ver.di spricht sich vehement gegen die Möglichkeit eines Experimentierens im Bereich der Frühkindlichen Bildung aus. Die Gewerkschaft der pädagogischen Fachkräfte in Kitas und Grundschulbetreuung ist hochgradig alarmiert, dass der Städtetag sich offensichtlich nur noch für eine Garantie für sichere Versorgung und Betreuung in seinem Vorschlag für einen sogenannten Zukunftsparagrafen für die Kitas ausspricht.
Benjamin Lachat, Sozialdezernent beim Städtetag, hat heute bei der Forderung nach Experimentierklauseln und Flexibilisierung, erklärt, bei Wohl, Schutz und Sicherheit der Kinder dürfe es keinerlei Abstriche geben. Von Bildung ist keine Rede mehr.
Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter: „Frühkindliche Bildung ist die notwendige Bedingung für Chancengerechtigkeit und damit ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Wir dürfen ein Rollback zu den Kindergärten des letzten Jahrhunderts nicht zu lassen, nur, weil aktuell Rechtsansprüche nicht überall gewährleistet werden können. Kindertagesstätten ohne frühkindliche Bildung wären ein Offenbarungseid für die Landespolitik.“
Das Kultusministerium warnt zwar heute zu Recht vor Abstrichen, ist aber offensichtlich bereit, Experimentierklauseln zu zustimmen. Hanna Binder, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin: „Keine Experimente mit der Bildung unserer Kinder. Das muss die oberste Regel sein. Die nun auch drohende erneute Verlängerung der möglichen Absenkung von Standards, die erst wegen Corona und dann wegen dem Fachkräftemangel jeweils befristet umgesetzt wurden, zeigt: was einmal abgesenkt wurde, bekommen wir so schnell nicht mehr hoch. Jetzt muss Schluss sein mit den ständigen Aufweichungen der Standards.“
Sabine Leber-Hoischen, Erzieherin in Mannheim und Vorsitzende der Landesfachgruppe Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit bei ver.di Baden-Württemberg: „Die strukturellen Probleme des Fachkräftemangels bekommen wir nur mit einem an die vorhandenen Fachkräfte vorübergehend angepassten pädagogischen Angebot hin. Wie Pädagogik im frühkindlichen Bereich geht, wissen unsere Fachkräfte. Dazu braucht es aber ausreichend gut ausgebildete Beschäftigte in den Einrichtungen und nicht die Verlagerung der Verantwortung auf einzelne Träger, Einrichtungen und Teams. Unzureichende Rahmenbedingungen bekommen wir so nicht in den Griff. Außerdem darf es nicht der Beliebigkeit ausgesetzt sein, welchem Kind im Land welche Bildungsqualität zu Teil wird.“
ver.di befürchtet, dass das Land Baden-Württemberg es damit zulässt, dass frühkindliche Bildung nur noch in privilegierten Einrichtungen stattfinden kann und der Orientierungsplan dann nur noch auf dem Papier gelten würde. ver.di fordert die Landesregierung deshalb auf, gemeinsam mit den Trägern Verantwortung für Bildungsgerechtigkeit in diesem Land zu übernehmen und mit allen Beteiligten Lösungen auf den Weg zu bringen, die uns nicht noch Jahre an Bildungslücken und Fachkräfteflucht bescheren. Dazu gehören Investitionen und Lösungen, die langfristig zielführend sind. Wir stehen jetzt schon an der Grenze zu einer institutionellen Kindeswohlgefährdung durch zu knappe personelle Besetzungen wegen hohen Krankenständen, vielen offenen Stellen und unzureichenden Betreuungsschlüsseln. Eine weitere Aufweichung der Bedingungen, so ver.di, können wir uns nicht leisten, wenn wir nicht auch noch die Fachkräfte vergraulen wollen, die bis jetzt die Einrichtungen am Laufen halten. ver.di hatte dazu erst im vergangenen Monat alarmierende Ergebnisse einer Befragung von Beschäftigten in Kitas vorgestellt. Darin war ein Drittel der Befragten bereits auf dem Absprung, Stellenanteile zu reduzieren oder das Berufsfeld ganz zu verlassen. Binder: „Das sollten wir gesamtgesellschaftlich ernst nehmen und die so wichtigen Standards nicht noch weiter aufweichen – zumal für dieses Kita-Jahr ja bereits Absenkungen möglich sind, was wir vehement abgelehnt haben.“
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg