Erstmals wurde aus der Region Stuttgart eine Meisterfeier als „Online-Veranstaltung“ in die Wohnzimmer der Beteiligten übertragen. Am Freitagabend gratulierte Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, per Live-Stream 632 erfolgreichen Handwerkern zum Bestehen der Meisterprüfung. Die Absolventen des aktuellen Jahrgangs dürfen sich erstmals auch „Bachelor Professional“ nennen. Reichhold erklärte im Rahmen der Veranstaltung, dass damit eindeutig klar gestellt sei, dass eine Berufsausbildung gleichwertig zur akademischen Bildung stehe. Der neue Zusatztitel sei jetzt im Meisterprüfungszeugnis auf den Meisterbriefen verankert. Reichhold: „Nach dem Motto Kleider machen Leute dürfen die beiden Titel Meister und Bachelor Professional auch auf die Visitenkarten oder die Homepage der Firma.“
Außergewöhnlich ist der Rahmen der diesjährigen Meisterfeier. Statt in einer Festhalle wurden die erfolgreichen Handwerker bei einer „Online-Veranstaltung“ per Live-Stream Corona-konform für ihre Leistungen gewürdigt. Präsident Reichhold gratulierte vom Studio aus seinen Berufskollegen und betonte: „Sie haben Ihren Abschluss teilweise unter Corona-Bedingungen mit Ausdauer, Fleiß und Ehrgeiz im wahrsten Sinne des Wortes „gemeistert“. Der Meister ist ein Symbol der Unabhängigkeit. Denn als Meister haben Sie nun alle Möglichkeiten: Sie können mehr verdienen. Sie können selbst ausbilden. Und vor allem: Sie können einen Betrieb übernehmen oder gründen. Aus Erfahrung weiß ich, dass es wunderbar ist, einen Betrieb zu führen, selbst zu entscheiden, selbst zu gestalten! Tun Sie das auch und ergreifen Sie diese Chance.“
Kfz-Techniker sind die Größten
Trotz erschwerter Corona-Bedingungen haben 632 junge Handwerker die Meisterprüfung vor den Prüfungsausschüssen der Handwerkskammer Region Stuttgart in 28 Gewerken bestanden. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 692 Meister geehrt. Das Elektro- und Metallgewerbe stellt mit 332 jungen Handwerkern aktuell einmal mehr die größte Branche. Davon sind 85 Meister im Kfz-Techniker-Handwerk, 64 Installateur- und Heizungsbauermeister, 49 Maler- und Lackierermeister sowie 35 Elektrotechnikermeister. Mit drei Absolventen stellt das Ofen- und Luftheizungsbauer-Handwerk eine kleine aber feine Branche dar. Bei den Orgel- und Harmoniumbauern waren vier Absolventen erfolgreich. Die Schilder- und Lichtreklamehersteller sowie die Sattler und Feintäschner brachten es auf jeweils sechs Absolventen.
Als ein starkes Zeichen für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses und die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung bezeichnete Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, die neu eingeführte Meisterprämie. Die baden-württembergische Landesregierung hat zum 1. Mai 2020 eine Prämie in Höhe von 1.500 Euro für erfolgreiche Absolventen von Meisterkursen im Handwerk eingeführt. „Wir haben von Anfang an für die Meisterprämie gekämpft. Für manchen Jungmeister ist der Betrag vielleicht der Grundstein für den eigenen Betrieb.“ Neben der Meisterprämie soll es auch eine Meistergründungs- und Übernahmeprämie geben: „Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren nach und nach aus dem Arbeitsleben ausscheiden, steht ein gewaltiger Generationswechsel an. Darum wollen wir noch stärker dazu motivieren, den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit zu wagen“, betonte Reichhold.
