Nachdem es in der zweiten Verhandlungsrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen ein „völlig unakzeptables“ Angebot gab, wird ver.di auch in Baden-Württemberg die Warnstreiks in den kommenden Wochen erheblich ausweiten. Die Gewerkschaft rechnet mit einer sehr hohen Beteiligung an Arbeitsniederlegungen, da im Vorfeld bereits über 49.700 Beschäftigte im Land mit ihrer Unterschrift Streikbereitschaft bekundet hatten.
Den Auftakt machen Anfang nächster Woche Beschäftigte in Pforzheim, Baden-Baden und Rastatt, in den Landkreisen Rems-Murr und Böblingen, in Rottenburg und Tübingen, sowie den Kliniken in Ehingen und Blaubeuren. Die Arbeitsniederlegungen werden in den kommenden Tagen und Wochen Schritt für Schritt ausgeweitet. Betroffen werden dabei alle Bereiche des kommunalen öffentlichen Dienstes sein.
Das Angebot sieht tabellenwirksame Einkommenssteigerungen von lediglich fünf Prozent vor bei 27 Monaten Laufzeit. Statt einer Stärkung der besonders belasteten unteren Einkommensgruppen durch einen Mindestbetrag wollen die Arbeitgeber sogar die Jahressonderzahlung für die oberen Einkommensgruppen überproportional erhöhen.
Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter: „Kein Angebot wäre besser gewesen als diese Kampfansage. Es ist sozial blind. Unten sparen, um oben draufzusatteln: Das ist die unsolidarische Antwort der Arbeitgeber auf die Existenzängste ihrer Beschäftigten in den niedrigeren Entgeltgruppen. Eine ernsthafte und grundsätzliche Sicherung der Kaufkraft verweigern sie komplett. Angesichts der historisch hohen und extrem belastenden Inflation sind wir jetzt mehr denn je bereit für eine besondere Tarifrunde. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst leiden täglich darunter, dass inzwischen praktisch alle ihre Preise erhöht haben, ohne dass sie selbst mehr verdienen. Während die Wirtschaft in Summe weiter wächst und die Steuereinahmen steigen, drohen abhängig Beschäftigte in der kritischen Infrastruktur und in vielen anderen Branchen zu den Hauptverlierern der Krise zu werden. Das dürfen und werden wir nicht zulassen. Mit dem öffentlichen Dienst gehen wir jetzt voran.“
Die Arbeitgeber hatten in den Verhandlungen gestern und heute immer wieder betont, dass die Inflation wieder rückläufig sei, damit also vorübergehend, und die Belastung deshalb gut mit der einmaligen Zahlung von Inflationsprämien ausgeglichen werden könne.
Hanna Binder, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin: „Das ist doppelter Unsinn. Zum einen wissen die Arbeitgeber genau, dass Inflation immer dauerhaft an den Einkommen nagt. Außer es kommt in den nächsten Jahren zu negativer Preisentwicklung in noch nie da gewesenem Ausmaß. Zum anderen aber auch, weil die Inflation längst wieder angezogen hat. In Baden-Württemberg allein im Januar von 7,9 auf 8,5 Prozent.“
Am Dienstag werden außerdem Personalräte aus Stuttgart dem kommunalen Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV) einen bundesweiten gemeinsamen Appell von Personalräten aus Großstädten zur Tarifrunde persönlich übergeben.
Warnstreiks und Aktionen nach ver.di Bezirken: Mittelbaden-Nordschwarzwald Warnstreik am 27. Februar in Pforzheim in allen Bereichen; Warnstreik am 28. Februar in Baden-Baden und Rastatt in allen Bereichen inklusive Busse. Stuttgart: Warnstreik am 28. Februar im Landkreis Rems-Murr in allen Bereichen. Auftakt- und Abschlusskundgebung am Elsbeth-und-Hermann-Zeller-Platz in Waiblingen zwischen zehn und elf Uhr, dazwischen Demozug. Warnstreik am 28. Februar im Landkreis Böblingen in allen Bereichen. Streikgelderfassung im Arbeiterzentrum, Sindelfinger Straße 14, Kundgebungsort voraussichtlich in der Nähe. Am 28. Februar Übergabe des Briefs durch Personalräte aus Stuttgart an die Geschäftsführerin des KAV Baden-Württemberg, Sylvana Donath, in der Panoramastraße 27 gegen 12.15 Uhr. Fils-Neckar-Alb: Warnstreik am 27. Februar in Rottenburg in allen Bereichen, Kundgebung ab neun Uhr am Marktplatz. Warnstreik am 28. Februar in Tübingen in allen Bereichen: Stadt Tübingen, LRA Tübingen, Stadtwerke Tübingen, KSK Tü, Stadt Mössingen, Gemeinde Ammerbuch, Gemeinde Kusterdingen, KBF gGmbH, Jobcenter Tübingen. Kleinere Demonstrationen vom Sparkassen-Carré und von den Stadtwerken ab acht Uhr. Kundgebung am Marktplatz gegen zehn Uhr. Ulm-Oberschwaben Am 28. Februar Warnstreik im Bereich OP und Anästhesie der beiden Kliniken im Alb-Donau-Kreis an den Standorten Ehingen und Blaubeuren.
ver.di fordert für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen eine Anhebung der Einkommen um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte sollen um 200 Euro monatlich angehoben werden. Das Ergebnis soll später zeit- und wirkungsgleich auf Beamt:innen, Richter:innen, Soldat:innen und Soldaten sowie Versorgungsempfänger:innen übertragen werden. ver.di führt die Tarifverhandlungen gemeinsam mit der GdP, der GEW, der IG BAU und dem dbb beamtenbund und tarifunion. Die erste von drei verabredeten Verhandlungsrunden war am 24. Januar in Potsdam, die zweite Runde am 22. und 23. Februar 2023. Die dritte und letzte verabredete ist vom 27. bis voraussichtlich 29. März 2023. In Baden-Württemberg arbeiten nach Zahlen des Statistischen Landesamtes von 2022 rund 236.000 Tarifbeschäftigte bei den Kommunen. Etwa 67 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, die Teilzeitquote beträgt rund 44 Prozent (insgesamt inklusive Beamt:innen). Außerdem haben die bundesweiten Verhandlungen unter anderem Auswirkungen auf den Verlauf der Tarifrunde von rund 10.000 Beschäftigten bei der Agentur für Arbeit und über 3.000 Beschäftigten bei der Deutschen Rentenversicherung im Land.
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg