Mit Arbeitsniederlegungen in Ludwigsburg und Umgebung, in Ulm, Rastatt und Offenburg hat ver.di Baden-Württemberg die Warnstreiks im Sozial- und Erziehungsdienst nach den Osterferien wiederaufgenommen. Rund 750 Beschäftigte haben heute die Arbeit in Kitas, Grundschulbetreuung, sozialen Diensten und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen niedergelegt.
Weitere Warnstreiks finden diese Woche noch unter anderem in Ulm, Heilbronn, Crailsheim, Karlsruhe, Stuttgart und dem Landkreis Rems-Murr statt. Für die darauffolgenden Wochen werden weitere Warnstreiks vorbereitet. Damit will ver.di den Druck auf die Arbeitgeber vor der dritten Verhandlungsrunde Mitte Mai deutlich erhöhen. Der Arbeitgeberverband VKA beziffert die Mehr-Kosten durch die ver.di Forderungen bei den kommunalen Trägern im Sozial- und Erziehungsdienst auf mindestens eine halbe Milliarde Euro. Angesichts der hohen dreistelligen Milliarden Beträge, die der Staat bereit ist, für die Folgen der Pandemie und des Krieges in der Ukraine in die Hand zu nehmen, sagt Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter: „Für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst, die sich seit zwei Jahren täglich unter hohem persönlichem Risiko für die ihnen anvertrauten Menschen einsetzen, die jetzt alles geben, um die Geflüchteten aus der Ukraine bestmöglich zu unterstützen, gibt es bisher noch nicht einmal ein Angebot. Bessere Arbeitsbedingungen und damit auch Qualität der Arbeit sollen ernsthaft an dieser Geldsumme scheitern. Das ist ein Armutszeugnis für unser Land. Es ist traurig, dass die Kolleginnen und Kollegen jetzt gezwungen sind für eigentlich selbstverständliche Mindeststandards zu streiken.“
Aktionen und Warnstreiks in Baden-Württemberg nach ver.di Bezirken in der kommenden Woche:
Stuttgart: Am 26. April Warnstreik in allen Städten und Gemeinden im Landkreis Ludwigsburg sowie beim Landratsamts Ludwigsburg (alle, die nach der S-Tabelle eingruppiert sind). Um 9.00 Uhr Treffpunkt in Bietigheim-Bissingen auf dem Bahnhofsvorplatz, ab 9:15 Streikdemonstration. Um 10:00 Uhr findet dann auf dem Marktplatz die Kundgebung und Streikgelderfassung statt. Am 27. April Warnstreik in allen Städten und Gemeinden des Landkreis Rems-Murr sowie beim Landratsamt Rems-Murr. Ab 9.00 Uhr Streikgelderfassung, ab 10.00 Uhr Versammlung & Demo am Mittleren Marktplatz (Schorndorf). Am 28. April Warnstreik im Jugendamt, dem Sozialamt, Schulverwaltungsamt und dem Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart sowie Solidaritätsstreik in der Stuttgarter Jugendhaus gGmbH. 10.00 Uhr Streikgelderfassung, 10.30 Uhr Open Air Streikversammlung Biergarten Kursaal (Bad Cannstatt). Ulm-Oberschwaben Warnstreik am 26. und 28. April in jeweils der Hälfte der Kitas in der Stadt Ulm, an beiden Tagen Demonstrationszug ab 9:30 Uhr vom Weinhof durch die Stadt. Heilbronn-Neckar-Franken 27. April Warnstreik bei der Stadt Heilbronn sowie im Landkreis, Treffpunkt am Soleo, Start der Demo um 10:00 Uhr mit anschließender Kundgebung. 29. April Warnstreik in Crailsheim, Kupferzell, Schwäbisch Hall. Demo vom ZOB in Crailsheim um 9:30 Uhr, danach Kundgebung auf dem Schweinemarktplatz. Mittelbaden-Nordschwarzwald Warnstreik am 26. April in Rastatt in städtischen Kitas sowie Beschäftigte des Landratsamtes Rastatt. Um 9 Uhr Kundgebung auf dem Platz zwischen Landratsamt und Reithalle (Schlossplatz 5). Warnstreik am 29. April bei der Stadt Karlsruhe. Treffpunkt 8:30 auf dem Kronenplatz. Kurzer Demozug zum Tollhaus und dort Streikversammlung. Südbaden Schwarzwald: 26. April Warnstreik in der Stadt Offenburg, Kitas und Sozialarbeit. 10:00 Treffen vor der Reithalle Offenburg. Fils-Neckar-Alb: Am 28. April Aktion der SuE-Beschäftigten gemeinsam mit dem Gesamtelternbeirat Tübinger Kitas zwischen 16:30-17 Uhr vor dem Rathaus Tübingen.