„Beide Prämien zielen darauf ab, die zunehmenden Herausforderungen des Handwerks bei der Betriebsnachfolge anzugehen.“ Der Nachwuchsmangel sei gerade im Handwerk besonders ausgeprägt. Hinzu komme, dass die Meistervorbereitung im Handwerk in der Regel merklich teurer sei als die berufliche Aufstiegsfortbildung in anderen Bereichen. Zudem sei der Meisterbrief im Handwerk in der Regel Grundvoraussetzung für das Führen eines Betriebs. Trotz Corona-Krise stünden die Chancen für junge Menschen gut, bereits in ganz jungen Jahren in eine Selbstständigkeit im Handwerk zu starten. Die Erfahrung habe gezeigt, dass das Handwerk seinen festen Platz als verlässlicher Anker in der Wirtschaft einmal mehr behauptet habe. „Das liegt auch an der soliden Qualifizierung mit unternehmerischem Wissen.“
Nicht nur Start-ups sind wichtig
Erfreulich sei, dass sich bislang die meisten Handwerksbereiche als sehr resilient im Hinblick auf die Krisenfolgen zeigen.“ Deshalb sollten all diejenigen, die vor Corona über eine Nachfolge nachgedacht haben, diesen Traum jetzt nicht wegen Corona aufgeben. In dem Zusammenhang forderte Reichhold, dass das Land klassische Gründungen und Nachfolgen wieder stärker fokussiert und sich nicht nur auf Start-ups und besonders innovative oder ungewöhnliche Gründungen konzentriert.
Wichtig sei, frühzeitig zu planen und sich beraten zu lassen. „Das Gründen eines Betriebes gehört zur DNA des Handwerks. Eine Betriebsübergabe passiert aber nicht mal eben so. Was schon vor Corona galt, gilt nach Corona umso mehr: Die Beteiligten benötigen in aller Regel eine umfassende Beratung, um den Generationenwechsel erfolgreich zu bewältigen.“ Mit der Zukunftsinitiative Handwerk 2025 werden aktuell die Betriebe intensiv dabei unterstützt, passgenaue Konzepte für den technologischen Wandel und Fachkräftewettbewerb zu finden. Die hohe Nachfrage nach den Angeboten zeige, dass die Unternehmer die Themen angehen wollen, um sich zukunftsorientiert aufzustellen.
„Menschen, die gründen, gehen ein hohes persönliches Risiko ein, übernehmen Verantwortung, leben gesellschaftliches Engagement. Sie schaffen Arbeitsplätze. Den Elan solcher Menschen darf man nicht durch ein Dickicht an Regelungen und Vorschriften bremsen und ihre Gründungsmotivation im Keim ersticken.“ „Jungen Menschen muss man – am besten durch eine frühzeitige berufliche Orientierung an allen allgemeinbildenden Schulen – verdeutlichen, dass eine abgeschlossene Berufsbildung ein ausgezeichnetes Fundament für eine berufliche Karriere als Unternehmerin oder Unternehmer legt. Die damit verbundenen Chancen stehen einer akademischen Laufbahn in nichts nach und müssen mindestens ebenso stark beworben werden.“
Aufgrund der Corona-Situation nahm die Handwerkskammer Abstand vom klassischen Festabend und sendete das Programm per Live-Stream an die Haushalte der Jungmeister. Interviews, die Ehrung der Bestmeister, die Übergabe des Rotary-Preises und die Nationalhymne konnten so zuhause erlebt werden. Auch Ministerpräsident Kretschmann war per Videoeinblendungen dabei. Teilweise wurden den Jungmeistern die Meisterbriefe an dem Abend nach Hause gebracht – selbstverständlich unter Einhaltung der geltenden strengen Hygienevorschriften.
Die Bestmeister 2020
- Felix Purkert, Behälter- und Apparatebauer-Handwerk, Waiblingen
- Patrick Frank, Feinwerkmechaniker-Handwerk, Backnang
- Cederik Knöpfle, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger-Handwerk, Löffingen
- Felix Beeg, Informationstechniker-Handwerk, Stuttgart
- Jonas Wissinger, Landmaschinenmechaniker-Handwerk, Boxberg
- Jonas Hoffmann, Maler und Lackierer-Handwerk, Niederöfflingen
- Maike Juliane Wölfle, Maßschneider-Handwerk, Graben-Neudorf
- Elisabeth Vielhaber, Müller-Handwerk, Sundern
- Mareike Eva Weigand, Raumausstatter-Handwerk, Stuttgart
- Tina Bucher, Sattler und Feintäschner-Handwerk, Rottweil
- Saskia Rusam, Schilder- und Lichtreklamehersteller-Handwerk, Stuttgart
- Nicola Jelinek, Tischler-Handwerk, Kirchheim unter Teck
- Barbara Blum, Zahntechniker-Handwerk, Schwieberdingen
- Lukas Riegger, Zimmerer-Handwerk, Illmensee
Weitere Infos und der Live-Stream zur Meisterfeier sind hier zu finden: www.hwk-stuttgart.de/meisterfeier2020
Dort ist auch die Liste der Jungmeister mit Herkunftsangabe eingestellt.
PM Handwerkskammer Region Stuttgart