klarheit im Aufenthalts- und Arbeitsrecht gesorgt wird, 27 Prozent halten eine soziale Betreuung der Asylbewerber für notwendig.

IHK-Präsident Fichtner: „Wenn Flüchtlinge eine duale Berufsausbildung absolvieren, sollten sie nicht nur für deren Dauer ein Aufenthaltsrecht erhalten, sondern auch nach erfolgreichem Abschluss für zwei zusätzliche Jahre.“ Diese 3+2-Regelung mache die Investition in die Ausbildung für Betriebe attraktiver. Auch wenn Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen dürften, so sei nicht sicher, ob sie später dauerhaft oder nur befristet in Deutschland bleiben können. „Das verunsichert Ausbildungsbetriebe und Arbeitgeber, die auf Planungssicherheit angewiesen sind“, sagt Fichtner.

Ausbilden möchten Unternehmen Asylanten laut Befragung vor allem in technischen Berufen. Gefragt sind zum Beispiel Elektroniker, Industriemechaniker und KfZ-Mechatroniker. Aber auch bei Logistik- und Speditionsunternehmen, in der Gastronomie und kaufmännischen Berufen könnten Flüchtlinge den Ergebnissen der Befragung zufolge eine Lehrstelle finden.
Die meisten der befragten Betriebe beschäftigen bislang keine Flüchtlinge. Nur ein kleiner Teil gibt an, bereits über Erfahrungen zu verfügen, vor allem Unternehmen ab 20 Beschäftigte. Bei diesen Betrieben liegt der Anteil derer, die auch künftig Flüchtlinge beschäftigen wollen, bei 90 Prozent – und damit sogar über dem von Unternehmen ohne solche Erfahrungen. „Dies lässt auf positive Praxiserfahrung von Betrieben bei der Beschäftigung von Asylanten schließen“, erläutert IHK-Präsident Fichtner.

Die IHK selbst erarbeitet derzeit Konzepte zur Qualifizierung und Ausbildung von Flüchtlingen. „Wir richten unsere Angebote auf die neue Situation durch den Flüchtlingszustrom aus“, betont Fichtner. Als Beispiele nennt er die Aus- und Weiterbildungsberatung, die Lehrstellenbörse sowie die passgenaue Vermittlung von Ausbildungsplätzen unter anderem im Projekt „Azubi gesucht“ und das Beratungsangebot der Servicestelle „KAUSA“ (Koordinierungsstelle Ausbildung und Migration) für Jugendliche mit Migrationshintergrund, Eltern und Unternehmen. Einzelne Flüchtlinge würden dies bereits wahrnehmen.
Die IHK hat zudem bereits Projekte angestoßen wie etwa die Vermittlung in Ausbildung (ViA) im Landkreis Esslingen. Hier werden aktuell mit Unterstützung der Wirtschaft 20 junge Flüchtlinge betreut und in Ausbildung gebracht. In den Fachkräfteallianzen für Baden-Württemberg, die Region Stuttgart sowie in den Landkreisen werden die Projekte mit den anderen Akteuren abgestimmt. Beitragen dazu soll auch ein Treffen, zu dem die IHK Akteure und Behörden einladen wird, die für Flüchtlinge zuständig sind, sowie interessierte Unternehmen.

PM

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/arbeitsmarkt/16431/

Schreibe einen Kommentar