Weitere Informationen zur aktuellen Situation in den Einrichtungen und sozialen Diensten: Die Beschäftigten in Sozialämtern, in Kitas und vielen anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes wollen die aus der Ukraine Geflüchteten unterstützen, stoßen dabei aber häufig an ihre Grenzen, weil zu wenig Personal zu viele Aufgaben bewältigen muss. Die Überlastung ist in den sozialen Diensten und den Kitas besonders deutlich. Platzmangel, zu große Gruppen, Fluktuation, Fachkräftemangel und die hohe Erkrankungsrate der Beschäftigten lassen es nicht mehr zu, den Kindern gerecht zu werden. Die Krisensituation verschärft die Arbeitsbelastung zusätzlich, da Kinder und Eltern mit Kriegserfahrungen besondere Zuwendung benötigen. Gleiches gilt für die Jugendämter. Sozialarbeiter*innen mussten schon während der Pandemie wegen steigender Anforderungen Entscheidungen treffen, ohne die Familie und die Kinder gesehen zu haben. Nun treffen Großeltern mit Enkelkindern, Mütter mit Kindern und unbegleitete Kinder und Jugendliche auf der Suche nach Schutz ein. Es müssen Strukturen aufgebaut werden, die gewährleisten, dass die Familien die notwendige Sicherheit erfahren. Kleine Kinder sollten nicht von ihren Bezugspersonen getrennt werden. Zudem muss eine professionelle sozialpädagogische Koordination erfolgen und Fachpersonal zur psychosozialen Betreuung und der Aufarbeitung von Traumata bereitstehen. Für die Integration der Kinder in die Kindertageseinrichtungen und in den schulischen Ganztag braucht es aus Sicht von ver.di deshalb vorrübergehend Zusatzkräfte, die nicht auf den Personalschlüssel angerechnet werden. Besonders hilfreich wäre die Einstellung von ukrainischen Muttersprachlerinnen und Muttersprachler mit professionellem pädagogischen Hintergrund.
Die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Kommunen gehören zwar zum TVöD, die Eingruppierungsregelungen sowie weiterer Regelungen etwa zum Gesundheitsschutz sind in einem eigenen Tarifvertrag vereinbart, der erstmals 2009 und dann erneut 2015 verhandelt wurde. Bereits 2020 sollte die dritte Runde stattfinden, diese wurde aber wegen der Corona-Pandemie verschoben. Für ver.di stehen in der Verhandlungsrunde drei Schwerpunkte im Vordergrund. Dazu gehören die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und die finanzielle Anerkennung der Arbeit.
ver.di und die VKA verhandeln für rund 330.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Kommunen. Von den Verhandlungen betroffen sind aber auch zahlreiche Beschäftigte bei anderen Trägern, die die Verhandlungsergebnisse übernehmen. Hinweis: Die dritte Verhandlungsrunde findet am 16. und 17. Mai in Potsdam, Kongresshotel, Am Luftschiffhafen 1, statt. Direkt von den Verhandlungen betroffen sind in Baden-Württemberg die kommunal Beschäftigten pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen, in der Schulkindbetreuung, in der Sozialarbeit und der Behindertenhilfe. Alleine in der frühkindlichen Bildung sind damit rund 45.000 Beschäftigte in Baden-Württemberg direkt in kommunalen Einrichtungen betroffen, knapp 60.000 Beschäftigte sind bei Kitas von freien Trägern direkt oder indirekt berührt. Zusammen betreuen sie 473.000 Kinder. Darüber hinaus sind direkt oder indirekt im Land weitere 32.000 Beschäftigte in sozialen Diensten und Einrichtungen von den Verhandlungen betroffen.
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg